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Heitfeld-Wirtschaftsforum: Bahnen sich tatsächlich "Superdinge" an?

OBERHAUSEN (ri). Auf dem Apotheken-Strategie-Wirtschaftsforum am 6./7. September 2003 (siehe auch die Berichte in DAZ Nr. 37 vom 11. September 2003) befassten sich Marketing-Fachleute auch mit möglichen Auswirkungen des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG), so z. B. mit der Möglichkeit zur Filialbildung bei Apotheken und der Preispolitik der Industrie.

Horst Tiedtke, Institut für Marketing an der Uni München, hatte sich hauptsächlich das Thema Expansion vorgenommen und meinte gleich zu Beginn seines Vortrages, dass sich Dank der Möglichkeit des Erwerbes von Filialen künftig auf jeden Fall "Provinzfürsten" etablieren werden.

Nach seiner Einschätzung wird dieser Typus des Marktführers sich insbesondere in der Region ausbreiten. Als typische Struktur zur Herausbildung des Provinzfürsten gab er eine Kleinstadt mit 22 000 Einwohnern an: "Da gibt es dann eine Entwicklung, wo beispielsweise ein Apotheker seine Ehefrau für die eine Filiale einsetzt und ein oder zwei ehemalige Mitarbeiter in die anderen am Ort verbleibenden Apotheken – die restliche Konkurrenz wird verdrängt."

Parallel dazu sah der Wirtschaftsberater den Zusammenschluss mehrerer Apotheker in einer Region, die dann gegebenenfalls eine Art "Ober-GmbH" gründen werden. Diese Möglichkeit nannte Tiedtke das "Superding". Allerdings ist nach seiner Ansicht hierbei eine ganz klare Beschreibung und Dokumentation dessen, was gewollt ist, erforderlich.

Generell ist er der Ansicht, dass eine Erweiterung um mehrere Filialen nur dann Sinn macht, wenn die ursprüngliche Stammapotheke auch wirklich gut positioniert ist: "Wer meint, Probleme mit der Hauptapotheke lösen zu können, indem er expandiert, wird scheitern."

Motivation und nüchterne Zahlen

Als ein Problem beschrieb er beispielsweise die Motivation des Filialleiters und empfahl auf jeden Fall bei einer Übernahme nicht den Verkäufer und ehemaligen Inhaber zum Filialleiter zu machen. Gleichzeitig betonte er, dass die Führung über die Beobachtung der Zahlen funktionieren müsse.

Grundsätzlich sei eine wirtschaftliche Verbesserung auch mit einer Umschlaggeschwindigkeit des Lagers verbunden. Tiedke: "Und noch etwas: Wer sagt denn eigentlich, dass ein langes Kundengespräch auch automatisch ein gutes Kundengespräch ist?"

Als Vorteile des Mehrbesitzes nannte der Ökonom die Möglichkeit, beispielsweise einen flexibleren Personaleinsatz zu planen bzw. die Möglichkeit, Personal von einer Apotheke in die nächste "zu schieben".

Obwohl Tiedtke auch vor Preisdumping im OTC-Bereich warnte, war er sich sicher, dass in Sachen billiger Jakob einer den Anfang machen wird. Für ihn sollte sich der Apotheker vor Ort also die Frage stellen: "Sollte ich derjenige sein?" Wie sich die Patienten nach der veränderten Verschreibungssituation verhalten, wagte auch er nicht vorauszusagen.

Dagegen war sich Tiedtke sicher, dass die Ärzte die Betroffenen nicht direkt in die Apotheke schicken werden: "Das machen sie nicht, weil sie ihre Therapiehoheit nicht in Frage stellen wollen."

Der Sinn von Kooperationen wurde von dem Berater äußerst kritisch gesehen: "Sie müssen sich immer vor Augen halten, dass die ja auch an Ihr Geld wollen", warnte er. Wer sich einer Kooperation anschließe, könne auch nicht erwarten, dass damit alle Probleme automatisch für ihn gelöst werden: "Die beste Kooperation nutzt nichts, wenn die Empfehlungen nicht aktiv umgesetzt werden."

Tiedtke sieht auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich neue Kooperationsformen herausbilden, wie beispielsweise Kooperationen in Teilbereichen (Einkauf, Versand, Marketing, Anbieter, Hersteller, verdeckte Ketten), Franchise-Systeme, regionale Kooperationen und Dachorganisationen der regionalen Kooperationen.

Grundsätzlich sollten sich Apotheker, die über den Beitritt einer Kooperation nachdenken, die Frage stellen: "Was bringt die Kooperation meiner Apotheke an Gewinn? Und wie steht es um meine Standortexklusivität? Was sind bloße Absichtserklärungen und wie sieht es in der Realität aus?"

