GMG und Apotheken

H. J. MeyerDie neuen Preis- und Spannenvorschriften

Die Änderung der Preis- und Handelsspannenvorschriften für Arzneimittel Ų einer der zentralen Regelungsbereiche des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) Ų war bis zuletzt heftig umstritten. Und auch jetzt, nachdem das GMG verabschiedet ist, bestehen noch zahlreiche Unklarheiten bezüglich Inhalt und Konsequenzen einzelner Regelungen. Im folgenden Artikel wollen wir versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel des künftigen Preissystems zu bringen.

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden "dereguliert"

Ab 1. Januar 2004 werden die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel – bis auf Ausnahmeregelungen – aus der Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossen. Zugleich unterliegen sie nicht mehr der Arzneimittelpreisverordnung, werden also von den Preis- und Spannenregelungen ausgenommen. Diese doppelte Deregulierung des Selbstmedikationsmarktes – Wegfall der Preis- und Erstattungsregelungen – ist ein wesentlicher Bestandteil der "Liberalisierung des Arzneimittelvertriebs", die sich die rot-grüne Koalition zu Beginn dieser Legislaturperiode auf die Fahnen geschrieben hat. Sie folgt damit einer Forderung, die auf europäischer Ebene bereits im Mai 2002 von hochrangigen Vertretern aus Gesundheitspolitik und pharmazeutischer Industrie aufgestellt wurde:

"Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass sich die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates zur Preisregulierung nur auf Arzneimittel erstreckt, die vom Staat bezahlt oder erstattet werden. Vollständiger Wettbewerb sollte für alle Arzneimittel zugelassen werden, die nicht durch staatliche Systeme erstattet oder auf dem privaten Markt verkauft werden." (Empfehlung Nr. 6 der "High Level Group on Innovation and Provision of Medicines in the European Union, G10 medicines final report, 7. Mai 2002. Mitglieder dieser Gruppe waren unter anderem: die EU-Kommissare für Binnenmarkt und Gesundheit, die Gesundheitsminister aus Deutschland, Frankreich und Portugal, Vertreter der europäischen Krankenkassen- und Verbrauchschutzverbände sowie vier hochrangige Vertreter der pharmazeutischen Industrie.)

In Ausnahmen sind sie doch erstattungsfähig

Die im GMG zunächst vorgesehene generelle Ausgrenzung der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus der Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten stieß allerdings von Anfang an auf große Kritik. Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass das arzneimittelrechtliche Kriterium für die Verschreibungspflicht eines Arzneimittels, nämlich dessen potenzielle Gefahr für den Patienten, denkbar ungeeignet für die Abgrenzung einer sinnvollen Versorgung der gesetzlich Versicherten ist.

Auch wurde vor medizinisch-therapeutisch und wirtschaftlich unkalkulierbaren Substitutionseffekten für den Fall gewarnt, dass erprobte, mild wirksame und in der Regel preiswerte Arzneimittel nicht mehr für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung stehen. Der Gesetzgeber ist auf diese Warnungen insoweit eingegangen, als er den in § 34 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) aufgenommenen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten durch eine Reihe von Ausnahmen relativiert hat:

  • So gilt der Ausschluss nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und
  • versicherte Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr.
  • Außerdem können nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, vom Vertragsarzt auch weiterhin zur Anwendung bei diesen Erkrankungen verordnet werden, wenn er seine Therapieentscheidung im Einzelfall begründet. Bis zum 31. März 2004 entscheidet der Vertragsarzt über das Vorliegen einer solchen Ausnahme selbst. Danach besteht diese Möglichkeit nur noch bei denjenigen Arzneimitteln, die der Gemeinsame Bundesausschuss "unter Berücksichtigung der therapeutischen Vielfalt" festgelegt und in den Arzneimittelrichtlinien veröffentlicht hat.

Hersteller darf nur noch unverbindliche Preisempfehlungen aussprechen

Die bisherige Vorschrift des § 78 Abs. 2 Satz 2 Arzneimittelgesetz (AMG), wonach ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für apothekenpflichtige Arzneimittel zu gewährleisten ist, wird im GMG durch folgenden Zusatz eingeschränkt: "Satz 2 gilt nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden." Im Unterschied zu den ersten Entwürfen zum GMG bleibt es damit beim Grundsatz der Gleichpreisigkeit für apothekenpflichtige Arzneimittel, der nicht nur die verschreibungspflichtigen, sondern auch die zu Lasten der GKV abgegebenen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel einbezieht (siehe Ausnahmeregelungen).

