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Treuhand: Praktische Fragen zur Gesundheitsreform

HANNOVER (ri). Bei der Mitgliederversammlung des Treuhand-Verbandes am 13./14. September in Hannover widmeten sich die beiden Referenten Dr. Jutta Degenhardt, Apothekerin und der Dipl.-Ökonom Christian Meyer den "Aktuellen Praxisfragen zur Gesundheitsreform".

Christian Meyer betonte die Bedeutung der Daten-Relevanz für die Wirkungsanalyse. Wichtigste Vorraussetzung: Die Daten der Rechenzentren werden mindestens für die bisherigen Monate in 2003 benötigt. Der Referent wies darauf hin, dass die vorliegenden Simulationsrechnungen der Rechenzentren für die GKV in der Regel nur Teilbetrachtungen liefern.

Gut verwendbar sind aus seiner Sicht neben den Simulationen der NARZ auch diejenigen des ARZ Darmstadt (mit EK-Preisabsenkung), ARZ Haan/Finowfurt (mit Umsatzsteuer-Fehler, aber Berücksichtigung von EK-Rabatten; nur ein Monat), Dr. Güldener (mit USt-Fehler), ARZ Wünsch (mit USt-Fehler) sowie Schweriner ARZ (mit USt-Fehler und undefinierten Annahmen).

Die VSA-Simulation (mit USt-Fehler) betrachtet nur den rezeptpflichtigen Bereich, so dass Ergänzungen zwingend notwendig sind. Beim Berliner RZ handelt es sich um eine gekürzte Version vom ARZ Haan. Nach Überzeugung von Meyer liefert Asys sehr gute Daten, die allerdings die Großhandelsabschläge nicht berücksichtigen. Dagegen sind laut Meyer die Lauer-Fischer-, Stahl- und Pharmatechnik-Auswertungen begrenzt brauchbar.

Typische Fehler

Als typische Fehlerquellen im Daten-Material der Simulationsrechnungen nannte der Referent folgende Stichpunkte:

1. Umsatzsteuer: Vielfach wird im Rohgewinn-Bereich mit 2,00 Euro (inkl. USt) statt 1,72 Euro (ohne USt) gerechnet; d. h. die Ergebnisse fallen zu schlecht aus. 2. Großhandelsabschlag 2003: Bei den meisten Auswertungen wird der Abschlag nicht mit berücksichtigt; d. h. die echte Veränderung 2004 zu 2003 ist besser als simuliert. 3. Einkaufspreise: Es wird in den Berechnungen nicht die Großhandelstaxabsenkung berücksichtigt; zudem sind für einige Arzneimittel keine Einkaufspreise in der Lauer-Datenbank hinterlegt. 4. EK-Rabatte: Diese werden selten berücksichtigt.

Gewinner und Verlierer

Die ersten Probe-Berechnungen haben gezeigt, dass man vorab schon erste Erkenntnisse zu den Auswirkungen aus der Höhe des Apotheken- und Großhandelsabschlages sowie des Einkaufsrabattes ziehen kann. Der Referent formulierte folgende Regeln:

Je geringer der Apothekenabschlag ist (= mehr Niedrigpreis-Arzneimittel), desto höher ist das Plus im Rohgewinn durch den Festzuschlag von 8,10 Euro (Gewinner).

Je höher der Großhandelsabschlag ist (= mehr verschreibungspflichtige Arzneimittel) und in Verbindung mit geringem Apothekenabschlag, desto höher ist das Plus im Rohgewinn (Gewinner ).

Je höher der EK-Gesamt-Rabatt in 2003 ist, desto stärker können sich die zu erwartenden Rabattkürzungen in 2004 auswirken (Verlierer).

Empfehlungen

Meyer empfahl, die Preispolitik im OTC-Bereich nicht isoliert als Kalkulationsfrage zu betrachten. Betriebswirtschaftliche Kalkulation führt bei den meisten OTC-Produkten zur Erhöhung des Abgabepreises. Dabei muss allerdings gefragt werden, ob der Kunde die teuren Preise akzeptiert. Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie die Industrie reagiert: Kommt sie beispielsweise mit Erkältungspaketen und Preisempfehlungen auf den Markt?

