Berichte

Sächsische LAK: Die Kriese als Chance

Am 12. November fand in Dresden die Versammlung der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK) statt. In seiner Eröffnungsrede zeigte sich Kammerpräsident Friedemann Schmidt überzeugt, dass der Berufsstand gestärkt aus der momentanen Krise des Gesundheitswesens hervorgehen wird. Auch wenn das Umfeld sich rasant wandele, Leistung und Produkt der Pharmazeuten seien gefragt wie nie zuvor. Aus dieser Situation sollte der Mut erwachsen, neue Wege zu gehen. In den Bereichen Fort- und Weiterbildung, der Qualitätssicherung, der Zusammenarbeit mit anderen Heilberufen und in der Öffentlichkeitsarbeit stellten sich die sächsischen Apotheker den Herausforderungen. Gastreferent Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz präsentierte die Projekte, mit denen sich das Zentrallabor der Deutschen Apotheker (ZL) für die Zukunft rüstet.

Dr. Brigitte Schilling, die Vizepräsidentin der SLAK, ehrte die in den Ruhestand ausscheidenden Vorstandsmitglieder und würdigte die Leistungen, die Pharmazierätin Frau Christine Uferer, Pharmazierat Peter Pöppel sowie Oberpharmazierat Jobst Bergner für die Pharmazie in Sachsen erbracht haben. Pharmaziedirektor Dr. Frank Bendas überbrachte ein Grußwort des Sächsischen Ministeriums für Soziales.

Apotheker nicht mehr Herr über das Arzneimittel

Die momentane Medien- und Politikerschelte für die Apotheker sei, so Kammerpräsident Friedemann Schmidt, nicht die Ursache, sondern eher der Katalysator für eine selbstverschuldete Krise.

Nach 13 Jahren nahezu paradiesischer Zustände, in denen die ständig steigende Nachfrage nach apothekerlicher Dienstleistung die Umsätze wachsen ließ, stehen die sächsischen Apotheker nun an einem Wendepunkt. Gab es bisher nur temporäre Rückschläge in einem ansonsten stetigen Wachstumsprozess, so sei dieser jetzt beendet. Leider sei es dem Pharmazeuten in den starken Jahren nicht gelungen, Herr über das Arzneimittel zu werden.

Trotz aller Beteuerungen der Standesorganisationen, nur die Apotheker seien Fachleute für alle Fragen zum Arzneimittel und zur Arzneimittelversorgung, habe man sich aus rein ökonomischen Gründen die gesamte Logistik vom Großhandel aus der Hand nehmen lassen. Jetzt, wo die Übermacht dieser Partner in vielen Bereichen schmerzlich spürbar werde, sei es fraglich, ob dieser Prozess rückgängig zu machen sei.

Die fachliche Verantwortung der Arzneimittelauswahl verteile sich nach wie vor zwischen Ärzten und den wissenschaftlichen Abteilungen der Herstellerfirmen. Vom Apotheker werden nur noch Vorratshaltung, ordnungsgemäße Rezeptbelieferung und Retourenbearbeitung erwartet. Ein unaufhörlich wachsendes Heer von Pharmareferenten übernehme die – eigentlich dem Apotheker zustehende – Informationspflicht von Ärzten, wobei der wissenschaftliche Anspruch oftmals auf der Strecke bleibe.

Die EDV-Systeme seien auf betriebswirtschaftliche Abläufe ausgerichtet, die pharmazeutische Programme dagegen häufig unpraktikabel.

Im Apothekenlabor werde ein zutiefst antiquiertes Instrumentarium gehütet, Schränke voller geheimnisvoller Substanzen und Apparaturen, die nach Schmidts Meinung kaum ein Apotheker aufbauen könnte, wenn er es denn jemals müsste. Die lange überfällige Novellierung der Apothekenbetriebsordnung werde trotzdem aus Nostalgie- und Konkurrenzschutzgründen immer wieder blockiert.

In der Öffentlichkeit seit Jahren unter Dauerbeschuss, stehen sich die Apotheker selbst im Weg und klagen. Ein wirkliches Bemühen um die Meinungsführerschaft in Sachen Arzneimittel fehle laut Schmidt völlig. Wo Apotheker reden müssten, bei Themen wie Lipobay oder der Hormonersatztherapie, schwiegen sie.

Der Graben zwischen öffentlichen und Krankenhaus-Apotheken werde ständig tiefer, und obwohl die pharmazeutische Wissenschaft bemüht sei, sich Gehör und Anerkennung zu verschaffen, bleibe die Unterstützung aus dem Berufsstand unentschlossen und halbherzig.

Re-Professionalisierung als freier Heilberuf

Trotz dieser negativen Bestandsaufnahme blickt der sächsische Kammerpräsident optimistisch in die Zukunft. Denn nur in scheinbar ausweglosen Situationen wachse der Mut zur Veränderung. Je tiefer und existenzbedrohender die Krise sei, desto größer sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Schmidt fordert eine Änderung des Berufsbildes im Sinne einer Rückbesinnung auf die Werte eines freien und beratenden Heilberufes. Diese "Re-Professionalisierung" müsse sich ausschließlich am Wohl des Patienten orientieren. Außerdem sei eine Erneuerung der Inhalte des Berufsbildes nötig, die schon in der Ausbildung beginnen müsse. Die Chancen für eine neue Positionierung stünden gut.

