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DMP und Integrierte Versorgung: AOK setzt auf Ärzte statt auf Apotheker

BAD HOMBURG (ral). Für die Krankenkassen Ų zumindest für die AOK Ų sind Apotheker als Partner bei Disease Management Programmen (DMP) und Integrierter Versorgung offenbar uninteressant. Wie Norbert Schleert als Vertreter des AOK-Bundesverbands auf dem vom managementforum veranstalteten Kongress "Apotheke 2003" ausführte, sieht die AOK wenig Grund, entsprechende Verträge mit Apothekern abzuschließen. Dass sie vielmehr versucht, möglichst alle Bereiche von DMP und Integrierter Versorgung Apotheken-unabhängig abzudecken, zeigte der Vortrag von Dieter Zocholl, Geschäftsführer der GesundheitsScout24 GmbH, die für die AOK und eine Reihe weiterer Kassen bereits heute umfangreiche Beratungsleistungen erbringt.

Schon lange wird von Seiten der Apothekerschaft bemängelt, dass in die Überlegungen zu Disease Management Programmen und Integrierter Versorgung kaum Apothekerkompetenz miteinfließt und die Apotheker auch nicht als Vertragspartner vorgesehen sind. Wurde bislang allerdings meist vermutet, dass man die Apotheker nur "vergessen" hat, erscheint die Situation nun in einem anderen Licht. Wie Norbert Schleert in seinem Vortrag in Bad Homburg deutlich machte, ist zumindest die AOK an einer Zusammenarbeit mit Apothekern bei Disease Management Programmen und Integrierter Versorgung kaum interessiert.

Schleert nannte als Ziel der AOK "die Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung für ihre Versicherten" und zählte dann die Bereiche auf, in denen Apotheker ihre Kompetenz einbringen könnten und dies auch entsprechend angeboten haben. Dabei sah er keinen Ansatz für eine Zusammenarbeit mit Apothekern zur Steigerung der qualitativen Arzneimittelversorgung, nur in Punkto Wirtschaftlichkeit seinen Berührungspunkte möglich.

Daten mangelhaft, als Beratungspartner ungeeignet

Schleert konkretisierte seine Aussage zunächst bezüglich der qualitativen Arzneimittelversorgung. Hierbei unterschied er zwischen der Produktqualität und der Prozessqualität. Ersteres, so Schleert, biete von vornherein keinen Spielraum für Apotheker, da die Qualität eines Arzneimittels durch das Arzneimittelgesetz, das Apothekengesetz, die Zulassung etc. geregelt wird.

Die Prozessqualität umfasst den Weg des Arzneimittels von der Verordnung bis zur Einnahme. "Hier ist Spielraum vorhanden und von Seiten der Apotheker wurden auch verschiedene Vorschläge zur Steuerung gemacht wie Datenaufbereitung, Arzt- und Patientenberatung. Allerdings sind diese Vorschläge für die AOK von nachgeordneter Bedeutung", meinte Schleert.

Bezüglich der Datenaufbereitung sehe man zum einen keine Notwendigkeit, da man selbst über alle notwendigen Daten verfüge, zum anderen sei das von den Apothekern angebotene Datenmaterial unvollständig und entspreche nicht den Anforderungen der AOK. Bezüglich der Arztberatung sehe man in den Apothekern nicht die geeigneten Partner, sondern verlasse sich lieber auf die eigene Kompetenz. Erfahrungsgemäß gebe es zu viele Spannungen zwischen Ärzten und Apothekern und letztere seien daher "nur vereinzelt in der Lage, Ärzte erfolgreich zu beraten".

Bei der Beratung der Patienten wiederum setze die AOK den Fokus ganz auf die Ärzte. "Die Arzt-Patientenbindung ist stärker als die Bindung zwischen Patient und Apotheker. Wenn der Patient Fragen hat, ist der Arzt der erste und wichtigste Ansprechpartner", begründete Schleert diese Vorgehensweise. Er fasste zusammen: "Insgesamt macht es für die AOK kaum Sinn, Apotheker in die Optimierung der Prozessqualität miteinzubeziehen und entsprechende Verträge im Rahmen von Disease Management Programmen und Integrierter Versorgung abzuschließen."