Für alle OTC-Arzneimittel, die auf Privatrezept oder in der Selbstmedikation abgegeben werden, entfällt jedoch künftig die Preisbindung durch den Hersteller, wie sie bislang durch die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung garantiert wird. An § 1 Arzneimittelpreisverordnung, der den Anwendungsbereich der Spannenregelungen abgrenzt, wird folgender neuer Absatz 4 angehängt: "Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln."

Damit gilt für den Arzneimittelhersteller das allgemeine Verbot, seine Abnehmer zu verpflichten, von ihm festgelegte Preise beim Weiterverkauf der Ware einzuhalten (Preisbindung der zweiten Hand). Eine solche Bindung der Wiederverkaufspreise ist kartellrechtlich ausgeschlossen (§ 14 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB).

Zulässig sind jedoch "unverbindliche Preisempfehlungen" für Markenwaren (§ 23 GWB), wie sie aus dem Lebensmittel- und Konsumgüterbereich bekannt sind. Dies hat auch Auswirkungen auf Apotheken und Großhändler: für sie gibt es bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln künftig keine vorgeschriebenen Handelsspannen mehr.

GKV-Erstattungspreis: Die "alte Arzneimittelpreisverordnung" gilt weiter

Allerdings gilt für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die im Rahmen der oben dargestellten Ausnahmeregelungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, weiterhin der einheitliche Apothekenabgabepreis (§ 78 Abs. 2 Satz 2 AMG). In diesem Zusammenhang hat sich der Gesetzgeber entschieden, auf diese Arzneimittel nicht die geänderten Handelsspannen für Apotheken und Großhändler anzuwenden, wie sie weiter unten erläutert werden, sondern es bei der bisher geltenden Arzneimittelpreisverordnung zu belassen. Daher gilt insoweit auch über den 31. Dezember 2003 hinaus ein für die Versicherten maßgeblicher Arzneimittelabgabepreis in Höhe des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmens zuzüglich der Zuschläge nach den §§ 2 und 3 der Arzneimittelpreisverordnung in der am 31. Dezember 2003 gültigen Fassung (§ 129 Abs. 5 a SGB V). Der gesetzliche Krankenkassenrabatt nach § 130 Abs. 1 SGB V beträgt für diese Arzneimittel künftig fünf Prozent. Danach errechnet sich der GKV-Erstattungspreis für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ab 1. Januar 2004 aus dem geltenden Herstellerabgabepreis plus "alte" Großhandelsspanne plus "alte" Apothekenspanne minus fünf Prozent GKV-Abschlag.

Preiswettbewerb und ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung

Die Preisfreigabe bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln spiegelt ein verändertes Bild des Gesetzgebers von den Pflichten und Aufgaben wider, die der Apotheker zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung wahrzunehmen hat und steht damit in einer Reihe mit der Freigabe des Versandhandels und der Einschränkung des Mehrbesitzverbotes. Dennoch ist dies keineswegs mit der vollständigen Kommerzialisierung des Apothekerberufs gleichzusetzen, da für ihn wesentliche heilberuflich geprägte Pflichten unverändert fortgelten, die auch vom Bundesverfassungsgericht nicht bestritten werden:

  • Es bleibt Aufgabe des Apothekers, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen (§ 1 Abs. 1 Apothekengesetz).
  • Er hat einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch entgegenzuwirken und bei begründetem Verdacht die Abgabe zu verweigern (§ 17 Abs. 8 Apothekenbetriebsordnung).
  • Er darf apothekenpflichtige Arzneimittel nicht im Wege der Selbstbedienung abgeben (§ 52 Arzneimittelgesetz).
  • Als Mitglied eines Heilberufs hat er die in den Berufsordnungen festgelegten Berufspflichten zu beachten.

Diese Pflichten verlangen dem Apotheker beim Umgang mit den neu eröffneten Freiheiten eine besondere Verantwortung ab. Rabattaktionen und Sonderverkäufe sind kaum mit dem besonderen Charakter der Ware Arzneimittel zu vereinbaren.

