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Treuhand: Zahlen weniger düster als befürchtet

HANNOVER (ri). Bei der Veranstaltung "Systemumbruch Ų Veränderung Ų Zukunft gestalten" am 14./15. September 2003 des Treuhand-Verbandes in Hannover kritisierte Wilhelm Soltau, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, das Verhalten der CDU-Opposition: "Die markigen Worte, mit denen sie uns noch am Sonder-Apothekertag in Berlin Hoffnung machten, erwiesen sich danach leider als Schall und Rauch!"

Soltau beklagte im Blick auf die Regierungsopposition, es sei bedauerlich, wenn am Abend nichts mehr von dem gelte, was man am Morgen zugesagt habe. Die Situation, mit der sich Apotheker derzeit auseinandersetzen müssten, sei am besten mit einem Zitat des legendären CSU-Politikers Strauß zu umschreiben, der für solche Fälle von den fünf "U" sprach: "Unsicherheit, Ungewissheit, Unzufriedenheit, Unbehagen und Unruhe".

Unzufrieden zeigte sich auch die Geschäftsführerin der Treuhand Hannover, Ursula Hasan-Boehme, die darauf hinwies, dass es "vielleicht noch ein paar mehr Us sind", die die derzeitige Lage der Apotheker charakterisieren.

Die Steuerexpertin erinnerte noch einmal an die Chronologie der Ereignisse, die dem Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz (GMG) bis zum aktuellen Stand vorausgingen und kritisierte, wie "rasant" die Regierung vorgegangen war. Zusammenfassend beschrieb sie die GMG-Maßnahmen zur Arzneimittelversorgung:

  • Das Kernstück der Veränderungen sei der Festzuschlag von 8,10 Euro und der Aufschlag von drei Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis (AEP).
  • Die stufenweise Absenkung der Großhandelstaxe bis auf sieben Prozentpunkte. Hasan-Boehme kommentierte diese Maßnahme dahingehend, dass die Großhandelsrabatte künftig wohl "äußerst bescheiden" ausfallen werden.
  • Die weitgehend freie Kalkulation der OTC-Preise, die sich seitens der Apotheker nach Auffassung der Referentin "niemand gewünscht" habe.
  • Die seitens des Patienten zehnprozentige Zuzahlung bei allen Leistungen, die bei mindestens fünf, höchstens bei zehn Euro liegen dürfen.
  • Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger und somit nur apothekenpflichtiger Arzneimittel (OTx) aus der Erstattung (bis auf wenige Ausnahmen).
  • Festbeträge auch für Arzneimittel unter Patientenschutz, wenn sie keinen bzw. wenig Zusatznutzen bringen. Hier wies Frau Hasan-Boehme mit kritischem Unterton darauf hin, dass die Nutzen-Bewertung wohl durch ein noch zu schaffendes Institut vorgenommen werden muss.
  • Die Einbindung der Krankenhausapotheken in die ambulante Versorgung und die damit verbundenen gesondert mit der GKV vereinbarten Handelszuschläge.

Bezüglich des Versandhandels bemerkte die Referentin, dass dieser mangels der Möglichkeit der so genannten Rosinenpickerei nun nicht mehr das ursprüngliche Ausmaß an Gefahr darstelle. Zum Thema Fremdbesitzverbot äußerte Hasan-Boehme sich eher skeptisch: Zwar bleibe das Fremdbesitzverbot derzeit rein formal-juristisch bestehen, aber das Verbot berge das Risiko, dass der Fremdbesitz dennoch eingeklagt werden könne.

Analyse als Grundlage für Prognosen

Zur Analyse des Ist-Zustandes untersuchte die Referentin die Verteilung der Arzneimittel nach Umsatzwerten im Jahre 2002. Danach stellten die verschreibungspflichtigen Arzneimittel mit 75 % den Löwenanteil dar. Die apothekenpflichtig verordneten Arzneimittel schlugen mit 10 % GKV-Anteil plus 2,9 Milliarden ohne Umsatzsteuer der PKV zu Buche. Die apothekenpflichtig nicht verordneten Arzneimittel machten 13 % aus, die freiverkäuflichen dagegen nur 2 %.

Auch die Entwicklung der Preise wurden von der Steuerberaterin untersucht. So betrug beispielsweise der durchschnittliche Rohgewinn bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Bezug auf die GKV 8,26 Euro, in Bezug auf die PKV dagegen nur 6,09 Euro. Im Vergleich mit den ab 2004 in Kraft tretenden Regelungen entsteht so bei den über die GKV verrechneten Arzneimitteln ein Verhältnis von 8,26 Euro zu 8,10 Euro, wobei aber noch die drei Prozent AEP hinzukommen, so dass die Situation nach Ansicht der Referentin "nicht so dramatisch ist".

Die Steuerberaterin errechnete auch die Umsatzauswirkungen des Kombimodells im Rx-Bereich, wie sie sich für eine durchschnittliche Apotheke voraussichtlich ergeben können. Die Hochrechnung basierte dabei nicht nur auf der festen Größe des Einkaufswertes des Jahres 2003, sondern enthielt auch folgende Annahmen:

Die Absenkung der Großhandels-Aufschläge um minus sechs Prozent – "viele Apotheker werden künftig beim Großhandelsrabatt nicht mehr die Eins vor dem Komma haben!" – sowie ein drastisch auf 7 % geschrumpfter Einkaufsrabatt des Apothekeneinkaufspreises (AEP).

