DAZ aktuell

Landesapothekerverband Niedersachsen: Mit der Hausapotheke in die Zukunft

HANNOVER (tmb). Wie sollen die vielfältigen gesetzlichen Neuregelungen zum Jahreswechsel in den Apotheken umgesetzt werden? Wie wird sich die Apothekenlandschaft verändern? Die Antworten des Landesapothekerverbandes Niedersachsen auf viele anstehende Fragen präsentierte der LAV-Vorsitzende und ABDA-Vizepräsident Heinz-Günter Wolf während der Mitgliederversammlung des Verbandes am 22. November in Hannover. Dabei zog sich das Konzept der Hausapotheke wie ein roter Faden durch die Antworten. Doch viele Aspekte gelten in gleicher Weise für die anderen Bundesländer, in denen das Hausapothekenmodell noch nicht so stark etabliert ist wie in Niedersachsen. Außerdem präsentierte Prof. Dr. Gerhard F. Riegl Zukunftsperspektiven für Apotheken aus der Sicht des Marketings.

Perspektiven der Hausapotheken ...

An die Mitglieder des Verbandes gerichtet, erklärte Wolf: "Ihre Kooperation ist der LAV." Doch würden sich auch unter dem Dach des Verbandes Schwerpunkte bilden. Die Apotheken würden sich nach Standorten und Neigungen spezialisieren.

Um den daraus resultierenden Ansprüchen gerecht werden zu können, habe der Landesausschuss des Verbandes unmittelbar vor der Mitgliederversammlung eine Perspektivkommission gegründet, die neue Arbeitsgemeinschaften u. a. für Hausapotheken, Onkologie, Phytopharmaka und Umweltpharmazie schaffen soll.

Die Hausapotheke sei das Vehikel für den Switch vom Arzneimittelhändler zum Apotheker. Dort könnten die pharmazeutische Betreuung und Elemente der honorierten Wirtschaftlichkeit bei der pharmakoökonomischen Beratung der Ärzte eingebaut werden. Auch Hersteller von Selbstmedikationsprodukten wären sehr an einer Zusammenarbeit mit den Hausapotheken interessiert.

... und kritische Stimmen

Aus dem Kreis der Mitglieder wurden neben viel Zustimmung aber auch kritische Meinungen zur Hausapotheke geäußert. Die Apotheker würden dabei zu viele Leistungen anbieten, die aus den künftigen Margen nicht zu finanzieren seien. Kritisiert wurden insbesondere die Hauszustellung und die Rabatte im Randsortiment, die die Krankenkassen nichts angingen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass andere Krankenkassen neue Verträge nur zu immer besseren Bedingungen abschließen wollten.

Wolf verwies dagegen auf die günstige Positionierung der Apotheken gegenüber den Krankenkassen und den Bedürfnissen der Patienten. Die Verträge seien als Instrumente der Kundenbindung und des Marketings zu verstehen. Außerdem machte er strategische Vorteile deutlich, beispielsweise würden Ausschreibungen bei der integrierten Versorgung überflüssig.

Die Rabatte seien nötig gewesen, um die Versicherten von zuzahlungsfreien ausländischen Versendern auf die Hausapotheken "umzuswitchen". Rhetorisch fragte Wolf, ob der Verband stattdessen gar nichts hätte unternehmen sollen.

Andere Mitglieder forderten dagegen, die Apotheker sollten noch offensiver auftreten und höhere Forderungen stellen wie beispielsweise die Ärzte. In ihrer Gesamtheit signalisierte die Mitgliederversammlung allerdings deutliche Zustimmung zu dem von Wolf dargestellten Kurs des Verbandes.

GMG – noch viele offene Fragen

In seinem Lagebericht ging Wolf auf viele noch offene Fragen zur Umsetzung des GMG ein. Weiterhin sehr heikel ist das Problem der Zuzahlung bei Sozialhilfeempfängern, die kein Geld haben und teilweise auch vom Sozialamt kaum Geld, sondern überwiegend Gutscheine erhalten. Entsprechendes gilt für Alten- und Pflegeheimbewohner, die nur über ein Taschengeld verfügen.

Die Sozialhilfe ist nicht pfändbar. So bleibt offen, wie die Apotheken ihre Forderungen eintreiben können. Das Problem sei mittlerweile dem Kanzleramt vorgelegt worden, das eine Lösung zugesagt habe. Wolf sei aber noch nicht zufrieden, weil eine inhaltliche Lösung bisher ausstehe.

