Die Seite 3

Zu beneiden sind sie gegenwärtig nicht – die Spitzen unserer Berufsorganisationen. Auf dem Apothekertag wird niemand wissen wollen, was sie alles versucht haben, um die konzertierten politischen Attacken auf unser bislang effizient, leise und erfolgreich funktionierendes Apothekensystem abzuwehren. Was sie erreicht haben – das allein zählt.

Dabei geht es weniger um schuldhaftes Versagen als um politische Verantwortung. Gefragt sind auch nicht Tätigkeitsnachweise, sondern Erfolge. Warum sind letztere, von Marginalien abgesehen, ausgeblieben – trotz des hohen materiellen und meist auch persönlichen Einsatzes, trotz des Umzugs nach Berlin, trotz des geschlossenen Auftritts unter dem Dach der ABDA?

Es darf bezweifelt werden, dass diese Fragen derzeit irgendeines der wichtigen Probleme lösen. Helfen sie, allerletzte Chancen auf Nachbesserungen zu wahren? Machen sie zweifelnden Abgeordneten im Regierungslager und vor allem aus der CDU/CSU deutlich, dass sie sich auf einen Holzweg eingelassen haben? Dass es sich vielleicht doch lohnt, über den Bundesrat noch einmal nachzufassen, nachdem der ursprüngliche Zeitplan der Schmidt-Seehoferschen Gesundheitsreform gekippt wurde?

Der Bundesrat wird ja nicht schon am 26. September, sondern erst am 17. Oktober mit der Gesundheitsreform befasst. Ist eigentlich allen Christdemokraten klar, dass der gemeinsame Gesetzentwurf mit den Regierungsfraktionen nach wie vor Versandapotheken und jene Apotheken, die sich die Kassen als Vertragsapotheken auswählen, in absurder Weise privilegiert?

Dass die Vermachtung zugunsten der Krankenkassen und die nachhaltige Schwächung der freien Berufe Arzt und Apotheker (im Kontrast zu den behaupteten Zielen der Gesetzes) Wettbewerb abbaut und Korruption fördert? Dass den Krankenkassen bei den so genannten besonderen Versorgungsformen erlaubt wird, weitgehend willkürlich einzelne (Versand-)Apotheken auszugucken und ihnen durch geringere Zuzahlungen Patienten zuzuschanzen?

Ist eigentlichen allen klar, dass Pflichten und Chancen zwischen Versand- und Präsenzapotheken nach wie vor absolut unfair verteilt sind? Obwohl Versandapotheken in das Liefergebiet der Präsenzapotheken eindringen, müssen sie sich dort nicht an den teuren Notdiensten beteiligen, die in Zukunft durch ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes wohl noch wesentlich teurer werden.

Auch durch die nach wie vor miserabel (und sogar schlechter als entsprechende verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel) vergüteten Rezepturen, auf die kein Patient tagelang warten kann, werden einseitig Präsenzapotheken belastet.

Kein Zweifel: Die Hoffnung, an all diesen Absurditäten noch etwas zu ändern, ist sehr gering. Aber am Beispiel der Positivliste hat uns die Pharmaindustrie vorgemacht, dass sich auf Teilgebieten manchmal in letzter Sekunde das Blatt noch wenden kann, wenn man gute Argumente hat und hartnäckig bleibt, auch in schier auswegloser Lage.

Es ist schon eigenartig. Jene, die meinen, Hauptziel müsse derzeit sein, der ABDA das Lebenslicht auszublasen, machen den gleichen Fehler, den man auch unseren Berufsorganisationen vorwerfen kann: sie schauen zu sehr nach innen, widmen sich internen Auseinandersetzungen innerhalb der Berufsgruppe, verschwenden dort Zeit und Energie. Und das in Zeiten, wo es (immer noch) darauf ankommt, alle Kräfte nach außen zu richten – ob man sie nun bündeln will oder vorzieht, getrennt zu marschieren.

Was die Bündelung von Kräften angeht: darüber lässt sich trefflich streiten. Allerdings gibt es dazu wohl passendere Gelegenheiten als hier und jetzt. Unabhängig von der Frage, ob die Konstruktion der ABDA rechtlich problematisch oder durchaus akzeptabel ist, wird man hinterfragen dürfen, ob die Bündelung von öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Kammern und privatrechtlich organisierten Interessen in den Verbänden eine effiziente Darstellung der gesundheits- und berufspolitischen Überzeugungen der Apothekerschaft eher fördert oder eher behindert.

Die Frage ist für mich nicht ausgestanden – auch wenn die desaströsen Ergebnisse der Bemühungen in der letzten Zeit wahrlich nicht gerade für die gegenwärtige Organisationsform sprechen. Fragen stellen sich allerdings nicht nur auf Bundesebene.

Ich bin sehr für föderale Organisationsprinzipien – sie erleichtern die Suche nach guten Lösungen, ermöglichen internen Wettbewerb. Aber dafür braucht man nicht 17 Kammern und 17 Verbände in 16 Bundesländern. Das ist eine Vergeudung von Ressourcen. Dabei wird Geld verpulvert, das besser anderweitig eingesetzt werden könnte. Nach dem Lecken der Wunden werden wir auch darüber zu reden haben.

Peter Ditzel

Was wirklich zählt

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