Das Einkaufspreisniveau sinkt also durch den verminderten Großhandelsrabatt auf 6 %, so dass folglich der Festzuschlag auf niedrigerem Niveau aufsetzt. Für die Umsatzwirkung heißt das, dass der gesamte Rx-Umsatz vor Abschlag (bei GKV) – 2,0 % bzw. nach Abschlag 3,1 % beträgt. Bei einem Festzuschlag von 8,10 Euro steigt nach Berechnungen der Treuhand der effektive GKV-Rx-Rohgewinn von 2003 auf 2004 um 9,5 %, der gesamte Rx-Rohgewinn vermehrt sich um 11,5 %.

Preisgrenzen entscheidend

Hasan-Boehme beantwortete auch die Frage, bis zu welcher Preisgrenze der alte Tax-Rohgewinn dem neuen Aufschlag mit 8,10 Euro plus drei Prozent entspricht: So fällt der Apothekenverkaufspreis (AVP) und der Rohgewinn bis zu einem Apothekeneinkaufspreis (AEP) von 23,82 Euro höher aus als bisher, während es sich bei einem AEP ab 23,82 genau umgekehrt verhält!

Insgesamt resultiert aus diesem Ergebnis in Sachen GKV-Rx-Arzneimittel eine auf den Durchschnitt bezogene Verbesserung. Verlierer sind dabei diejenigen Apotheker, die das Geschäft hauptsächlich mit speziellen Sortimenten machen.

Die Steuerexpertin empfiehlt jedem einzelnen Apotheker eine individuelle Wirkungsanalyse. Dabei werden für die Prognose des GKV-Geschäfts die Daten der Rechenzentren benötigt. Die Betrachtung eines einzigen Monats reicht jedoch nicht aus, Hochrechnungen sollten alle Daten dieses Jahres zugrunde gelegt werden.

Die Simulationen der Rechenzentren bezeichnete Hasan-Boehme als nicht ausreichende Teilbetrachtungen, da die Einkaufsrabatte nicht berücksichtigt sind.

Als zusätzlich notwendige Daten nannte die Steuerberaterin:

  • Für PKV-Rx die Packungsmenge sowie EK- und Umsatzwert (Hinweis ob mit oder ohne Umsatztsteuer).
  • Die Angabe der effektiven Großhandelsrabatte ("Machen Sie sich dabei nichts vor und seien Sie ehrlich!").

Spekulationen

Bezüglich der Gesamtwirkungen des GMG-Modells kam Hasan-Boehme zu folgenden Annahmen:

1. Der verbleibende GKV-Non-Rx-Umsatz und EK: minus 6 %. Die Referentin vermutete, dass die Industrie Preisänderungen vornehmen werde.

2. Der bisherige Selbstmedikations-Umsatz geht nach Überzeugung von Hasan-Boehme um 10 % zurück, wobei sie meinte, dass man diesen Punkt diskutieren könnte, da er vom Verbraucherverhalten abhänge.

3. Der GKV-Non-Rx-Umsatz sinkt durch Ausschluss um 50 Prozentpunkte, wobei Hasan-Boehme befürchtet, dass davon nicht alles im Handverkauf-Non-Rx ankommt.

4. EK-Rabatte (effektiv): Ein auf 2003 bezogener Rückgang um 90 %.

Die Referentin stellte auch eine Rechnung vor, die die gesamte – vorläufige – Wirkung des GMG widerspiegelt. Demnach ergeben sich unter Berücksichtigung der Daten der Rx-Arzneimittel, Non-Rx-Arzneimittel und Nicht-Arzneimittel bzw. Sonstiges sowohl auf den Handverkauf als auch auf den GKV-Bereich bezogen folgende Änderungen der Zahlen von 2003 auf 2004:

Gesamt-Umsätze nach Abschlägen – 25200 Euro (-1,8 %) Effektiver Gesamt-Rohgewinn – 7100 Euro (-1,8 %) Betriebsergebnis – 5900 Euro (– 6,6 %)

Fazit

Als Fazit stellte Hasan-Boehme fest, dass sich bei der durchschnittlichen Apotheke Umsatz und Rohgewinn im Vergleich von 2003 auf 2004 in einem schmalen Korridor ändern. Die Gewinnänderungen werden vermutlich im Bereich von minus 7 % bis gegen Null liegen.

Die Absenkung der Festbeträge, sowie die leicht modifizierte Aut-idem-Regelung und die niedrigeren Importpreise haben nur noch geringe Rohgewinnwirkungen. Allerdings sind nach Ansicht von Hasan-Boehme noch etliche Fragen, wie beispielsweise die Preisentwicklung in der Selbstmedikation, der Switch von OTX-Arzneimitteln in die Rezeptpflicht sowie Mehrbesitz, Versandhandel, Importe, Festbeträge, Zuzahlungen bzw. Befreiungen offen.

Das selbe gilt im Hinblick auf die Öffnung der Krankenhausversorgung für den ambulanten Bereich, die integrierte Versorgung, die Disease Management Programme etc. Trotz der vielen Unwägbarkeiten sagte Hasan-Boehme vor der mit ca. 300 Apothekern sehr gut besuchten Veranstaltung: "Ich glaube, meine Botschaft ist nicht ganz so schlimm ausgefallen, wie viele von Ihnen befürchteten!"

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