In vielen Fällen wird der einzelne Apotheker organisatorisch überfordert sein, eigene OTC-Preise zu kalkulieren. Es spricht daher einiges für die verschiedentlich geäußerte Erwartung, dass die weiterhin vorgeschriebenen und in der Taxe aufgeführten Apothekeneinkaufs- und -verkaufspreise für die GKV-Erstattung in der Praxis erhebliche Orientierungswirkung auf Privatverordnungen und Selbstmedikation haben werden. Letztlich wird es jedoch vom Verhalten des einzelnen Apothekerleiters abhängen, wie das künftige Bild der Apotheke in der Öffentlichkeit geprägt sein wird.

Großhandelsspanne für verschreibungspflichtige Arzneimittel wird halbiert

Als der Bundesverband der Betriebskrankenkassen kürzlich in einer Pressemitteilung ein angebliches "Milliardengeschenk an die Apotheken" kritisierte, stieß dies zu Recht bei vielen Apothekern auf Unverständnis. In der Pressemitteilung heißt es:

"Künftig erhalten die Apotheken einen packungsbezogenen Festzuschlag von drei Prozent auf den Einkaufspreis zuzüglich 8,10 Euro. Wir begrüßen, dass damit der Anreiz zum Verkauf möglichst teurer Arzneimittel im Wesentlichen genommen ist. Entsprechend wurde der prozentuale Rabatt der Apotheken an die gesetzlichen Krankenversicherungen durch einen festen Rabatt von zwei Euro pro abgegebener Packung ersetzt. Diese grundsätzlich richtige Weichenstellung darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass von den Einsparungen auf den Handelsstufen die Apotheken eine Mrd. Euro bekommen, die Versicherten jedoch über die Krankenkassen lediglich 270 Mio. Euro. Einen sachlichen Grund für diese 'Zuwendung' an die Apotheken sehen wir nicht." (Bundesverband der Betriebskrankenkassen, Pressemitteilung vom 10. 10. 2003)

Ignoriert hat der Krankenkassenverband dabei die Wechselwirkungen zwischen Großhandels- und Apothekenspanne, die der Gesetzgeber im GMG –im Unterschied zum Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) – zu Gunsten der Apotheken berücksichtigt hat. Das GMG belässt es zwar für verschreibungspflichtige Arzneimittel bei der prozentual auf den Herstellerabgabepreis bezogenen, degressiv gestaffelten Höchstspanne für den pharmazeutischen Großhandel, senkt dessen Zuschläge aber drastisch (Tab. 1).

Nach Berechnungen des Instituts für Handelsforschung der Universität zu Köln und des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels auf Basis der taxpflichtigen Arzneimittelverkäufe des Jahres 2002 verringert sich der in der Arzneimittelpreisverordnung geregelte Großhandelsaufschlag dadurch von 2,29 Milliarden auf 1,17 Milliarden Euro. Nicht berücksichtigt sind dabei die zusätzlichen Veränderungen, die sich 2004 aus dem veränderten Anwendungsbereich der Arzneimittelpreisverordnung ergeben.

Wirtschaftliche Grundlage für Rabattwettbewerb fehlt damit

Der pharmazeutische Großhandel hat diese bereits im ersten Arbeitsentwurf des GMG enthaltene Halbierung seiner Spanne von Anfang an kritisiert und vor den negativen Folgen für die Leistungsfähigkeit und die Wettbewerbsstruktur des pharmazeutischen Großhandels gewarnt. Wer dem Großhandel die wirtschaftliche Grundlage für den Rabattwettbewerb entziehe, nehme ihm damit sein wichtigstes Wettbewerbsinstrument, ohne das die bisher erreichten Rationalisierungserfolge und Qualitätsstandards bei der flächendeckenden Arzneimittelversorgung nicht erreicht worden wären.

Der Gesetzgeber hat jedoch – auch nach Einbeziehung der Oppositionsfraktionen in den Gesetzgebungsprozess – an seinem Ziel festgehalten, den bislang für die individuelle Rabattgewährung an Apotheken verwendeten Teil der Großhandelshöchstspanne zu streichen und pauschal der Apothekenspanne zuzuschlagen. Er erfüllt damit eine zentrale Forderung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), die diese Umschichtung zwischen den Handelsspannen in einer Größenordnung von 1,1 Mrd. Euro bereits im April 2003 von der Bundesregierung forderte.

