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Geschichte: Naturheilmittel in Apotheke und Industrie

In der Kaiserstadt Aachen fand am 11. Oktober ein Treffen der Regionalgruppen Nordrhein, Rheinland-Pfalz und Saarland der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie statt.

Couven-Museum

Zur Einstimmung stand der Besuch des Couven-Museums am Hühnermarkt, in nächster Nähe zu Rathaus und Dom, auf dem Programm. Der Adler-Apotheker Andreas Monheim ließ um 1785 das jetzige Museum als Apotheken- und Wohngebäude durch den Architekten Couven aus Blau- und Ziegelstein, dem typischen Baumaterial der Region, errichten.

Im Museum sind ein Eifeler Apothekenschrank, eine Auswahl an Standgefäßen verschiedener Epochen und ein Offizintisch ausgestellt. Das Besondere der Monheimschen Apotheke ist sicherlich, dass sie seit 1857 täglich bis zu 400 Tafeln Schokolade herstellte. Sie gilt als Wiege für Lindt-Sprüngli in Aachen.

Im Anschluss an den Besuch des Museums wurde zunächst Constanze Schäfer, Mülheim, als neue stellvertretende Vorsitzende der Regionalgruppe Nordrhein gewählt. Prof. Müller-Jahncke dankte der bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Gisela Wurm aus Essen, die sich viele Jahre lang mit besonderem Engagement in Nordrhein für die Belange der Pharmaziegeschichte eingesetzt hat und nun nach Hannover umgezogen ist.

Qualitätssicherung von Arzneidrogen

Dr. Timm Engelsing aus Herzogenrath sprach über Maßnahmen zur Qualitätssicherung von Arzneidrogen im 18. und 19. Jahrhundert. Damals sammelte der Apotheker oder sein Personal die Arzneidrogen teilweise selbst und baute einige Arzneipflanzen selbst an.

Die restlichen Drogen bezog er von Kräuterleuten und Materialisten, die sich auf den großen Messen in Leipzig und Frankfurt im Frühjahr und Herbst mit allerlei Arzneidrogen eindeckten und diese an Apotheker verkauften. Die Materialisten waren gelegentlich auch Konkurrenten der Apotheker, weil ihnen erlaubt war, ihre Ware auf bestimmten Märkten dem Endverbraucher zu verkaufen.

Alle Apotheken hatten damals einen Trockenboden und eine Stoßkammer, in der die getrockneten Arzneidrogen geschnitten und gepulvert wurden. Das Zerkleinern der Drogen war der Apotheke vorbehalten, sie durfte keine Schnitt- und Pulverdrogen erwerben, weil deren sichere Identifizierung nicht möglich war.

Ende des 18. Jahrhunderts finden sich zahlreiche Quellen, in denen über die schlechte Arzneidrogenqualität geklagt wurde. Die Ursachen waren teils mangelnde Kenntnisse der Sammler, Materialisten und Apotheker, teils auch absichtliche Verfälschungen aus Gewinnsucht.

Gewürznelken aus schwarzen Brotkrumen, beträufelt mit Nelkenessenzen, mit Mehl gestreckte Pulver von teuren Arzneidrogen, mit Schwefel oder Pollen von anderen Pflanzen verunreinigtes oder gestrecktes Lycopodium waren keine Seltenheit und mit dem bloßen Auge oder der Lupe nicht zu erkennen.

Die nasschemische Analytik steckte noch in den Kinderschuhen. Lediglich bei den Nelken wäre das Aufquellen in Wasser aufgefallen, war doch bekannt, dass man den Gehalt an ätherischen Ölen daran erkennen kann, ob die Nelken auf oder im Wasser schwimmen oder sogar auf den Boden sinken. Dieser Nachweis wurde schon von Dioskurides beschrieben.

Die Situation ließ sich allerdings nicht durch strengere Medizinalordnungen oder aufwendigere Visitationen der Apotheken lösen. Viel wichtiger als die staatliche Reglementierung war eine verbesserte Ausbildung der Apotheker, wie sie zum Beispiel Johann Bartholomäus Trommsdorff forderte. Gleichzeitig bot die Weiterentwicklung des Mikroskops verbesserte Möglichkeiten der Qualitätssicherung.

