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Kundenbindung ist jetzt wichtiger denn je

KÖLN (ral). 312 gefühlte Sekunden der Wahrheit erlebt jeder Besucher im Schnitt in der Apotheke. Das Gros empfindet diese Zeit als optimal. Für 16 Prozent der Kunden dürfte es sogar noch länger dauern und nur einem Prozent ist diese Zeit zu lang. Dies ist eines der Ergebnisse einer Befragung von 86 000 Apothekenkunden und 3600 Apotheken, die Prof. Dr. Gerhard F. Riegl auf einer Pressekonferenz im Rahmen des Deutschen Apothekertags vorstellte.

"In keiner Einrichtung des Gesundheitssystems ist heute der Patient bei häufigem oder täglichem Besuch so willkommen wie in der Apotheke, das wird von ihm wahrgenommen und honoriert", meinte der Studieninitiator, der die Ergebnisse seiner Umfrage auch in Form eines Buchs mit dem Titel "Erfolgsfaktoren in der Apotheke" zusammengefasst hat.

Er sieht darin das große Potenzial der Apotheke auch in schwierigen Zeiten. 83 Prozent der Kunden würden mindestens monatlich und 32 Prozent sogar wöchentlich oder täglich ihre Apotheke als sicheren Hafen auf dem Weg zum Arzneimittel ansteuern – mit steigender Tendenz.

56 Prozent der Kunden – vor allem die älteren – würden die Apotheke als ein unverzichtbares zwischenmenschliches Kommunikations- und Sozialereignis betrachten und für 87 Prozent der Patienten sei im Internetzeitalter der meistgenannte Vorteil ihrer Apotheke die Droge Mensch in Person des ihnen bekannten, freundlichen Apothekenpersonals. "Diese menschliche Karte gilt es künftig verstärkt auszuspielen", sagte Riegl.

Er prognostizierte, dass im Zuge der Eintrittsgebühr beim Arzt und dem Wegfall der Erstattung von nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln die Apotheke als erste Anlaufstelle für den Arzneimittelbezug an Bedeutung gewinnen wird. Damit sei eine optimale Ausgangsposition für eine umfangreiche und langfristige Bindung dieser ohnehin positiv eingestellten Kunden geschaffen.

Zusatzberatung ist noch Mangelware

Um die Bindung auch am Umsatz spüren zu können, muss Riegl zufolge allerdings erst ein Umdenken in den Köpfen der Apotheker stattfinden. So hatten in seiner Umfrage 67 Prozent der Kunden berichtet, bislang keine Zusatzberatung mit Empfehlungen über ihr Hauptanliegen hinaus erhalten zu haben.

Nur ein Prozent hätte sich jedoch an solch einer Mehrberatung gestört, 16 Prozent wären darüber erfreut gewesen. "Erstaunlicherweise war der Anteil der Nichtberatenen bei den Privatpatienten sogar noch höher als bei den GKV-Kunden", wunderte sich Riegl.

Woran das liegt, könne er nicht definitiv sagen. "Ich kann nur spekulieren, dass man bei Privatpatienten, die das Arzneimittel direkt in der Apotheke bezahlen, noch größere Scheu hat, zusätzlich Geld zu verlangen als bei den Kassenpatienten."

Diese Denkweise sei jedoch natürlich völlig unsinnig und in Zeiten, in denen der Umsatz mit OTC-Produkten und dem Randsortiment zunehmend an Bedeutung gewinnen werde, auch betriebsschädigend. Riegl plädierte daher, kaufmännisches Denken und Handeln nicht als unethisch abzutun, sondern es als das zu betrachten, was es ist – die Grundlage für das Überleben der Apotheke.

Dumpingpreise sind gefährlich

Eine Warnung sprach der Referent im Zusammenhang mit der Preisfreigabe bei OTC-Produkten aus. Apothekenpreise würden nur aus der Ferne als zu hoch betrachtet, bei Stammkunden sei er zu anderen Ergebnissen gekommen. Entgegen dem sprichwörtlichen Vorurteil über Apothekenpreise seien 71 Prozent der Kunden mit dem Preis-Leistungsverhältnis durchaus zufrieden.

Nur bis zu 45 Prozent der Apothekenkunden seien von Preisaktionen angetan, während 25 Prozent diese Aktionen sogar für unpassend hielten. "Wer versucht, den billigen Jakob zu machen, kann damit vielleicht einige Kunden anlocken, gleichzeitig läuft er jedoch Gefahr, beim Rest der Kunden das Vertrauen in die Qualität seiner Produkte zu verlieren", erklärte der Referent.

Er empfahl daher, mit Dumpingpreisen äußerst vorsichtig umzugehen und sie nur für ausgewählte Produkte mit Signalwirkung zu verwenden, nicht jedoch für das gesamte Sortiment.

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