Arzneimittel und Therapie

Somatostatin-Analoga: Länger und besser Überleben mit gastrointestinalen Tumor

Endokrin aktive Tumoren, die von hormonbildenden Zellen ausgehen, machen sich oft durch eine Überproduktion von Serotonin und in der Folge durch Symptome der Überproduktion dieser Hormone wie Durchfall oder Hitzewallungen bemerkbar. Die Mehrzahl dieser Erkrankungen sind semimaligne Tumoren, Karzinoide, die sich hauptsächlich im Magen-Darm-Trakt, im Bereich der Lunge sowie selten in anderen Organen entwickeln. Ist die chirurgische Entfernung nicht möglich, kommen medikamentöse Therapien mit Interferon oder Somatostatin-Analoga zum Einsatz.

Somatostatin (Growth-Hormone-Inhibiting Hormone) hemmt als Release-Inhibiting-Hormon die Freisetzung von Somatotropin (STH oder GH), dem menschlichen Wachstumshormon. STH weist sehr breitgefächerte Aktivitäten auf: Als effektorisches Hormon wirkt es insulinantagonistisch und steigert die Proteinbiosynthese.

Als glandotropes Hormon wirkt es mittelbar über die Bildung von Somatomedinen (insulin-like-growth-factors, IGFs) und regt Knochen-, Knorpel- und Muskelwachstum an. IGF-1 als Promotor der Zellteilung und Hemmstoff der Apoptose hat einen karzinogenen Effekt.

Zwar ist unklar, ob IGF-1 die De-novo-Karzinogenese unterstützt, aber ein Zusammenhang zwischen IGF-1 und Tumorwachstum ist vielfach belegt. Dies ist einer der Mechanismen, welche die Anwendung von Somatostatin-Analoga in der Onkologie erklären können.

Biologische Effekte abhängig vom Rezeptor-Subtyp

Die Einflüsse auf die Zellproliferation und die Apoptose werden über bestimmte Subtypen von Somatostatin-Rezeptoren vermittelt. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die biologischen Effekte von Somatostatin-Rezeptor-Subtypen. Die breiteste Wirkung vermittelt der SST2-Rezeptor.

Unter anderem hemmt er die Bildung von Wachstumshormon, Insulin, Magensäure, verschiedenen Mediatorsubstanzen sowie die Zellproliferation und induziert Apoptose. Natürliches Somatostatin wirkt auf alle Rezeptor-Subtypen gleich stark.

Seine synthetischen Analoga Octreotid (Sandostatin®), Lanreotid (Somatuline® L.P.) und Valpreotid weisen an diesen Rezeptoren ein differenziertes Aktivitätsspektrum auf, das für therapeutische Effekte gezielt genutzt werden kann (Tab. 2).

Zur Wirksamkeit von SST-Analoga bei Krebserkrankungen trägt jedoch neben den antiproliferativen Effekten mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine anti-angiogenetische Wirkung bei, die nicht über die genannten Rezeptoren vermittelt wird.

Ein synthetisches Somatostatin-Analogon mit einer Halbwertszeit von 1,5 Stunden ist Octreotid. Octreotid (Sandostatin®) ist in Deutschland zugelassen für die symptomatische Behandlung endokrin aktiver Tumoren des Gastrointestinaltraktes sowie zur Senkung der Spiegel an Wachstumshormon bei Akromegalie.

Jedoch liegen positive klinische Erfahrungen bei weiteren onkologischen Indikationen vor:

1. Hepatocelluläres Karzinom (HCC) Seine Inzidenz in den USA hat sich in den letzten drei Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Häufigste Ursache nach einer Untersuchung in Sachsen-Anhalt ist die alkoholbedingte Leberzirrhose, gefolgt von den Hepatitiden C und B. Nur jedem fünften Patienten mit Leberzellkarzinom kann mit einer Operation geholfen werden.

Die niedrige Überlebensrate unter medikamentöser Therapie hat sich in den letzten 25 Jahren kaum gebessert. Palliativ setzten Onkologen bislang Interferon, Chemotherapie und Hormontherapie einzeln und kombiniert ein, außerdem das Gestagen Megestrol.

Die Überlebenszeit verlängert sich unter diesen Medikationen durchschnittlich nur um drei bis zehn Monate, unter Megestrol bis zu 18 Monate. Tamoxifen zeigte entgegen älterer Daten in jüngeren kontrollierten Studien keinen sicheren Effekt.

