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Studienförderung: Institut für klinische Forschung nötig

DÜSSELDORF (im). Für die klinische Arzneimittelforschung braucht Deutschland eine zentrale Einrichtung zur staatlichen Förderung, in der außer den Bundesministerien für Forschung und Gesundheit oder der deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) auch Institutionen wie die Arzneimittelkommission der Ärzteschaft, der gemeinsame Bundesausschuss und das neue Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin vertreten sein müssten. Das hat Professor Bruno Müller-Oerlinghausen am 21. November vor Journalisten während der Messe Medica in Düsseldorf erklärt. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft (AkdÄ) befürwortete dort auch die Beteiligung der Apothekerschaft, zudem sollten Patientenvertreter gehört werden.

Müller-Oerlinghausen bemängelte das Defizit an staatlich geförderten, großen vergleichenden klinischen Studien hierzulande. Es sei nicht verwunderlich, dass beispielsweise die entscheidenden Impulse zur Neubewertung der Hormontherapie nicht von deutschen, sondern von großen staatlich geförderten Studien aus den USA und Großbritannien ausgegangen seien.

Zwar habe in der Regierung vor allem das Bundesforschungsministerium die Defizite in Deutschland erkannt und beispielsweise mit der Errichtung von Koordinierungszentren für klinische Studien, "centres of Excellence" oder Kompetenznetzen für schwere Krankheiten reagiert.

Keine Studienkultur

Allerdings fehle es in unserem Land an einer Studienkultur und an einer konzertierten Planung groß angelegter vergleichender Untersuchungen. Die 40 Millionen Euro, die das Forschungsministerium am 11. September dieses Jahres mit der DFG für vier Jahre an Förderung ausgelobt hat, seien keinesfalls ausreichend.

Skeptisch zeigte sich der AkdÄ-Repräsentant wegen der mangelnden Zusammenarbeit zwischen den beiden Bundesministerien für Forschung einerseits und Gesundheit andererseits. Deren "keineswegs optimale Zusammenarbeit", so Müller-Oerlinghausen, sei ebenso Teil des Problems gewesen wie die geringen Fördertöpfe des Gesundheitsministeriums oder des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Nötig sei daher eine zentrale Einrichtung wie das aus Steuermitteln finanzierte "Medical Research Council" in Großbritannien. Die Arzneimittelkommission habe dem Ministerium eine Liste staatlich zu fördernder Interventionsstudien mit Arzneimitteln übergeben, beispielsweise zum Thema Pharmakovigilanz (siehe Kasten).

Welche Studien fehlen

Als anderes Beispiel nannte der AkdÄ-Vorsitzende die Notwendigkeit einer deutschen Hypertoniestudie, die klären sollte, welches Arzneimittel am besten zur initialen Monotherapie des Bluthochdrucks geeignet sei. Er erinnerte an die Kontroversen um die Übertragbarkeit der "Allhat-Studie" auf Deutschland und die Frage, ob ACE-Hemmer zur Primärtherapie bei speziellen Indikationen geeignet seien.

Hier seien etwa die Hochdruckliga und die Arzneimittelkommission der Ärzteschaft noch uneins. Während die Hochdruckliga die Sartane und Calcium-Antagonisten als Mittel zur Primärtherapie in ihren Leitlinien empfehle, lehne die AkdÄ, die hier vergleichende Studien unter Berücksichtigung deutscher Verschreibungsbesonderheiten verlangt, diese Empfehlung ab.

Darüber hinaus fehlten beispielsweise Studien zur Bewertung des Langzeitnutzens von atypischen Neuroleptika, konkret versus Haloperidol oder Placebo bei Patienten mit Schizophrenie eingesetzt. Es müsse zudem in der Diabetologie Studien geben, so ein weiteres Beispiel, die Nutzen und Kosten neuerer Präparate wie Lantus (Insulin glargin) gemessen an vorhandenen Therapien untersuchten.

Nach Worten des AkdÄ-Vorsitzenden ist die Motivation der Hersteller für klinische Studien der zu erwartende Umsatz am Markt, weshalb sie Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ihrer Substanz dokumentierten. Ärzte benötigten jedoch Erkenntnisse aus wertenden Studien, die die Verbesserung relevanter Endpunkte untersuchten, um zu erfahren, ob eine Neuerung einen medizinisch relevanten Vorteil für den Kranken hat.

Wer zahlen soll

Müller-Oerlinghausen schlug einen neutralen Finanzpool vor, in den Bund, Länder, die pharmazeutische Industrie – als Obulus für jedes erfolgreich zugelassene Medikament – und auch die Krankenkassen einzahlen sollten.

Welche Arzneimittel-Studien fehlen Die Arzneimittelkommission der Ärzteschaft hat dem Bundesgesundheitsministerium eine Liste staatlich zu fördernder Interventionsstudien mit Arzneimitteln übergeben. Die Mediziner halten vergleichende Untersuchungen beispielsweise auf diesen Gebieten für notwendig:

  • Innere Medizin: deutsche Hypertoniestudie. Welches Arzneimittel ist am besten geeignet zur initialen Monotherapie des Bluthochdrucks?
  • Diabetologie: Studie zu Analoginsulinen beim insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Vergleichende Endpunktstudie Normalinsulin und NPH-Insulin (Insulin mit Depotfaktor) versus kurz- und langwirksame Insulinanaloga
  • Rheumatologie: Studie zu Coxiben. Vergleichende Studie zu Wirksamkeit und Verträglichkeit der COX-2-selektiven Substanzen versus klassische nicht-steroidale Antirheumatika
  • Neurologie: Studie mit atypischen Neuroleptika. Zum Beispiel vergleichende Studie Azathioprin versus Beta-Interferone versus Glatiramer
  • Pharmakovigilanz: epidemiologische Untersuchung zu Art und Häufigkeit von unerwünschten Arzneimittelwirkungen in Deutschland

Ärzte wollen nicht wissen, ob der fünfte Protonenpumpeninhibitor wirksam ist – natürlich ist er das, sonst würde er ja nicht zugelassen –, sondern ob er einen tatsächlichen, medizinisch relevanten Vorteil für den Patienten hat.

Professor Bruno Müller-Oerlinghausen, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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