Die Einführung einer Evidenz-basierten Medizin (EbM) als der Versuch, der Heilkunst eine wissenschaftliche Basis zu verleihen, ermögliche auch nicht-medizinischen Professionen einen fundierten Zugang zum Patienten. Beispiele wie die Zytostatikaherstellung zeigen, dass sich die Qualität pharmazeutischer Tätigkeit durch Konzentrations- und Spezialisierungsprozesse verbessern lasse.

Der Apotheker müsse bereit sein, wirkliche Verantwortung zu übernehmen. Dabei könne es kein Verstecken hinter dem breiten Rücken der pharmazeutischen Industrie und keine falsche Rücksichtnahme auf Empfindlichkeiten der ärztlichen Kollegen geben. Ziel sei eine echte, gleichberechtigte Partnerschaft.

Anfang des neuen Weges

Die SLAK könne laut Schmidt sicher nur Anstöße für diesen Wandlungsprozess geben. Dabei sei unstrittig, dass sich das Verständnis eines freien Berufs nach wie vor am besten unter den Bedingungen wirtschaftlicher Selbstständigkeit erfüllen lasse. Die SLAK unterstütze daher alle Bemühungen des Deutschen Apothekervereins, die in diese Richtung zielen.

Die SLAK unterstützt das Modell der Service-Apotheke, das Schmidt für einen gelungenen Anfang des neuen Wegs hält. Der mit der Barmer Ersatzkasse abgeschlossene Vertrag bringe den Apotheker näher an den Patienten und stärke dessen fachliche Kompetenz.

Wichtigstes Ziel sei es, das Vertrauen der Patienten zu gewinnen. Dazu gehöre ein äußerst sensibler Umgang mit vertraulichen Patientendaten, sodass die Berufsordnung um konkrete Regelungen zum Datenschutz ergänzt werden müsse.

Die Trennung von fachlicher und wirtschaftlicher Verantwortung, wie sie bei anderen freien Berufen bereits vollzogen sei, solle laut Schmidt auch für den Apotheker Realität werden. Wichtig sei es, jetzt keine Kernkompetenzen, die später die Verhandlungsposition der Apotheker stärken könnten, nicht an berufsfremde Dritte abzugeben. Das hieße, das Ruder auf hoher See aus der Hand zu geben.

Die SLAK will ihre Mitglieder auch unter den Bedingungen des Mehrbesitzes in jeder Form unterstützen. Schmidt rechnet mit einer Schonfrist von fünf Jahren, bis weitere Liberalisierungsschritte auf die Apothekerschaft zukommen. In diesem Zeitraum gelte es, sich unter dem Motto "Freiheit in Verantwortung" neu zu positionieren.

Inhaltliche Neuausrichtung beim ZL

Um Neupositionierung wird auch beim Zentrallabor der Deutschen Apotheker (ZL) gerungen. Dessen Leiter, Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, stellte neue Strategien und Projekte des ZL vor, ohne Kritikpunkte zu verschweigen.

Ein Hauptgrund für bisherige Probleme des ZL war die mangelnde Kontinuität auf der Leitungsebene, die nun beseitigt worden sei. Auf die angespannte wirtschaftliche Lage werde das ZL mit langfristig sinkenden Beiträgen reagieren. Dies sei unter anderem durch Verzicht auf einen Institutsneubau oder -umzug und eine straffe Personalplanung möglich.

Die Beiträge der Apothekerschaft sollten konsequent in neue Forschungs- und Entwicklungsprojekte investiert werden, denn in Zeiten von DNA-Chips und rekombinanten Wirkstoffen ändere sich das Anforderungsprofil. Auch hier wurde in der Vergangenheit Kritik geäußert, denn bei den vielen Schlagworten aus der Biotechnologie kam der Verdacht auf, die Apothekerschaft finanziert mit ihren Beiträgen für das ZL die Forschungsarbeit der pharmazeutischen Industrie mit.

Laut Schubert-Zsilavecz müsse die Kernkompetenz des ZL, die Qualitätsprüfung von Arzneimitteln, besser kommuniziert werden. Man plane eine enge Zusammenarbeit mit den Apothekerkammern, der pharmazeutischen Industrie sowie mit nationalen und internationalen Behörden. Letzteres sei unter anderem durch die Zunahme gefälschter Arzneimittel im Zuge der Marktliberalisierung nötig geworden.

Dieses Thema beschere dem ZL eine erhöhte Aufmerksamkeit der Medien. Auch die Qualitätsprüfung pflanzlicher Arzneimittel finde in der Laienpresse ein großes Interesse. So habe die Überprüfung von Johanniskrautpräparaten eindeutig gezeigt, dass nur apothekenpflichtige Präparate die Qualitätsanforderungen erfüllten.