Octreotid wurde beim hepatocellulärem Karzinom in bislang sieben prospektiven Studien untersucht, eine plazebokontrollierte Untersuchung zur Abschätzung des absoluten Stellenwertes fehlt bislang. Dennoch weisen die Daten darauf hin, dass Octreotid die Überlebenszeit der Patienten in vergleichbarer Weise wie die anderen Therapieformen verlängert.

In einer der ersten Studien mit 2 x 250 µg/d Octreotid lag die mittlere Überlebenszeit bei 13 Monaten, gegenüber vier Monaten in der Kontrollgruppe. Nach einem Jahr lebten noch 56 Prozent der behandelten Patienten. Der Überlebensvorteil war unabhängig von Tumorgröße bzw. Tumorstadium und Grad der Leberfunktion nachweisbar.

In einer weiteren Studie wurden 28 Patienten mit fortgeschrittenem HCC ohne Möglichkeit der Resektion aufsteigend mit max. 30 mg Sandostatin® LAR (Octreotid-i.m-Monatsdepot mit Retardmikrokapseln) behandelt. Die mediane Überlebenszeit stieg signifikant von 16 auf 31 Wochen im Vergleich zu einer nicht randomisierten Kontrollgruppe.

In einer anderen Studie wurde die Wirksamkeit des COX-2-Hemmers Rofecoxib bei hepatocellulärem Karzinom geprüft. Dahinter steht der Gedanke, dass sehr viele Tumoren die Cyclooxygenase-2 überexprimieren. Im Zellmodell konnte durch Rofecoxib eine Hemmung des Tumorwachstums belegt werden.

Ein Teil der Patienten erhielt deshalb zusätzlich zu Octreotid Rofecoxib (max. 2 x 50 mg/d). Zumindest bei dem vorliegenden Patientengut (weit fortgeschrittenes HCC) zeigte sich aber kein zusätzlicher Benefit des COX-2-Hemmers im Vergleich zur alleinigen Octreotidbehandlung.

Aus den vorliegenden Studien könnte das Fazit gezogen werden, dass eine Subgruppe von Patienten mit HCC von der Behandlung mit Octreotid hinsichtlich Überleben und Lebensqualität profitiert, so Dr. Treiber. Interessanterweise war das Ansprechen auf die Therapie bei HCC unabhängig davon, ob sich szintigraphisch Somatostatin-Rezeptoren nachweisen lassen. Das Octreotidszintigramm eignet sich deshalb nicht zum Identifizieren derjenigen Patienten, die am meisten von der Therapie profitieren.

2. Chemotherapie-induzierte Diarrhö (CID) Eine Chemotherapie-induzierte Diarrhö betrifft 10% aller Krebspatienten jedweden Schweregrades unter Chemotherapie, 25% unter der Kombination 5-Fluorouracil/Leuvoverin, bis zu 50 bis 80% unter 5-Fluorouracil/ Irinotecan und ca. 70% der Patienten unter Radatio (Bestrahlung) des Beckens. Die Chemotherapie-induzierte Diarrhö führt oftmals zur Verweigerung der Chemotherapie.

Somatostatin-Rezeptoren vermitteln eine Hemmung der Motiliät im oberen Gastrointestinaltrakt, im Dünndarm sowie im Kolon und mindern die intestinale Chloridsekretion. Dass diese Mechanismen klinisch relevant sind, zeigt eine neue Untersuchung an 12 Patienten unter diversen Chemotherapien. Bei allen hatte die konventionelle Darmruhigstellung mit Loperamid fehlgeschlagen.

Octreotid (30 mg i.m. alle vier Wochen) brachte bei 10 der 12 Patienten den Durchfall zum Stillstand. Bei allen besserte sich die Lebensqualität, ein Patient brach die Therapie wegen Obstipation ab. Der Hauptnutzen der Intervention mit dem Somatostatin-Analogon bestand aber darin, dass die Chemotherapie fortgeführt werden konnte.

3. Neurodendokrines Karzinom (NEC) Beim neurodendokrinen Karzinom zeigen Langzeitdaten eines amerikanisches Krebsregisters (SEER) bei einem sehr großen Patientenkollektiv, dass die Therapie mit Octreotid die mediane Überlebenszeit signifikant steigert, unabhängig von der initial befallenen Region, Alter, Rasse und Geschlecht. Der Anteil an Patienten mit Fernmetastasen sank von über 20 auf 13%.

Quelle

Dr. med. Gerhard Treiber, Magdeburg: "Somatostatin-Analoga in der Onkologie", Presseworkshop im Nachgang zum ASCO-Kongress (American Society of Clinical Oncology), Nürnberg, 25. Juni 2003, veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

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