Als größte Gefahr für das Geschäft mit den OTC-Präparaten sieht Tiedtke den Angriff der Versandhändler, die vermutlich mit günstigen Preisen den Markt aufmischen werden. Ausdrücklich begrüßenswert in der Schlacht um die Abwehr des Versandhandels begrüßte er das Hausapothekenmodell, das er als ideales Marketinginstrument wertete.

Der Berater prognostizierte, dass die Preisorientierung bei den Kunden zunimmt, gleichzeitig sei aber davon auszugehen, dass die Konsumenten die Preise nicht wirklich kennen. "Der Trick besteht darin, günstig zu wirken, es aber in Wahrheit nicht zu sein." Als Musterbeispiele nannte Tiedtke die Supermarkt-Kette Lidl, deren Management zwar immer wieder mit unglaublich günstigen Angeboten den Kunden anlockt, aber eine Woche nach dem Angebot die "Lock-Ware" wieder auslistet.

Der Ökonom zeigte sich sicher, dass im Umfeld des Themas Gesundheit auch hohe Preise akzeptiert werden und befand: "Die Angst vor hohen Preisen steht hinter dem Handverkaufstisch, nicht davor." So habe er häufig Apothekenpersonal beobachtet, das eine sehr gute Ware als solche auch empfohlen habe, dann aber bei der Nennung des Preises folgende Bemerkung gemacht habe: "Ich kann das Präparat zwar empfehlen, aber es ist sehr teuer." Tiedtke: "Was hindert uns zu sagen: Das Präparat kostet nur 68 Euro?"

Obwohl er die Angst vor den hohen Preisen ablehnt, plädiert der Berater gleichzeitig für eine geschickte "Preisoptik", die auch mit Indikator-Produkten arbeiten sollte: "Preisoptik können Sie beispielsweise mit sehr großen Schildern bei den Sonderangeboten betreiben. Oder Sie machen ,Happy-Hour-Preise'. Möglicherweise ist es auch sinnvoll, sich mit Angeboten an bestimmte Zielgruppen zu wenden. Bei der Preispolitik ist auf jeden Fall Fantasie gefragt."

Preispolitik der Industrie

Genau jene von Tiedtke angemahnte Fantasie bei der Preisgestaltung war auch das Thema von Christian Blümelhuber, ebenfalls vom Institut für Marketing der Uni München, der aufzeigte, wie die Industrie beispielsweise ein einfaches Grundprodukt wie Wasser veredelt und auf absurde Weise verteuert.

Der Clou besteht dabei darin, das Produkt anders zu machen: Wenn beispielsweise der Münchner Bierhersteller Löwenbräu das Wasser zu Bier veredelt, ist das per se schon ein Kunstgriff. Ein noch raffinierterer Kunstgriff besteht nun darin, wenn die Konkurrenz sich ein Bier ausdenkt, das alkoholfrei ist und keine Kalorien hat, dafür aber noch einmal teurer angeboten wird:

"Miller light gibt jedem Kunden alles: Er trinkt ein Bier, wird nicht betrunken und bleibt schlank." Blümelhuber gab den Apothekern den Tipp, es der Industrie gleichzutun: "Seien Sie anders!" Um zu überprüfen, inwieweit man unter Marketing-Aspekten fit sei, empfahl er jedem Apotheker die im Kasten abgedruckte Frageliste für sich selbst ehrlich zu beantworten.

14 Fragen – Ihr Weg zum Erfolg

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Was erwarten, wünschen und erleben Ihre Kunden?

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Wer ist eigentlich Ihre direkte Konkurrenz?

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Wie unterscheiden Sie sich von der Konkurrenz?

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Sind Sie in den Basis-Dimensionen auf Augenhöhe?

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Wie werden Ihre Apotheke/Ihre Mitarbeiter/Ihre Angebote vom Kunden wahrgenommen und erlebt?

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Wie bewertet der Kunde diese Erfahrungen?

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Welchen konkreten Nutzen liefern Sie Ihren Kunden?

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Welche "Elementarteilchen" prägen Ihr Angebot/Ihre Apotheke?

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Wie überraschen Sie Ihre Kunden? Ohne dass es sich abnutzt!

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Welche Inhalte haben Ihre Kunden im semantischen und episodischen Gedächtnis abgespeichert?

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Stimmen diese Gedächtnisinhalte und Geschichten mit Ihren Vorstellungen überein?

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Ziehen alle Mitarbeiter an einem Strang?

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Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?

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