1811 wurde erstmals der Begriff der Pharmakognosie geprägt, der fortan für die anatomisch-morphologische Untersuchung der Arzneipflanzen stand. Matthias Schleiden (1803 – 1881) und Otto Berg waren zwischen 1847 und 1880 die ersten deutschsprachigen Wissenschaftler, die ausführliche Zeichnungen und Beschreibungen der charakteristischen morphologischen Merkmale in Lehrbüchern zusammenfassten.

Die Benutzung des Mikroskops, anfänglich in den Apotheken sehr zögerlich und nur für die Fleischbeschau eingesetzt, wurde Standard und ist mit dem DAB 4 (1910) auch in den rechtlichen Bestimmungen verankert worden. Damit fielen auch die Bedenken gegen die Belieferung der Apotheken mit geschnittenen und gepulverten Arzneidrogen, was Gehe in Dresden und Jobst in Stuttgart als Erste praktizierten.

Industriell gefertigte Naturheilmittel

Dr. Ulrich Meyer trug zum Thema Naturheilmittel in der Pharmazeutischen Industrie vor. Willmar Schwabe gründete 1865 eine Zentralapotheke für Homöopathie, der er später eine Poliklinik und einen Fachverlag angliederte. Seine Arbeitsvorschriften zur Herstellung homöopathischer Produkte fanden Berücksichtigung im HAB und entsprechenden Vorschriften anderer Länder.

Bis 1919 hatte die Firma Schwabe das Monopol für die industrielle Herstellung homöopathischer Arzneimittel. Zu dieser Zeit begannen die Gebrüder Madaus aus Dresden die Rezepturen ihrer Mutter, Magdalene Madaus, zu vermarkten.

Allerdings produzierte Schwabe vorwiegende Einzelmittel, die bis heute als DHU-Präparate bekannt sind, während Madaus vor allem komplexhomöopathische Produkte vermarktete.

Weitere wichtige Hersteller im ausklingenden 19. und frühen 20. Jahrhundert waren die Firmen Kneipp, Schaper und Brümmer und Pfarrer Heumann, die sich vor allem im Bereich der Phytopharmakaherstellung engagierten. Bis Ende der 1930er-Jahre gesellten sich noch Weleda und Wala hinzu.

Mit Beginn des NS-Regimes wurde 1933 der Verband der Pharmazeutischen Industrie gegründet, in dem alle pharmazeutischen Hersteller Mitglied waren, was sich in der Sprachregelung widerspiegelte, dass weder die Allopathie noch die Phytopharmazie noch die Homöopathie das allein Seligmachende sei.

Doch versuchte das NS-Regime, die Naturheilmittel gegenüber den chemisch definierten Arzneimitteln zu stärken und das Rezeptieren in der Apotheke zu fördern. Schulklassen mussten Arzneidrogen sammeln, und die Apotheker wurden zur Abnahme dieser Ware angehalten.

Die pharmazeutischen Hersteller reagierten unterschiedlich auf die Bestrebungen des NS-Regimes. IG-Farben und Merck ließen sich gar nicht beeindrucken. Knoll brachte die Perpurate, herzglykosidhaltige Pflanzenextrakte, auf den Markt.

Schering vermarktete unter dem Label "Bio-Schering" mit eigenem Logo, nämlich einer Blume im Scheringschen Sechseck, drei naturheilkundliche Präparate:

  • ein Baldrianpräparat, für das Schering erhebliche Forschungen zum Nachweis der Wirksamkeit trieb, auch die damals neuartigen Blindstudien.

  • Fortamin® zur Stärkung ermüdeter oder rekonvaleszenter Patienten; die Produktion wurde schon 1940 beendet, nachdem man festgestellt hatte, dass etwa die Hälfte der Einnahmen für Werbemaßnahmen verbraucht wurde.

  • Pelose®, einen Heilschlamm, der aus dem Schollener See bei Rathenow gewonnen wird und als Veterinärarzneimittel "Märkischer Schlamm" heißt. Schering erwarb Anfang der 1930er-Jahre die Lizenz zum Abbau. Das Produkt wurde in Badeanstalten, Heilbädern und Kureinrichtungen eingesetzt.

    Ende der Dreißigerjahre verkaufte Schering das Produkt an den ehemaligen Schering-Manager Walter Hund. Bis Ende des Krieges diente es vor allem zur Versorgung verwundeter Soldaten. Mitte der 1950er-Jahre wurde der Betrieb verstaatlicht. Heute wird Pelose® von einer Berliner Firma vermarktet.

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