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Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller: Ausgegrenzte OTC – viele Ausnah

BERLIN (im). Wenn die Politik durch die neue Reform schon die nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus der Erstattung durch gesetzliche Kassen ausgrenzt, sollte sie zumindest einen großen Ausnahmekatalog schaffen für die Wirkstoffe, deren Verschreibung bei bestimmten Indikationen doch als notwendig angesehen wird. Dafür plädierte Dr. Jochen Hückmann vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) auf der Jahresversammlung seines Verbands am 24. September in Berlin. Teile der pharmazeutischen Industrie hoffen jetzt auf Entschärfung durch den Bundesrat, der voraussichtlich am 17. Oktober in Berlin über das Reformgesetz befinden wird.

Dicke des Ausnahmenkatalogs

Wie berichtet, werden wegen der neuen Reform die Krankenkassen von 2004 an nicht länger für nicht-verschreibungspflichtige Medikamente zahlen. Das "Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung" (GMG) sieht allerdings einen Ausnahmekatalog für diejenigen Fälle vor, in denen die Verordnung bestimmter Arzneimittel doch auf Kassenrezept möglich sein soll.

Bei Ausgrenzung sämtlicher nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel halten Experten therapeutische Lücken beispielsweise bei topischen Antimykotika, Antihistaminika zur Behandlung von Allergien, Analgetika gegen leichte und mittlere Schmerzen oder Präparaten bei bestimmten Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Psoriasis für unausweichlich.

Politik zu Ausnahmen

Während einer BAH-Diskussionsveranstaltung mit Bundestagsabgeordneten erläuterten Dr. Marlies Volkmer (SPD) und Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) die Entstehung dieser Regelung im Reformgesetz. Volkmer selbst ist Ärztin (Dermatologin), die Sächsin, seit Herbst 2002 im Bundestag, ist Mitglied im Gesundheitsausschuss.

Nach Worten der Sozialdemokratin hatte die rotgrüne Regierung in den Konsensgesprächen mit Union/FDP, später nur noch mit der CDU/CSU-Fraktion, zunächst an eine Liste mit wesentlichen Erkrankungen gedacht, bei denen die eingesetzten Wirkstoffe weiterhin von den Kassen bezahlt werden sollen, genannt wurde das Beispiel Acetylsalicylsäure als Thrombozytenaggregationshemmer.

Annette Widmann-Mauz, gesundheitspolitische Sprecherin der Union, bestätigte dies, dann seien jedoch immer mehr Forderungen zur Aufnahme in diese Ausnahmeliste an die Politik herangetragen worden, so dass zuletzt auf die Nennung der Indikationen im Gesetz verzichtet worden sei.

In diesem Zusammenhang verwies Henning Fahrenkamp vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie darauf, dass in den zuerst vorgelegten Eckpunkten zur Reform zehn bis zwölf Indikationen aufgeführt waren, in der jetzigen Gesetzesfassung jedoch nur Arzneimittel, sofern sie die Standardtherapie darstellten. Diese Forderung sei speziell bei Phytopharmaka – obwohl wirksam – nicht erfüllbar.

Nach eigener Aussage hatte Volkmer, die als Ärztin den Ausschluss apothekenpflichtiger Präparate aus der Erstattung für "nicht sachgerecht" hielt, einen Änderungsantrag dagegen eingebracht, der jedoch in der SPD-Fraktion keine Mehrheit gefunden habe. Widmann-Mauz riet dazu, unter Beteiligung von Patientenvertretern die Erstattung durch die Kassen bei bestimmten Arzneimitteln zu verlangen.

Werben oder nicht?

Dr. Marianne Petersen-Braun vom Unternehmen Bayer Vital nannte es unverständlich, dass OTC zwar ausgegrenzt werden, die Werbung dafür (bei bestimmten Krankheiten) jedoch nach wie vor verboten sei. Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder vom Bundesgesundheitsministerium bot in diesem Zusammenhang den Firmen an, über das Werbeverbot zu diskutieren. Mit Nachdruck hob er hervor, dies sei noch keine Festlegung, in welche Richtung das Ministerium gehen wolle. Auch Dr. Dieter Thomae, FDP, plädierte für Änderungen im Heilmittelwerbegesetz.

Diskussion um Preise

Breiten Raum nahmen in der Diskussion, bei der Birgit Bender von den Grünen abgesagt hatte, die Arzneimittelpreise ein. Nach Worten von Annette Widmann-Mauz (Union) waren Preisverhandlungen zwischen Industrie und Kassen im Gespräch, dann habe sich die Politik doch zur Regulierung über Festbeträge entschlossen. Wie berichtet, werden jetzt Festbeträge für patentgeschützte Arzneimittel erlaubt und die Festbeträge für wirkstoffgleiche Medikamente in das untere Preisdrittel abgesenkt.

Mehrere Teilnehmer aus der Industrie kritisierten die Verteuerung preiswerter Arzneimittel durch das neue Kombimodell der Honorierung der Apotheker. Einen Kostenschub sah man dadurch sowie durch den zu erwartenden Umstieg von Ärzten von OTC auf rezeptpflichtige und damit teueren Medikamenten.

Industrie: wir werden abgestraft

Der stellvertretende BAH-Vorsitzende Hückmann kritisierte die tiefen Einschnitte durch das GMG im Arzneibereich scharf. Neben der Ausgrenzung von OTC träfe die Unternehmen vor allem der auf 16 Prozent erhöhte Herstellerrabatt. Es drohe der Abbau von 10 000 Arbeitsplätzen.

Die rotgrüne Politik sei insofern unverständlich, weil so nur die Einfuhr billiger Generika aus dem Ausland gefördert werde. Die Industrie wolle in Deutschland mit Qualität dagegen halten. Gleichwohl müsse der 16-prozentige Rabatt gestrichen werden, forderte Hückmann, dann könnten die Unternehmen mehr Leistung bringen.

Sinn und Unsinn von Aut-idem und Preisen

Der BAH hat die Gesundheitspolitiker im Übrigen auf die Unstimmigkeit hingewiesen, dass auch für Aut-idem-Arzneimittel der 16-prozentige Herstellerrabatt anfalle. Schließlich seien diese Präparate bereits durch Preislinien reguliert, die Unternehmen hätten mehrheitlich bereits ihre Preise abgesenkt.

Bisher müssen die Firmen hier keinen Rabatt (derzeit sechs Prozent) an die Kassen geben. Es wäre systemwidrig, so die Kritik dieses Verbands, wenn der Zwangsrabatt erhoben werde, nur weil die Preisregulierung formal nicht durch Festbeträge erfolge (auf die die Hersteller keinen Einfluss hätten), sondern durch die Aut-idem-Regelung erfolge.

Laut Gesetz werden zwar die Bestimmungen der oberen Preislinien des unteren Preisdrittels gestrichen, sie treten aber erst außer Kraft, wenn neue Festbeträge im unteren Preisdrittel in Kraft treten.

Dies werde vor allem die wichtige Gruppe der Statine (etwa Simvastatin) treffen. Hier liegt dem zuständigen Bundesausschuss seit Juli ein Entwurf zur Austauschbarkeit vor, so dass nach einem entsprechenden Beschluss des Gremiums es in 2004 so lange Preisoberlinien für Statine geben soll, bis Festbeträge existieren, was bekanntlich dauert. Das Verfahren für die Erstattungshöchstgrenzen liegt zwischen neun und zwölf Monaten.

Ich halte die Ausgrenzung rezeptfreier Arzneimittel nicht für sachgerecht.

Dr. Marlies Volkmer (SPD), selbst Dermatologin

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