"Bisherige Einkaufsvorteile der Apotheken sind in dem ABDA-Modell in die direkte Apothekervergütung eingebettet; entsprechende Absenkungen bei der Großhandelsvergütung sind insofern die logische Konsequenz." (ABDA-Modell zur zukünftigen Vergütung der Apotheken, Pharmazeutische Zeitung 18/2003, S. 10)

Dass der Gesetzgeber diesem Vorschlag bis ins Detail folgte, liegt offenbar auch an den vorangegangenen Auseinandersetzungen um die Auswirkungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes. Damals wollten viele Abgeordnete erst nachträglich davon erfahren haben, dass die durch den Großhandelsabschlag angestrebte "Abschöpfung der Apothekenrabatte" tatsächlich in erster Linie zu Lasten der bisherigen Empfänger dieser Rabatte geht. In den Konsensgesprächen verständigte man sich daher darauf, dass bei der Neuregelung der Großhandelsspanne übermäßige Belastungen der Apotheken vermieden werden sollen.

"Der Großhandelsabschlag wird so geregelt, dass übermäßige Belastungen der Apotheken vermieden werden." (Ziffer 4.6 der Eckpunkte der Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform, 22. Juli 2003)

Apotheken werden Ertrag weitgehend aus eigener Spanne finanzieren müssen

Die Überführung der bisher für Rabatte verwendeten Hälfte der gesetzlichen Großhandelsspanne in die Apothekenspanne erhöht die Transparenz der staatlichen Preisspannenvorschriften, da die tatsächlichen Anteile an den Distributionskosten durch die gesetzlichen Aufschlagssätze künftig genauer als bisher widergespiegelt werden. Der Apothekeneinkaufspreis der verschreibungspflichtigen Arzneimittel sinkt, während sich die durchschnittliche Apothekenspanne aufgrund der neuen Honorierung erhöht. Dennoch handelt es sich bei dieser Spannenverschiebung weder für die einzelne Apotheke noch für den einzelnen Großhändler um ein Nullsummenspiel, da die statistische Durchschnittsbetrachtung des Gesetzgebers die wettbewerbsfördernde und effizienzsteigernde Hebelwirkung der bisherigen Rabatte unterschlägt und die Umverteilungswirkungen unter den Marktpartnern ausblendet.

Es gehört wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, welch hohes Maß an Anpassungsbereitschaft diese grundlegenden Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen von allen Beteiligten verlangen werden. Aufgrund der Halbierung der Großhandelshöchstspanne für verschreibungspflichtige Arzneimittel, der Aufhebung der Preisbindung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und des Wegfalls des Großhandelsabschlags nach Art. 11 BSSichG entfällt die rechtliche und wirtschaftliche Grundlage für die bisher zwischen Großhandel und Apotheken im Bereich der apothekenpflichtigen Arzneimittel geltenden Konditionen.

Der Großhandel wird neue Wettbewerbsinstrumente erproben müssen, um auch in Zukunft Rationalisierungseffekte auslösen und den Arzneimittelvertrieb kostengünstig und rationell gestalten zu können. Die Apotheken werden sich darauf einstellen müssen, künftig den weitaus überwiegenden Teil ihres Ertrages aus der eigenen Spanne zu erwirtschaften.

Umstellung der Apothekenhonorierung auf das Kombimodell

Für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel erhalten die öffentlichen Apotheken künftig einen prozentualen Aufschlag von 3 Prozent zuzüglich einem festen, vom Preis des Arzneimittels unabhängigen, Honorar von 8,10 Euro auf den Apothekeneinkaufspreis (§ 3 Abs. 1 AMPreisV). Dies ersetzt den bisherigen prozentualen, vom Apothekeneinkaufspreis abhängigen, degressiv gestaffelten Festzuschlag. Der Krankenkassenrabatt für diese Arzneimittel beträgt einheitlich 2 Euro.

