BVA-Info

Stellungnahme des BVA zur neuen Gesundheitsreform: Ein Reförmchen

Immer klarer zeichnet sich ab, wie das Gesundheitswesen ab Januar 2004 aussehen wird. Trotz teilweise erheblicher Widerstände in den Parteien sind die Eckpunkte festgelegt, sodass die neueste "Formulierungshilfe" zum "Arbeitsentwurf" des GKV-Modernierungsgesetzes (GMG) nur noch in Nuancen verändert werden wird. Damit ist klar, dass das Apothekenwesen ab Januar deutlich anders aussehen wird als bisher. Dies muss nicht nur negativ sein, sondern beinhaltet auch viele Chancen für Apotheken und ihre Angestellten. Diese gilt es nun offensiv zu nutzen!

Das Y-Modell: Wohin geht die Reise?

Mittlerweile ist auch das Rürup-Gutachten der Öffentlichkeit vorgestellt worden, das die Einnahmeseite der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf neue Füße stellen sollte. Eine Entscheidung hat die Kommission nicht gefällt, sondern den Politikern zwei gegensätzliche Modelle zur Auswahl gestellt (das sogenannte Y-Modell): zum einen die "Bürgerversicherung" , zum anderen die "Kopfpauschalen (Gesundheitsprämien)".

Die für Apotheken wichtigsten Änderungen

Neuregelung der Kostenübernahme für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, Preisfreigabe für OTC-Arzneimittel

OTC-Arzneimittel sollen zukünftig vom Patienten selbst bezahlt und nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden; ausgenommen bleiben Kinder bis zum 12. Lebensjahr und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen. Außerdem sollen die Preise im freiverkäuflichen Bereich völlig frei gegeben werden.

Für bestimmte Indikationen soll es einen Ausnahmenkatalog geben, der vom Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen erarbeitet wird (z.B. ASS nach Schlaganfall). Arzneimittel für diese 10 bis 12 Indikationen sollen weiterhin erstattet werden können. Für diese gilt dann weiterhin die alte Arzneimittelpreisverordnung.

Das meint der BVA dazu: Nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel ausschließlich in die Eigenverantwortung der Versicherten zu übertragen, halten wir für falsch. Damit werden den Ärzten viele, bei weniger starken Beschwerden gut wirksame, relativ kostengünstige Arzneimittel zur Therapie genommen. Es besteht die Gefahr, dass Ärzte dann verschreibungspflichtige Arzneimittel verordnen, die medizinisch noch nicht angezeigt sind, aus dem alleinigen Grunde, weil diese erstattet werden.

Ebenso lehnen wir eine Freigabe der Preise im OTC-Bereich aus Gründen des Verbraucherschutzes ab. Eine Kostenersparnis für die GKV ist überdies nicht erkennbar, da diese Medikamente ohnehin aus der Erstattungsfähigkeit herausgenommen werden sollen.

Versandhandel

Der Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln soll möglich werden, allerdings soll ein Höchstmaß an Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit gewährleistet werden. Außerdem soll es faire Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Apotheken mit und ohne Versand geben.

Der Versandhandel soll immer nur zusätzlich zum üblichen Apothekenbetrieb erfolgen, eine "reine" Versandapotheke soll es also nicht geben. Außerdem muss ein Antrag zur Aufnahme des Arzneimittelversandes gestellt werden.

Das meint der BVA dazu: Bereits heute gibt es die Möglichkeit, auf elektronischem Wege Arzneimittel zu bestellen. Der BVA befürwortet eine Zustellung durch einen pharmazeutischen Boten, um die Arzneimittelsicherheit jederzeit gewährleisten zu können. Daher ist in den Augen des BVA ein Hausapothekenmodell wie in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein sinnvoller.

Die Möglichkeit, besondere Preise für Versandarzneimittel mit den Krankenkassen vereinbaren zu können, ist in diesem Gesetzentwurf nicht mehr enthalten. Sie wird vom BVA auch abgelehnt, da dies zu einer Benachteiligung nicht versendender Apotheken führt. Hier müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen.

Mehrbesitz

Hier fand sich in den Eckpunkten nur ein vager Satz: "Künftig darf eine Apotheke bis zu drei Nebenstellen haben; das Fremdbesitzverbot bleibt bestehen." Im ersten Gesetzentwurf ist dies präzisiert worden. Es soll eine Hauptapotheke und bis zu drei Filialapotheken (und zwar als Vollapotheken, nicht als Zweigapotheken) geben können.

Diese Anzahl ist bewusst gewählt worden, damit eine persönliche Bindung des Apothekenbesitzers an seine Apotheken gewährleistet bleibt; außerdem muss er die Hauptapotheke selbst führen. Die Apotheken sollen im gleichen Kreis oder in benachbarten Kreisen liegen. Die Filialapotheken sollen von einem beauftragten Apotheker geleitet werden.

Auch das Ministerium will keine Beeinflussung durch Dritte, wird in der Begründung zum Gesetzentwurf ausgeführt. Damit sollen auch keine fremden Kapitalgeber (wie es etwa beim Fremdbesitz der Fall wäre) Einfluss auf das Handeln der Apotheke nehmen können.

