DAZ-Feuilleton

Geschichte des Arzneimittelwerkes Dresden 1835–2002

Nach der Firmenhistorie des VEB Jenapharm liegt nun mit der "Geschichte des Arzneimittelwerkes Dresden 1835 Ų 2002" die zweite größere Publikation zu einem pharmazeutischen Unternehmen der ehemaligen DDR vor. Das 152 Seiten zählende und ebenso reichhaltig wie interessant bebilderte Werk widmet sich zunächst den historischen Wurzeln des AWD, die als durchaus heterogen zu bezeichnen sind.

Zum AWD fusionierten 1951 die 1835 gegründete "Drogerie- & Färbewaren-Handlung Gehe & Comp." und der Homöopathika- und Phytotherapeutika-Hersteller Dr. Madaus & Co., der seit 1927 in Radebeul bei Dresden ansässig war. 1961 kam die Chemische Fabrik von Heyden hinzu, die 1873 ins Leben gerufen und vor allem durch ihre Salicylsäureproduktion bekannt geworden war. Als "kleines Kombinat" firmierte das AWD dann von 1970 bis 1979, schließlich agierte es bis zur Wende als Stammbetrieb des alle Arzneimittel-Unternehmen der DDR umfassenden pharmazeutischen Kombinates GERMED.

Die von Andreas Schuhmann – früher Leiter der Abteilung Forschungsvorbereitung des AWD – äußerst kundig verfassten ersten fünf Kapitel zeigen sachlich die Erfolge des AWD und seiner Vorgängerbetriebe auf, wobei nach der Salicylsäuredarstellung die Entdeckung der oralen Antidiabetika sicherlich als absolutes Highlight zu bewerten ist. Gleichzeitig verschweigt Schuhmann nicht, dass das AWD in den Achtzigerjahren wissenschaftlich und wirtschaftlich zunehmend unbeweglich wurde. Auch in Radebeul machte sich die desolate ökonomische Situation der DDR spürbar bemerkbar. Selbst die 1979 in Betrieb gegangene leistungsfähige Mehrzwecksyntheseanlage, die mit 434 Millionen Mark Baukosten eine echte Großinvestition darstellte, vermochte die Schwierigkeiten des AWD nicht mehr grundlegend zu lösen.

Die Wende, in Radebeul wie anderswo sicherlich hoffnungsvoll begrüßt, führte nach Privatisierung und Übernahme durch ASTA Medica mehrfach zu Umstrukturierungen des AWD, die mit einem drastischen Verlust an Umsatz und Mitarbeitern verbunden waren. Statt 2976 Personen am 1. Juli 1990 beschäftigte das AWD am 31. Dezember 2000 nur noch 903 Menschen. Zurzeit steht die oben erwähnte, inzwischen ausgegliederte und zur Degussa AG gehörende Mehrzwecksyntheseanlage zur Disposition, eine Schließung würde weitere Arbeitsplatzverluste mit sich bringen (vgl. www.radebeul-lebt.de).

Somit bleiben nach der Lektüre des von Bernhard Sorms verfassten sechsten Kapitels "Das Arzneimittelwerk Dresden als GmbH in der freien Marktwirtschaft" durchaus gemischte Gefühle zurück. Es ist zu hoffen, dass sich das seit 2001 zur kroatischen PLIVA gehörende Rumpfunternehmen AWD.pharma als Generika-Hersteller behaupten kann. Insgesamt sei das Buch allen historisch interessierten Lesern empfohlen, deren Augenmerk auch der Geschichte der pharmazeutischen Industrie gilt. Apothekerinnen aus den neuen Bundesländern werden das Buch sicher mit besonderem Gewinn zur Hand nehmen

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