Als Billiganbieter erwünscht

Der einzige Ansatzpunkt für eine Zusammenarbeit zwischen Apothekern und AOK liegt Schleert zufolge bei der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung, denn "eine preiswerte Arzneimittelbereitstellung wird in den Mittelpunkt rücken". Die AOK sei an allen Angeboten interessiert, die eine wirtschaftliche Versorgung ihrer Versicherten ermögliche, sei es von Versand-, Krankenhaus- oder öffentlichen Apotheken. So seinen z. B. Verträge mit Krankenhausapotheken zur vor- und nachstationären Versorgung für die AOK von Interesse. Von Seiten der öffentlichen Apotheken seien Angebote bezüglich aut idem sowie Preis- und Rabattvereinbarungen denkbar. "Derartige Angebote sind uns bislang allerdings kaum unterbreitet worden", sagte Schleert.

Beratung von Ärzten für Ärzte und Patienten

Worauf die Aussage von Schleert, dass man die apothekerliche Beratungskompetenz nicht brauche, stützen könnte, machte der Vortrag von Dieter Zocholl vom GesundheitsScout24 deutlich. Das Unternehmen ist auf Demand-, Disease- und contentbasiertes Care-Management spezialisiert und für eine Reihe von Kassen tätig (eine Übersicht der Kunden ist im Internet unter www.gesundheitsscout.de einsehbar).

Im Call Center von GesundheitsScout24 beantworten Fachärzte, Arzthelferinnen, Krankenschwestern und so genannte Call Center Agents im Auftrag der Kassen Patientenanfragen zur Gesundheit, Prävention sowie zu Erkrankungen und deren genereller Behandlung sowie zu allgemeinen Fragen der Krankenversicherung wie Adressänderungen, Auslandsreisekrankenscheinen, Versicherungsverhältnissen in der Familie etc. Die Mitarbeiter von GesundheitsScout24 melden sich dabei unter dem Namen und der Marke der entsprechenden Kasse, die Geschäftszeiten sind derzeit 7.00 bis 22.00 Uhr, geplant ist jedoch ein 24-Stunden-Service.

Den Vorteil seines Unternehmens gegenüber der Beratung durch Apotheken sieht Zocholl vor allem in der Größenordnung. So könne eine Krankenkasse in Zusammenarbeit mit GesundheitsScout z. B. bundesweite Beratungsaktionen starten, bei denen dann tausende Patienten pro Tag beraten würden. Derartige Aktionen seien mit einzelnen oder auch einem Zusammenschluss mehrerer Apotheken natürlich nicht zu bewältigen. Auch könne eine Apotheke keine Rund-um-die-Uhr-Beratung gewährleisten.

Insgesamt betrachtete Zocholl die Apotheken eher als "auslaufendes Modell" für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Gesetzt den Fall, dass das Fremdbesitzverbot falle, könne man über die Schiene Krankenkasse, Beratungsunternehmen, Logistiker alle notwendigen Bereiche für die Versorgung unabhängig von der Apotheke abdecken. Seine Einschätzung für die Zukunft lautete daher auch: "Letztendlich geht es um die Einsparung einer Handelsstufe. Und – es tut mir leid – diese Stufe sind die Apotheker."

Für die Krankenkassen – zumindest für die AOK – sind Apotheker als Partner bei Disease Management Programmen (DMP) und Integrierter Versorgung offenbar uninteressant. Wie Norbert Schleert als Vertreter des AOK-Bundesverbands auf dem vom managementforum veranstalteten Kongress "Apotheke 2003" am 3. September in Bad Homburg ausführte, sieht die AOK wenig Grund, entsprechende Verträge mit Apothekern abzuschließen.

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