Auch eine neue Regelung der Abgabe von Importen steht aus. Die Spitzenverbände der Krankenkassen würden entweder einen schnellen Vertragsabschluss noch in diesem Jahr oder eine Schiedsamtslösung anstreben.

Sollte es erneut zu einer Quotenregelung kommen, würden die bisher erreichten Guthaben auf dem Quotenkonto übernommen, habe ein Vertreter der Krankenkassen angekündigt. Wie die Lösung auch aussehen wird, erwartet Wolf künftig eine geringere Bedeutung der Importe im Preisbereich unter 100 Euro. Nur bei hochpreisigen Importen bestehe für die Importeure überhaupt noch ein hinreichender Anreiz.

Möglichst keine gespaltenen Preise für OTC-Arzneimittel

Für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel kann es künftig theoretisch drei Preise geben, den gesetzlich festgelegten Preis zu Lasten der GKV und die frei kalkulierten Preise für die PKV und für die Selbstmedikation. In der "Lauer"-Taxe wird es außer dem GKV-Preis auf der Grundlage der bisherigen Arzneimittelpreisverordnung eine Spalte für die Preisempfehlung des Herstellers geben.

Doch riet Wolf dringend von gespaltenen Preisen ab, weil diese den Abnehmern kaum zu erklären wären. Stattdessen empfahl er, sich an dem ohnehin festliegenden Preis für die GKV zu orientieren. Im Bereich des Mittelstandes sei eine solche Empfehlung zulässig.

Verträge mit Krankenkassen

Wenig Sorgen macht sich Wolf dagegen über die medienwirksam dargestellten Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und ausländischen Versandapotheken. Die Krankenkassen könnten solche Angebote aus wirtschaftlichen Gründen nicht ausschlagen. Entscheidend sei aber, ob solche Verträge später wirklich gelebt würden. Hier wären die flächendeckenden Hausapotheken gut positioniert.

Ähnliche Vorteile bestünden bei den neuen integrierten Versorgungsformen, bei denen künftig Ausschreibungen möglich sein werden. Der Ausschluss vieler Apotheken aus diesem Segment mache vielen Kollegen Angst, die aber nicht begründet sei.

Denn die Versicherten müssten sich zuvor in solche Versorgungsformen einschreiben und der Beschränkung auf bestimmte Leistungserbringer zustimmen. Dabei wären flächendeckende Angebote im Vorteil. Außerdem kämen hier die Hausapothekenverträge zum Tragen. Denn der Vertrag des LAV Niedersachsen mit dem BKK Landesverband mache solche Ausschreibungen überflüssig.

Rabatte – eine unendliche Geschichte

Besonders kontrovers wird zurzeit über die Rabatte im Arzneimittelhandel diskutiert. Es habe sich eine "eigenartige Allianz" zwischen Herstellern, Großhandel und Krankenkassen gebildet, die die Auffassung vertrete, alle Rabatte im Arzneimittelhandel würden den Krankenkassen zustehen.

Nach Auffassung von Wolf widerspricht dies aber dem Zweck der Rabatte als Marketinginstrument. Eine Regelung, alle Rabatte den Krankenkassen zuzusprechen, würde die gleichen Folgen haben wie sie es in den Niederlanden hatte. Es gäbe dann keinen Anreiz mehr, Rabatte zu zahlen. Dann gäbe es auch keine Rabatte mehr. Dies wäre ein Vorteil für Hersteller und Großhändler, aber nicht für die Krankenkassen. In den Niederlanden sei diese Regelung daher inzwischen wieder abgeschafft worden.

Wolf plädierte stattdessen dafür, die Hersteller und die Krankenkassen auf die Möglichkeit direkter Rabattverhandlungen zu verweisen. Wenn der Gesetzgeber diesen Weg ausdrücklich vorgesehen habe, sollte dies die bisher üblichen Rabatte offenbar ergänzen. Daher sollten die Apotheker die Rabattverhandlungen zwischen Industrie und Krankenkassen nicht blockieren.

Dies sei auch ein Mittel, um den Preisdruck von den Apotheken zu nehmen. Maßnahmen, die die Apotheken von künftigen Senkungen der Arzneimittelpreise unabhängig machen würden, seien erwünscht, weil die Apotheken einen solchen Druck nicht aushalten könnten.

Kundenbeziehungen neu bewerten

Die Neupositionierung der Apotheken unter den künftigen Wettbewerbsbedingungen war auch Gegenstand eines Vortrages von Prof. Dr. Gerhard F. Riegl. Zu Beginn der Mitgliederversammlung erläuterte er seine Zukunftserwartungen und berichtete über Ergebnisse seiner kürzlich veröffentlichten Befragung von Apothekenkunden.

