DAZ aktuell

Finanzierungreform der GKV: Gesundheitsökonomen für Mix aus Bürgerversicherun

BERLIN (ks). In der Debatte um die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) scheint es zuweilen, als gebe es nur die Wahl zwischen zwei Modellen: Dem Ausbau der GKV zur Bürgerversicherung oder der Umstieg auf Kopfpauschalen. Der Ökonom Prof. Dr. Friedrich Breyer von der Universität Konstanz stellte auf dem Handelsblatt-Gesundheitskongress "Health" am 24. November in Berlin ein mögliches drittes System vor: ein Mischmodell zwischen Bürgerversicherung und einheitlicher Prämie nach Schweizer Vorbild.

Die deutschen Sozialversicherungssysteme befinden sich zweifelsohne in einer Krise. Und in Krisenzeiten, so Breyer, dürfe es keine Tabus geben, sondern müsse offen über die Grundpfeiler des Sozialsystems diskutiert werden.

Bei der GKV ist Ausgangspunkt, dass diese ein erhebliches Einnahmeproblem hat – eine Finanzierungsreform ist somit dringend nötig. Rürup- und Herzog-Kommission haben zur Lösung des Problems die Begriffe Bürgerversicherung und Kopfpauschalen geprägt. Allerdings lehnen die meisten Vertreter des letzteren Modells die Bezeichnung "Kopfpauschalen" mittlerweile ab und sprechen lieber von Gesundheitsprämien, kassenspezifischen Grundbeträgen oder ähnlichem.

Neben den von den Parteien eingesetzten Kommissionen hat sich auch die "Gemeinschaftsinitiative Soziale Marktwirtschaft", eine von der Bertelsmann-Stiftung, der Heinz Nixdorf Stiftung und der Ludwig-Erhard-Stiftung eingesetzte Expertengruppe, mit der Reform der Sozialversicherungssysteme befasst.

Zu dieser Gruppe gehört auch Breyer. Er erläuterte, wie eine Reform der Finanzierung der GKV aussehen könnte – das komplette Konzept der Expertengruppe, das auch die übrigen Sozialversicherungszweige behandelt, wird in etwa sechs Wochen als Buch erscheinen.

Positive Ansätze von Rürup und Herzog verbinden

Die Gemeinschaftsinitiative will die positiven Ansätze der Rürup- und der Herzog-Kommissionen miteinander verbinden: Sie fordern einen einkommensunabhängigen, kassenspezifischen Grundbeitrag in Höhe von anfänglich rund 190 Euro für Erwachsene und 75 Euro für Kinder. Dieser umfasst sowohl die Kranken- als auch die Pflegeversicherung und soll von allen Bürgern gezahlt werden.

Die Wahl einer privaten Versicherung aufgrund eines hohen Einkommens soll wegfallen. Dabei plädieren die Wissenschaftler für einen unverfälschten Wettbewerb zwischen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Das bedeutet, dass sich die privaten Kassen dem Kontrahierungszwang, dem einheitlichen Leistungskatalog und dem Risikostrukturausgleich unterwerfen müssen.

Für die Übergangszeit sollten jetzt Privatversicherte auch in ihrer Versicherung bleiben können. Die Mitgabe von Altersrückstellungen hält Breyer für problematisch. Daher sollte die neue GKV nur für alle Neuversicherten Pflicht werden.

Ausgleich im Steuer-Transfer-System

Anders als andere Vertreter des Prämienmodells lehnt die Expertengruppe der Bertelsmann Stiftung eine Subventionierung des Beitrages ab, wenn dieser einen bestimmten Prozentsatz des Einkommens übersteigt. Denn mit diesem Ansatz sei der Beitrag gerade nicht völlig vom Arbeitsabkommen abgekoppelt, erläuterte Breyer.

Problematisch an den anderen Modellen sei zudem, dass der Bund erhebliche Beitragszuschüsse – Schätzungen zufolge rund 25 Mrd. Euro jährlich – leisten müsse. Breyers Lösung: ein Ausgleich im Steuer-Transfer-System. So soll der Regelsatz der Sozialhilfe um den durchschnittlichen GKV-Beitrag angehoben, das Kindergeld auf 295 Euro pro Monat erhöht werden. Für Einkommensteuerpflichtige soll der Beitrag in voller Höhe von der Bemessungsgrenze abzugsfähig sein.

Damit die Umstellung aufkommensneutral durchgeführt werden könne, würden einmalig alle Grenzsteuersätze im Einkommensteuertarif angehoben. Benachteiligt seien in diesem System lediglich Rentner, so Breyer. Hier müsse der Staat tatsächlich noch Zuschüsse leisten – diese beliefen sich jedoch auf maximal sechs bis acht Mrd. Euro jährlich.

Leistungskatalog beschränkt aufs absolut Notwendige

Auch der Leistungskatalog wird nach dem Modell der Gemeinschaftsinitiative weiter reduziert werden müssen. Er soll nur noch das absolut Notwendige umfassen. Auszugliedern seien insbesondere Leistungen, die mit einem hohen Verhaltensrisiko zusammenhängen, z. B. Zahnbehandlungen und Unfälle.

Zudem wird eine Ausweitung der Selbstbeteiligung zur Verhaltenssteuerung gefordert. Die mit der jüngsten Gesundheitsreform beschlossenen Zuzahlungserhöhungen genügten diesem Anspruch nicht, so Breyer.

Nicht zuletzt in Anbetracht des medizinisch-technischen Fortschritts werden die kassenspezifischen Grundbeiträge mit den Jahren steigen. Im Jahr 2050 könnte er bei 564 Euro liegen, räumte Breyer ein.

Doch dies sei kein Problem, da man langfristig erheblich an Abgaben spare. Zudem sei unter anderem durch die Senkung der Lohnnebenkosten mit einem einmaligen Wirtschaftswachstum von fünf Prozent allein durch die Reform der Sozialversicherungssysteme zu rechnen.

Mitglieder der Expertengruppe sind neben Breyer Prof. Wolfgang Franz (Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung), Prof. Stefan Homburg (Universität Hannover), Prof. Reinhold Schnabel (Universität Essen) und Prof. Eberhard Wille (Universität Mannheim, Vorsitzender des Sachverständigenrates für eine konzertierte Aktion im Gesundheitswesen).

In der Debatte um die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) scheint es zuweilen, als gebe es nur die Wahl zwischen zwei Modellen: dem Ausbau der GKV zur Bürgerversicherung oder der Umstieg auf Kopfpauschalen. Der Ökonom Prof. Dr. Friedrich Breyer von der Universität Konstanz stellte auf dem Handelsblatt-Gesundheitskongress "Health" am 24. November in Berlin ein mögliches drittes System vor: ein Mischmodell zwischen Bürgerversicherung und einheitlicher Prämie nach Schweizer Vorbild. 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.