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LAK Baden-Württemberg: Paradigmenwechsel in der Arzneimittelversorgung

STUTTGART (ral). "Die Gesundheitsreform bedeutet einen Paradigmenwechsel für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung", kritisierte Dr. Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg den Entwurf zum GKV-Modernisierungsgesetz anlässlich einer Pressekonferenz am 11. September. Im Mittelpunkt werde künftig der Kommerz und nicht mehr der Schutz des Verbrauchers bzw. des Patienten stehen.

Die Kritik des Kammerpräsidenten betraf zum einen den im GKV-Modernisierungsgesetz vorgesehenen Erstattungsausschluss für OTC-Arzneimittel, zum anderen die Aufhebung der Preisbindung für nicht-erstattungsfähige Arzneimittel.

"Die Tatsache, dass OTC-Arzneimittel nicht mehr erstattet werden, wird dazu führen, dass verstärkt auf verschreibungspflichtige Arzneimittel zurückgegriffen wird", prognostizierte Hanke. Diese seien in der Regel jedoch nicht so verträglich wie OTC-Arzneimittel, sodass für den Patienten ein schlechteres Nutzen-Risiko-Verhältnis resultiere:

"Früher hat man nebenwirkungsreiche Arzneimittel aus der Selbstmedikation in die Verschreibungspflicht genommen, um ihren Gebrauch einzuschränken und die Patienten somit zu schützen. Jetzt treibt man die Patienten genau diesen Präparaten wieder in die Arme. Die Situation wird also umgedreht – zum Nachteil einer sicheren Arzneimittelversorgung."

Preisfreigabe führt zu Preiskampf und Apothekensterben

Bezüglich der Aufhebung der Preisbindung von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zitierte Hanke den Betriebswirtschaftler Prof. Dr. Dieter Benatzky. Dieser sagt für die Preisfreigabe ein dreistufiges Szenario voraus.

Danach kommt es zunächst zu einem Preiskampf, bei dem sich die Apotheken durch Dumpingpreise zu unterbieten versuchen, anschließend erfolgt eine Marktbereinigung, da viele Apotheken diesen Kampf nicht überleben werden und schließlich kommt es bei den verbleibenden Betrieben zur Preisoptimierung mit Signalpreisen für ausgewählte Artikel und einer realistischen Kalkulation für das Gros der Präparate.

"Für die Apothekenlandschaft bedeutet dieses Szenario eine Ausdünnung der Betriebsdichte", meinte Hanke. Seiner Einschätzung nach wird die Apothekenzahl von heute rund 21 500 auf 15 000 bis 16 000 sinken. Für die Patienten bedeute dies längere Wege und – vor allem auf dem Land – Versorgungslücken.

"Die Arzneimittelversorgung wird durch das geplante Gesetz in jedem Fall schlechter als bisher", so Hankes Fazit. "Ich kann nur sagen, ich verstehe die Politiker nicht mehr, die so etwas sehenden Auges befürworten." In Resignation wolle man dennoch nicht verfallen.

Die Kammer werde ihre Mitglieder mit allen Mitteln unterstützen, damit sie unter den geänderten Bedingungen bestehen könnten. Gerade jetzt gelte es z. B. die Fortbildung zu intensivieren, um zu verhindern, dass der Apothekerberuf seinen Heilberufcharakter gänzlich verliere und die Patienten keine Ansprechpartner mehr für ihre Arzneimittelprobleme hätten.

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