Die Apotheken müssten ihre Kundenbeziehungen neu bewerten. Künftig würden die Einwohner im gesamten Wohnumfeld der Apotheke mehr interessieren als wenige teure Verordnungen. Im ethischen Segment seien kaum steigende Erträge zu erwarten, doch würden die Selbstmedikation und das Randsortiment an Bedeutung zunehmen.

Die wachsende Informationsflut in der Gesellschaft sei für die persönliche Kundenbeziehung in der Apotheke ein enormer Vorteil. Denn angesichts der vielfältigen Informationen bräuchten die Menschen zunehmend Orientierung.

Hervorragende Zufriedenheit mit der Apotheke

Die vorgestellte Kundenbefragung an 86 000 Apothekenkunden habe eine gigantische Vertrauensbasis für die Apotheken in der Hauptzielgruppe der Senioren aufgezeigt. Die Apotheken müssten sich aber auch um den "Kundennachwuchs", d. h. die künftigen Senioren kümmern.

Die Studie habe höhere Zufriedenheitswerte bei Kunden gezeigt, die sich länger in der Apotheke aufhalten. Der längere Aufenthalt führe auch zu mehr Impulskäufen. Doch schätze das Apothekenpersonal 41% der Kunden als eilig ein, obwohl dies nur auf 9% der Kunden zutreffe. Über weitere Ergebnisse der Kundenbefragung wurde bereits in der DAZ berichtet (siehe DAZ 39, S. 26 f.).

Kunden begeistern – durch überraschende Leistungen ...

Die pharmazeutische Kompetenz reiche zur Kundenbindung nicht aus, da sie selbstverständlich erwartet werde. Mit Selbstverständlichkeiten lasse sich keine Begeisterung auslösen und damit auch keine tragfähige Kundenbindung schaffen. Da die Apotheken vielfach ideale Bewertungen erhalten hätten, verblieben nur wenige Bereiche mit Verbesserungspotenzial, beispielsweise die Freiwahl, die Dienstleistungen und der Einsatz von Kundenkarten.

... und nicht durch Billigpreise

Eine stabile Beziehung zu den Kunden erlaube es, angemessene Preise zu fordern. Wer sonst nichts zu bieten habe, müsse billig sein. Die Apotheken könnten aber nicht die billigsten Anbieter sein – und die Kunden würden dies auch nicht von ihnen erwarten. Auch in anderen Wirtschaftsbereichen würden angesichts immer neuer Sonderangebote andere Kriterien, wie beispielsweise die räumliche Nähe, wichtiger bei der Wahl der Einkaufsstätten.

Viele Kunden würden Sonderangebote in der Apotheke sogar als unangemessen empfinden. Besonders günstige Preise seien allenfalls bei wenigen Indikatorartikeln sinnvoll. Anstatt Barrabatte zu gewähren, sei es wirksamer für die Kundenbindung, Punkte sammeln zu lassen, die später in Naturalien getauscht werden können.

Insgesamt prognostiziert Riegl den Apotheken eine positive Zukunft, es werde sogar Neugründungen geben. Die Apotheken sollten klare, plausible Versorgungsangebote machen, auf den Verbraucherwunsch nach Bequemlichkeit eingehen und Kontinuität, d. h. über längere Zeit gleichbleibend gute Qualität und Preise bieten.

Auf die Frage nach den Angeboten von Apothekenkooperationen erklärte Riegl, die Antworten auf die neuen Herausforderungen sollten möglichst individuell aufgrund der jeweiligen Situation gefunden werden. Individuelle Lösungen würden mehr Erfolg versprechen als solche "aus dem Katalog".

Wie sollen die vielfältigen gesetzlichen Neuregelungen zum Jahreswechsel in den Apotheken umgesetzt werden? Wie wird sich die Apothekenlandschaft verändern? Die Antworten des Landesapothekerverbandes Niedersachsen auf viele anstehende Fragen präsentierte der LAV-Vorsitzende und ABDA-Vizepräsident Heinz-Günter Wolf während der Mitgliederversammlung des Verbandes am 22. November in Hannover. Dabei zog sich das Konzept der Hausapotheke wie ein roter Faden durch die Antworten. Doch viele Aspekte gelten in gleicher Weise für die anderen Bundesländer, in denen das Hausapothekenmodell noch nicht so stark etabliert ist wie in Niedersachsen.

Es gibt keine Feudalrezepte mehr, nur noch sozialistische Rezepte.

Prof. Dr. Gerhard F. Riegl über die Konsequenzen für die Apotheken aus dem künftigen Fixaufschlag

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.