Ein Arzneimittelinformationsdienst soll in Zukunft aktuell zu allen Fragen um das Arzneimittel Stellung nehmen, ein wissenschaftlicher Beirat gegründet sowie Workshops und Kongresse ausgerichtet werden. Neue wissenschaftliche Projekte befassen sich mit Arzneimitteln für Kinder und Jugendliche, deren Einsatz heute meist einem off-label use entspricht, sowie mit der Qualitätsprüfung von Biologicals und Importarzneimitteln.

Schubert-Zsilavecz forderte die Apotheker auf, das ZL auf seinem neuen Weg zu unterstützen. Es gebe keinen Berufsstand, der soviel Qualitätssicherung betreibe wie die Pharmazeuten. So sei die Gründung eines Instituts für Qualität in der Medizin ohne ihre Mitarbeit undenkbar.

Fortbildung auf hohem Niveau

Auch in der Fort- und Weiterbildung sind die sächsischen Apotheker sehr engagiert. Die Einführung der zertifizierten Fortbildung hat nach Einschätzung von Dr. Klaus Gerlach, dem Ressortverantwortlichen der SLAK, zu einem wahren Rennen um Fortbildungspunkte geführt. Die SLAK konnte durch enge Zusammenarbeit mit der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft das Fortbildungsangebot weiter verbessern.

Nach dem gemeinsam ausgerichteten Fortbildungskongress 2003 zum Thema Hormone (Bericht in DAZ 42, S. 66) wird man sich im nächsten Jahr mit der Arzneimittelabgabe und -beratung in der Selbstmedikation befassen.

Am Ende sollen indikationsbezogene Leitlinien dem Apotheker die Beratung bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die ab Januar 2004 ganz aus der ärztlichen Verantwortung fallen, erleichtern. Hierbei will die SLAK ihre gute Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesärztekammer intensivieren.

Neben zahlreichen regionalen Fortbildungsveranstaltungen wird das Pharmazeutische Kolleg in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig auch 2004 in Leipzig, Chemnitz und Dresden stattfinden.

Eine besondere Erfolgsgeschichte der SLAK ist der Fortbildungszyklus für nicht-approbierte Apothekenmitarbeiter, den seit Beginn vor drei Jahren fast 600 PTA und Pharmazieingenieure durchlaufen haben. Mehr als 50 ehrenamtliche Referenten bieten an zehn Samstagen ganztägige Seminare zu allen großen Krankheitsbildern an. Obwohl das Zertifikat durch eine Abschlussprüfung erworben werden muss, gab es auch für den laufenden Kurs ca. 450 Anmeldungen, von denen 125 nicht berücksichtigt werden konnten.

Weiterhin geplant sind ein Aufbaukurs, Zusatzkurse für Kommunikations- und Motivationstraining sowie Internet-Angebote mit Erfolgskontrolle.

Auch in der Weiterbildung sind die Projekte der SLAK richtungsweisend und werden, wie die Einführung der Fernermächtigung, teilweise auch von anderen Bundesländern übernommen. Derzeit können vier Projektarbeiten weitergebildeter Apotheker, die sich durch ihren Praxisbezug auszeichnen, von der Homepage www.slak.de, Bereich Beruf und Bildung, heruntergeladen werden.

Apothekerin Brigitte Keil stellte die neuen Strategien im Bereich Öffentlichkeitsarbeit vor. Das bestehende Netz lokaler Pressesprecher habe sich bewährt und solle ausgebaut werden.

Neben einer intensivierten Pressearbeit plane die SLAK Auftritte auf mehreren öffentlichen Foren, beispielsweise anlässlich des zweiten Sächsischen Apothekertages, der im Juni 2004 in Torgau stattfinden wird. Außerdem sollen in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Sozialministerium Projekte zur Prävention ins Leben gerufen werden, mit denen man sich vor allem an Schüler wenden wolle.

Es sei laut Keil notwendig, die Kompetenz der Apotheker stärker nach außen zu transportieren. Die SLAK wolle sich in diesem Sinne als Institution für Verbraucherschutz und -information etablieren.

Die ernüchternde Bilanz: Obwohl es uns wirtschaftlich noch nie so gut ging wie heute, stehen wir nach außen schlechter da als je zuvor Friedemann Schmidt

Sie können heute schneller die gesamte Inventur durchführen als einen neuen Patientendatensatz anlegen. Friedemann Schmidt

Wir brauchen die Befreiung aus der Babylonischen Gefangenschaft durch die pharmazeutische Industrie. Friedemann Schmidt

Vielen Apothekern wird es in Zukunft viel schlechter gehen, und einigen wird wohl ganz die Luft ausgehen. Friedemann Schmidt

Die Qualität monoklonaler Antikörper können Sie nicht mit Hilfe der Dünnschichtchromatographie prüfen. Prof. Dr. Schubert-Zsilavecz

Es kann ja nicht so sein, dass die Apothekerschaft die Forschungsarbeit für die pharmazeutische Industrie bezahlt. Prof. Dr. Schubert-Zsilavecz

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker muss genauso wahrgenommen werden wie die der Ärzteschaft. Prof. Dr. Schubert-Zsilavecz

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.