Feuilleton

Ausstellung: Medicine Man

Wellcome war einmal ein großer Name auf dem internationalen Arzneimittelmarkt, der Ende 2000 bei einer Fusion unterging. Was geblieben ist, ist der von dem Firmengründer gestiftete Wellcome Trust zur Förderung der medizinischen Forschung. Diese Stiftung ist nicht zuletzt bekannt durch eine einzigartige medizinhistorische Fachbibliothek in London. Das dazugehörige Museum führte viele Jahrzehnte einen Dornröschenschlaf, bis das British Museum es zum 150. Geburtstag von Henry Wellcome zu neuem Leben erweckte: Die Ausstellung "Medicine Man Ų the forgotten museum of Henry Wellcome" ist dort noch bis zum 16. November zu sehen.

Vom Apotheker zum Großunternehmer

Henry Solomon Wellcome wurde 1853 als Sohn eines Farmers im amerikanischen Mittelwesten geboren. Seine berufliche Laufbahn begann er im Drug Store eines Onkels, der zugleich Arzt war.

Anschließend erhielt er eine pharmazeutische Ausbildung in Chicago und Philadelphia, erlangte mit einer Feldforschung über Chinarinde erste wissenschaftliche Reputation und gründete 1880 mit seinem amerikanischen Kollegen Silas Mainville Burroughs (1846 – 1895) eine pharmazeutische Firma in London, deren Alleininhaber er nach dem Tod seines Kompagnons wurde.

Der Aufschwung der Firma vollzog sich parallel mit dem Siegeszug der Tablette, die seit den 1880er-Jahren das bis dahin übliche Arzneipulver zu ersetzen begann; 1884 ließ die Firma das Warenzeichen 'Tabloid' gesetzlich schützen und vertrieb unter diesem Namen auch Reiseapotheken und Erste-Hilfe-Arzneikästen.

Ein weiterer Höhepunkt der Firmengeschichte war die Isolierung von Digoxin aus Digitalis lanata (1930) und seine anschließende Vermarktung als Lanoxin. Als Wellcome 1936 starb, hinterließ er nicht nur ein blühendes Unternehmen, sondern auch eine wohltätige Stiftung und eine medizinhistorisch-archäologisch-ethnologische Sammlung von mehr als einer Million Objekten.

Kultur durch Pharmazie

Wellcome reiste viel, anfangs aus beruflichen Gründen, später mehr wegen seines Interesses an der universalen Menschheitsgeschichte, die er wiederum als Teil der Evolution im darwinistischen Sinne verstand. Dabei widmete er sich insbesondere der Archäologie und ließ im Sudan, wo er den Ursprung der menschlichen Kultur vermutete, sogar Ausgrabungen auf eigene Kosten durchführen.

Aber Wellcome blickte nicht nur in die Vergangenheit; er war überzeugt, dass er als pharmazeutischer Unternehmer und als Philanthrop – er finanzierte mehrere karitative Gesundheitsprojekte – selbst einen Beitrag zur Fortsetzung der Evolution, das heißt zum Fortschritt der menschlichen Kultur leistete.

Der Motor der Evolution war in seinen Augen der Kampf des Menschen gegen Krankheit und Tod. So brachte der Historiker Ulrich Raulff Wellcomes Weltbild auf die etwas verblüffende Formel: "Geburt der Geschichte aus dem Geist der Apotheke" (Süddeutsche Zeitung vom 30. Juli 2003).

Ein Sammelsurium

Wo Wellcome auch war, er sammelte alle möglichen Gegenstände, die in sein Weltbild passten, aber nicht unbedingt zueinander passten – es entstand auf diese Weise ein wahres Sammelsurium, das selbst der Sammler bald nicht mehr überblickte.

Einen Teil der Sammlung hat Wellcome immerhin geordnet: 1913/14 eröffnete er ein Medizinhistorisches Museum, das unter anderem auch rekonstruierte Apotheken verschiedener Zeiten und Kulturen zeigte. Doch die Ausstellung ging wieder vorbei, und die Sammlung, die nie vollständig katalogisiert worden war, wurde teils an andere Museen ausgeliehen, teils verpackt, teils ging sie verloren.

Einen kleinen Teil der Sammlung hat das British Museum nun zu Wellcomes 150. Geburtstag bearbeitet und ausgestellt. Dabei wurde aus dem Sammelsurium doch noch ansatzweise ein System.

Thematische Schwerpunkte der Ausstellung sind:

  • Beginn des Lebens mit Empfängis(-verhütung), Geburt, Säuglingspflege,
  • Ende des Lebens,
  • Vorstellungen vom Aufbau und den Funktionen des Körpers,
  • "Angriff" auf den Körper: Verletzungen, Krankheiten,
  • Diagnostik, Therapie, Heilpraxis,
  • Selbstbehandlung und Selbstmedikation.

Trotz dieser groben Gliederung – das oft willkürliche erscheinende Nebeneinander von Gegenständen aus aller Welt und der hohe Anteil an Exotischem und Kuriosem lässt den Geist des Henry S. Wellcome auch in diesem kleinen Extrakt seiner Sammlung spürbar werden.

Der Name des britischen Arzneimittelherstellers Wellcome ging bei einer Fusion unter, doch der Name des Firmengründers Henry S. Wellcome lebt in seinen Stiftungen weiter. Dazu gehört auch eine einzigartige, jetzt in London ausgestellte medizinhistorische Sammlung, die Wellcomes Weltanschauung von der "Geburt der Geschichte aus dem Geist der Apotheke" widerspiegelt.

The British Museum, Great Russell Street, London WC1B 3DG www.thebritishmuseum.ac.uk/medicineman Geöffnet: Täglich 10 bis 17.30 Uhr, Donnerstag und Freitag bis 20.30 Uhr Katalog (Ken Arnold, Danielle Olsen eds.): 416 S., 500 farbige, 50 s/w Abb., Paperback, 19,99 £ ISBN 0-7141-2794-9

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