Mit dieser Umstellung der Apothekenhonorierung auf das Kombimodell geht eine jahrzehntelange standesinterne Auseinandersetzung innerhalb der deutschen Apothekerschaft über das "richtige" Honorierungssystem zu Ende. Die Befürworter einer prozentualen Spanne hatten stets die kaufmännische Grundlage des Apothekenbetriebs betont und davor gewarnt, den Apothekenertrag von der Preisentwicklung bei Arzneimitteln abzukoppeln. Dagegen stellten die Befürworter eines Fixzuschlags die unabhängige Heilberufsfunktion des Apothekers in den Vordergrund und sahen gerade in der Abkopplung vom Produktpreis die Voraussetzung dafür, neue Aufgaben in der Arzneimittelversorgung zu übernehmen, wie zum Beispiel bei der Generikasubstitution, beim Einsatz von Importen und in der ökonomischen Beratung der Ärzte. Durch die Loslösung von den Herstellerpreisen sei man zudem vor künftigen Kostendämpfungsmaßnahmen im Arzneimittelbereich gefeit.

Preisgünstige Arzneimittel werden verteuert, teure Arzneimittel verbilligt

Wie von der ABDA gefordert, kombiniert die durch das GMG eingeführte Honorierung einen preisunabhängigen Bestandteil mit einer preisabhängigen Komponente, um die preisbezogenen Kosten angemessen zu berücksichtigen. Durch den preisunabhängigen Honorarbestandteil werden preisgünstige Arzneimittel – trotz des durch die Halbierung der Großhandelsspanne abgesenkten Apothekeneinkaufspreises – verteuert; teure Arzneimittel werden über den Effekt der abgesenkten Großhandelsspanne hinaus weiter verbilligt (Tab. 2). Im Saldo erhöht sich dadurch nach den vorliegenden Berechnungen die durchschnittliche Apothekenmarge gegenüber der bisher geltenden Festspanne erheblich. Zusätzlich werden die Apotheken gegenüber 2003 durch die Streichung des Großhandelsabschlags an die GKV entlastet, der nach Erhebungen der ABDA zu ca. 80 Prozent von den Apotheken getragen wird.

Umverteilung der Rabatte

Diesem durchschnittlichen Margenzuwachs der Apotheken im verschreibungspflichtigen Bereich stehen jedoch die zu erwartenden Auswirkungen des Wegfalls der Preisbindung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und der Halbierung der vorgeschriebenen Großhandelshöchstspanne gegenüber. Für die einzelne Apotheke hängen die Auswirkungen der Änderungen von zahlreichen, zum Teil gegenläufigen Faktoren ab. Betrachtet man nur die Auswirkungen der Spannenveränderungen auf Apotheken- und Großhandelsebene, so werden zu den Verlierern der Reform diejenigen Apotheken zählen, die bislang ihren Arzneimittelbezug im Hinblick auf gute Großhandelskonditionen und verschreibungspflichtige innovative Arzneimittel optimieren konnten, während Apotheken mit geringen Einkaufsvorteilen und niedrigpreisiger Sortimentstruktur besser dastehen werden als heute. Aufgrund dieser Nivellierungswirkung der Umschichtung von der Großhandels- zur Apothekenspanne ist bereits von einer "Sozialisierung der Rabatte" die Rede.

Entscheidend: Künftige Anpassung des Fixzuschlags

Aufgrund der weitgehenden Abkopplung der Apothekerhonorierung von der Preisentwicklung auf Ebene der Herstellerabgabepreise, kommt der künftigen Anpassung des Fixzuschlags eine entscheidende Bedeutung zu. Das GMG ermächtigt durch eine neue, an § 78 Abs. 1 AMG angehängte Regelung das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung den Festzuschlag der Apotheken durch Rechtsverordnung "entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung" anzupassen. Im Unterschied zu den übrigen Spannenvorschriften bedarf die Anpassung des Fixzuschlags allerdings nicht der Zustimmung des Bundesrates, sondern obliegt allein der Entscheidung der Bundesregierung. Nach der amtlichen Begründung soll eine Überprüfung in der Regel im Abstand von zwei Jahren erfolgen, um häufige Anpassungen im geringen Cent-Bereich zu vermeiden.

Ihre erste gesundheitspolitische Bewährungsprobe wird die neue Apothekenhonorierung zu Beginn des neuen Jahres zu bestehen haben. Insbesondere bei niedrigpreisigen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wird das Kombimodell zusammen mit den erhöhten Zuzahlungen für die GKV-Versicherten zu einer spürbaren Zusatzbelastung führen, da es allein aufgrund des Festzuschlags von 8,10 Euro künftig keine zuzahlungsfreien Arzneimittel mehr geben wird.