Das meint der BVA dazu: Offenbar konnte sich die CDU/CSU mit ihrer vehementen Ablehnung des Mehrbesitzes nicht durchsetzen. Immerhin ist jetzt ein recht moderates Modell "Apothekenkette" ins Gesetz aufgenommen worden. Da die Verhandlungen aber noch nicht abgeschlossen sind, sind hier noch Veränderungen möglich; eine grundsätzliche Einführung des Mehrbesitzes scheint aber beschlossene Sache.

Grundsätzlich sind für Angestellte in Apotheken auch andere Modelle als die derzeitige Form der Apotheke vorstellbar. Die jetzige Einzelapotheke bietet nämlich für Angestellte nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. So ist derzeit in der Apotheke die Gründung eines Betriebsrates oder die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nicht immer möglich.

In wettbewerbsorientierten, größeren Einheiten von Apotheken sind, wie Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, Berufs- und Aufstiegschancen für Angestellte in der Regel besser.

Eine Aufhebung des Fremdbesitzverbotes lehnen wir ab.

Arzneimittelpreisverordnung

Hier sind im Wesentlichen die Vorschläge der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) aufgegriffen worden. Die bisherige AMPreisV soll grundlegend umgestaltet werden. Es soll künftig ein preisunabhängiges Honorar und einen 3%igen Zuschlag auf den Apothekeneinkaufspreis geben. Das Abgabehonorar soll 8,10 Euro pro Packung betragen, der Apothekenrabatt wird auf 2 Euro je Packung festgelegt.

Dieses Modell soll für Arzneimittel gelten, die zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden; für apothekenpflichtige Arzneimittel soll die Preisbindung aufgehoben werden (es sei denn, sie werden zu Lasten der Krankenkasse verordnet – dann gilt die bisherige AMPreisV ...).

Das meint der BVA dazu: Hier wird umgesetzt, was der BVA schon lange fordert, nämlich eine preisunabhängige Honorierung der pharmazeutischen Leistungen in Apotheken. Der Festzuschlag soll, wie von der ABDA gefordert, durch eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums "entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung" (Zitat aus Gesetzentwurf) angepasst werden.

Was fehlt

Die Forderungen des BVA bezüglich der Abzeichnungsbefugnis für PTA für Prüf- und Herstellungsprotokolle und die Möglichkeit für PKA, auch in der Apotheke freiverkäufliche Arzneimittel zu verkaufen, sind im Vorschlag zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung nicht mit aufgenommen. Hier wird der BVA weiterhin alle Kontakte nutzen, um zu erreichen, dass diese beiden Punkte bereits bei dieser Gesetzesänderung mit einbezogen werden.

Und das BSSichG? Der Großhandelsabschlag gemäß §11, der ja mehr oder weniger komplett an die Apotheken abgewälzt wurde, soll ersatzlos gestrichen werden, da er aufgrund der neuen AMPreisV dann nicht mehr gebraucht wird.

Bürgerversicherung contra Gesundheitsprämie Bürgerversicherung
  • alle zahlen ein (auch Beamte und Selbstständige)
  • Kinder und nicht berufstätige Ehegatten sind mitversichert
  • höhere Beitragsbemessungsgrenze (bis auf 5100 Euro) oder Abschaffung (dies würde das Ende der Privatversicherung bedeuten)
  • Einbeziehen von Zinsen, Dividenden und Mieten Gesundheitsprämie
  • jeder bisher in der GKV versicherte Erwachsene zahlt eine Pauschale von etwa 210 Euro
  • Kinder sind weiter kostenlos mitversichert, Ehegatten nicht
  • Bisheriger Arbeitgeberanteil an der Krankenversicherung wird ausbezahlt und muss versteuert werden
  • Geringverdiener mit weniger als 1580 Euro zahlen 13,3% ihres Einkommens, die Differenz wird aus Steuermitteln aufgebracht

Der BVA auf der Expopharm Vom 18. bis 20. September 2003 findet in Köln der diesjährige Deutsche Apothekertag statt. Mit dabei ist wie immer auch der BVA mit einem Stand. Sie finden uns in Halle 13.2, Stand Nr. G - 06

Arbeitszeiturteil des EuGH

Auf dem Messestand erhalten Sie die neuesten Informationen über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Bereitschaftsdiensten. Am 9. September hatte der EuGH, angerufen von einem Kieler Arzt, entschieden, dass die Bereitschaftszeit von Ärzten und Pflegepersonal im Krankenhaus als normale Arbeitszeit zu werten sei. Dieses Urteil hat auch Konsequenzen für Angestellte in Apotheken! Informieren Sie sich auf unserem Stand!

Außerdem: Informationen rund ums Arbeits- und Tarifrecht, zum Stand der Tarifverhandlungen, zur Gesundheitsreform und allen sonstigen gesundheitspolitischen Fragen und vieles mehr. Lassen Sie sich über raschen!

Der weitere Gesetzesfahrplan 2. und 3. Lesung im Bundestag: 23. September Bundesrat: 26. September In-Kraft-Treten des Gesetzes: 1. Januar 2004

Internet

Weitere Informationen zu den Eckpunkten unter www.die-gesundheitsreform.de, www.bmgs.de (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) und auf der Website des BVA www.BVA-online.de.

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