Der Referent zeigte sich davon überzeugt, dass sich die Apotheke der Vermarktungs- und Preisstrategie (Fertigkonzepte) der Industrie kaum entziehen kann. Seine Empfehlung lautet daher: Bei "alten" Listenpreisen bleiben (weiter gültig für GKV); Preiserhöhungen dürfte der ohnehin mehr belastete Patient kaum akzeptieren. Schließlich warnte Meyer vor Preiskämpfen, die langfristig sinkende Margen für alle bedeuten.

Mehrbesitz

Im Anschluss daran erläuterte Dr. Jutta Degenhardt ihre Überlegungen zum Mehrbesitz, zunächst aus der Sicht des Käufers. Dieser sollte sich folgende Fragen stellen:

  • Was kann ich mir zumuten, was will ich erreichen?
  • Welche Apotheke(n) kommen in Frage (Neugründung oder Kauf)?
  • Kann und will ich offen auf den Kollegen zugehen?
  • Ist das Objekt wirtschaftlich als "Filialapotheke" tragbar (Umsatz, Kosten, Gewinn, Preis, Finanzierung, Konzept für Bank)?
  • Passt das Objekt organisatorisch zu uns (Erscheinung, Personal, EDV) bzw. ist es anzupassen?
  • Mietdauer? Eventuell zunächst nur eine kurze Miete eingehen?
  • Risiko beim Kaufpreis überschaubar halten, keine Kette um jeden Preis.

Der zweite Teil der Überlegungen bezog sich auf die Sicht des Verkäufers:

  • Wie lange will ich selbstständig weiterarbeiten?
  • Möglichkeit A: weiter bis zur Rente, dann Schließung
  • Möglichkeit B: Verkauf (evtl. Verpachtung)
  • Ist eine Filialapotheke mit mir als Verantwortlichem denkbar?
  • Will ich eventuell den Verkauf offensiv angehen?

Versandhandel

Die Apothekerin Jutta Degenhardt beleuchtete u. a. in ihrem Vortrag auch das GMG in Bezug auf den Versandhandel. Hierbei ist zunächst die geänderte Anreizsituation zu beachten: Der Festzuschlag macht Anreize zum Versand tendenziell unattraktiver. So ist beispielsweise nach Auffassung der Referentin der Erlass der Zuzahlungen kaum noch möglich.

Weiterhin ist eine Neuheit im ApoG § 11 a besonders zu beachten: So ist der Versand ausschließlich aus öffentlichen Apotheken möglich. Die Referentin betonte, dass allerdings laut § 73 AMG auch der Versand aus EU-Apotheken möglich ist, sofern der gleiche Sicherheitsstandard (Öffnungsklausel) erfüllt wird. Das Qualitätssicherungssystem stellt sicher, dass

  • die Auslieferung an eine vom Besteller benannte Person geht,
  • ein Patientenhinweis nach dem Muster "wenn es Probleme gibt, dann bitte den Arzt fragen!" erfolgt,
  • eine Beratung durch pharmazeutisches Personal in deutscher Sprache (Callcenter?) erfolgt.

§ 11 a ApoG

Degenhardt erläuterte die Punkte, die ein Versand-Apotheker sicherstellen muss: Die Versendung muss zwei Arbeitstage nach Eingang der Bestellung erfolgen,

  • sofern er das Arzneimittel zur Verfügung hat,
  • falls er nichts anderes vereinbart hat.

Sollte es zu Verzögerungen kommen, muss der Apotheker darüber den Besteller informieren. Der Gesetzgeber sagt auch, dass alle bestellten (und verfügbaren) Arzneimittel ausgeliefert werden müssen. Die Referentin kommentierte insbesondere den letzten Punkt ironisch als eine Maßnahme, "die sich gut anhört."

Als weitere Anforderungen, die einzuhalten sind, zählte Degenhardt die kostenfreie Zweitzustellung, ein System zur Risikomeldung, -information und -abwehr, ein System zur Sendungsverfolgung sowie eine Transportversicherung auf.

Interessant ist nach Auffassung der Referentin eine Änderung in § 17 Betriebsordnung, die ursprünglich folgendermaßen formuliert war: "Zustellung durch Boten der Apotheke ist im begründeten Einzelfall ohne Erlaubnis nach § 11a zulässig." Im nun vorliegenden Entwurf ist das Wörtchen "begründet" gestrichen, so dass nach Auffassung von Degenhardt "hier auch eine Chance für die Präsenzapotheke besteht, auch hierbei aktiv zu werden und einiges mehr zu tun."

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