Auch von Seiten der Hersteller niedrigpreisiger Arzneimittel, insbesondere den Generikaherstellern, gibt es nach wie vor erhebliche Vorbehalte gegen die aus ihrer Sicht ungerechtfertigte "extreme Drehung" der Arzneimittelpreisverordnung. Die Verteuerung der preiswerten Arzneimittelversorgung schwäche den Wettbewerb und erschwere die Ausschöpfung der Einsparpotenziale, die Verbilligung der teuren Produkte beflügele deren Nachfrage. Die gesetzlichen Krankenkassen begrüßen zwar, dass durch die neue Honorierung "der Anreiz zum Verkauf möglichst teurer Arzneimittel im Wesentlichen genommen ist", kritisieren aber die damit angeblich verbundene "Zuwendung" von 1 Milliarde Euro an die Apotheken, für die es keinen sachlichen Grund gebe. Angesichts dieser mit harten Bandagen betriebenen Auseinandersetzungen ist es umso wichtiger, sich den vom Gesetzgeber hergestellten Zusammenhang zwischen der Kürzung der Großhandelsspanne und der Erhöhung der Apothekenspanne zum 1. Januar 2004 klar vor Augen zu führen.

Die Änderung der Preis- und Handelsspannenvorschriften für Arzneimittel – einer der zentralen Regelungsbereiche des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) – war bis zuletzt heftig umstritten. Und auch jetzt, nachdem das GMG verabschiedet ist, bestehen noch zahlreiche Unklarheiten bezüglich Inhalt und Konsequenzen einzelner Regelungen. In dieser Ausgabe wollen wir versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel des künftigen Preissystems zu bringen.

Neue Preis- und Spannenvorschriften – auf einen Blick

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden ab dem 1. Januar 2004 dereguliert. Sie sind ab diesem Zeitpunkt nicht mehr durch die GKV erstattungsfähig, es sei denn, der Arzt verordnet sie für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, versicherte Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr oder zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen, bei denen diese Arzneimittel als Therapiestandard gelten.

Bezüglich der Preis- und Spannenvorschriften muss ab 1. Januar 2004 unterschieden werden zwischen

  • nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die aufgrund einer der genannten Ausnahmeregelungen zu Lasten der GKV verordnet werden,
  • nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die im Rahmen der Selbstmedikation oder auf Privatrezept abgegeben werden und
  • verschreibungspflichtige Arzneimitteln.

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu Lasten der GKV Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die zu Lasten der GKV verordnet werden, unterliegen der bisher geltenden Arzneimittelpreisverordnung in der am 31. Dezember 2003 gültigen Fassung (§ 129 Abs. 5a SGB V). Der gesetzliche Krankenkassenrabatt nach § 130 Abs. 1 SGB V beträgt für diese Arzneimittel künftig fünf Prozent. Der GKV-Erstattungspreis für verschreibungspflichtige und zu Lasten der GKV verordnete nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ergibt sich ab 1. Januar 2004 aus dem geltenden Herstellerabgabepreis plus "alte" Großhandelsspanne plus "alte" Apothekenspanne minus fünf Prozent GKV-Abschlag.

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Selbstmedikation oder auf Privatrezept Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die in der Selbstmedikation bzw. auf Privatrezept verordnet werden, unterliegen nicht mehr der Arzneimittelpreisverordnung. Für sie besteht weder eine Preisbindung noch wird die Handelsspanne bei Apotheke und Großhandel vorgeschrieben - hier ist eine freie Kalkulation möglich.

Verschreibungspflichtige Arzneimittel Für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt weiterhin das Gebot der Gleichpreisigkeit – also ein einheitlicher Apothekenabgabepreis. Der Anteil, der bei der Apotheke verbleibt, besteht jedoch nicht mehr aus dem prozentualen, vom Apothekeneinkaufspreis abhängigen, degressiv gestaffelten Festzuschlag, sondern setzt sich aus einem prozentualen Aufschlag von 3 Prozent zuzüglich einem festen, vom Preis des Arzneimittels unabhängigen Honorar von 8,10 Euro auf den Apothekeneinkaufspreis (§ 3 Abs. 1 AMPreisV) zusammen. Der Krankenkassenrabatt für diese Arzneimittel beträgt einheitlich 2 Euro.

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