Recht aktuell

Beitragssatzsicherungsgesetz: Apotheken als Inkassounternehmen für Krankenkasse

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits Anfang des Jahres Eilanträge von Apothekern gegen die Rabattregelungen im Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) abgelehnt. Über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes entschieden die Karlsruher Richter allerdings noch nicht. So herrschen nach wie vor Zweifel, ob die seit Januar geltenden Abschlagsregelungen mit dem Grundgesetz (GG) zu vereinbaren sind. Mit der speziellen Frage, ob das den Apotheken im BSSichG auferlegte Inkassogeschäft Ų d. h. die Verpflichtung, den Herstellerrabatt bei den Herstellern einzuziehen und an die Krankenkassen abzuführen Ų verfassungswidrig ist, hat sich Prof. Dr. Friedrich E. Schnapp vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt. Er kommt zu dem Schluss, dass das Inkassoverfahren sowohl das Grundrecht des Apothekers auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) als auch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Im Einzelfall kann auch ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) vorliegen.

In der juristischen Zeitschrift "Pharma-Recht" veröffentlichte Schnapp einen Beitrag zur "Indienstnahme der Apotheker für das Rabattgeschäft durch das BSSichG". Dieser basiert in Teilen auf einem Rechtsgutachten, das der Staatsrechtler für die ABDA verfasst hat.

Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben

Ausgangspunkt von Schnapps Ausführungen ist, dass es sich bei der Auferlegung der Inkassopflicht auf die Apotheker rechtsdogmatisch um die "Indienstnahme Privater zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben" handelt.

Eine solche ist nach dem Bundesverfassungsgericht als so genannte Berufsausübungsregelung stets an Art. 12 Abs. 1 GG – dem Grundrecht der Berufsfreiheit – zu messen.

Gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung einschränken, sind demnach nur zulässig, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, die gewählten Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich sind und die bewirkte Beschränkung für den Betroffenen im Übrigen zumutbar ist.

Für Fälle der Indienstnahme Privater für öffentliche Zwecke hat sich ein zusätzlicher Prüfungsmaßstab herausgebildet, da eine "besondere Eingriffsschwere" vorliegt: Das erforderte Gemeinwohlinteresse muss nicht nur vernünftig, sondern "besonders" sein. Und: die in Anspruch genommenen Privatpersonen müssen in einer besonderen Sach- und Verantwortungsbeziehung zu der in Frage stehenden Aufgabe stehen.

Einschränkung der Berufsfreiheit nicht gerechtfertigt

An genau diesen Voraussetzungen fehle es jedoch, wenn Apotheker zur Einziehung des Herstellerrabatts für die Krankenkassen herangezogen werden, meint Schnapp. Insbesondere bestehe keinerlei besondere Sach- und Verantwortungsnähe für das Inkassogeschäft: Weder gehöre es zu den "üblichen Tätigkeiten" des Apothekenbetreibers, noch habe dieser eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber den Versicherten oder den gesetzlichen Krankenkassen.

Ein möglicher Anknüpfungspunkt wäre gegeben, wenn den Apothekern Einfluss auf Mengen, Qualität oder Preise der abgegebenen Arzneimittel zukäme. Doch hier entscheidet der Arzt und gilt die Arzneimittelpreisverordnung.

Weiterhin hält Schnapp die Indienstnahme der Apotheken für nicht verhältnismäßig, da es ein weniger beeinträchtigendes Mittel zur Erreichung des Zwecks gebe: Die Krankenkassen könnten ihren Rabatt selbst bei den Herstellern einziehen. Die Apotheken haben den Kassen ohnehin Rechnung zu legen und alle relevanten Daten zu übermitteln.

Dies ermögliche den Krankenkassen, die Einräumung des Herstellerrabatts zu überprüfen und selbst das Inkasso vorzunehmen. Die Kassen stünden dieser Aufgabe auch evident näher als Apotheken, da sie die direkten Nutznießer der Regelung sind. Darüber hinaus sei das Inkassogeschäft auch im engeren Sinne unverhältnismäßig (unzumutbar).

Dies ergebe eine Abwägung der verfolgten Gemeinwohlinteressen mit den Freiheitsbeeinträchtigungen: Mag man in der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung noch einen Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung erblicken, so ist dieser im Komplex "Inkasso" doch nicht einschlägig.

Das Stabilitätsziel werde durch die Auferlegung von Rabatten angestrebt – der Zweck der Inkassoregelung sei es jedoch, die Krankenkassen von der verwaltungstechnischen Überprüfung und Einziehung der Hersteller- und Großhändler-Rabatte freizustellen. Hierin sieht Schnapp eindeutig kein Gemeinwohlinteresse, das die Beeinträchtigung der Apotheker aufwiegen könnte.

Möglicher Verstoß gegen die Eigentumsgarantie

Auch das Eigentum des einzelnen Apothekers könnte Schnapp zufolge verletzt sein, da das Inkassogeschäft mit seinem zusätzlichen Finanz-, Personal- und Verwaltungsaufwand Kosten verursache, und damit den Vermögensertrag schmälere. Der Jurist stützt sich zur Begründung auf den so genannten "Halbteilungsgrundsatz" des Bundesverfassungsgerichts.

Danach soll die steuerliche Gesamtbelastung Privater 50 Prozent nicht überschreiten – sie müsse "in der Nähe der hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand" verbleiben. Schnapp vertritt die Auffassung, dass nicht nur steuerliche Abgaben, sondern auch Belastungen nicht-steuerlicher Art einzubeziehen sind.

Somit könne die Auferlegung des Inkassogeschäfts den Apotheker dann in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzen, wenn die Gesamtbelastung des in Anspruch genommenen Apothekers über diese hälftige Teilung hinaus gehe.

Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Die Inpflichtnahme der Apotheker für das Inkassogeschäft verstößt Schnapp zufolge letztlich auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), da sie den Grundsatz der staatsbürgerlichen Lastengleichheit durchbreche. Die Aufbürdung des Inkassos auf die Apothekerschaft stelle eine Sonderlast dar, die – anders als Gemeinlasten – grundsätzlich im Widerspruch zum Gleichheitssatz stünden.

Zudem muss die Aufgabe, die mit einer Sonderlast erfüllt werden soll, ganz überwiegend in die sachliche Verantwortung der belasteten Gruppe fallen, nicht in die der staatlichen Gesamtverantwortung. Eben diese besondere Verantwortung der Apotheker für die finanzielle Situation der Krankenkassen sei jedoch nicht gegeben, so Schnapp.

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