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Software statt Apotheker (Kommentar)

Jedes Jahr kommen 57 000 Patienten auf internistischen Stationen durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen ums Leben – eine ungeheure große Zahl, die da Jürgen Frölich, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hochgerechnet hat und in einem Interview im Magazin "Stern" darstellt (Stern Nr. 37 vom 4. September). Aber selbst wenn es nur 8000 bis 16 000 Tote im Jahr sind, wie andere Untersuchungen berechnet haben, dann sind dies zu viele Patienten, die an einer weitgehend vermeidbaren Ursache sterben. Schaut man genauer hin, sind es Dosierungsfehler, aus Nachlässigkeit oder aus Unkenntnis der Ärzte, oder es werden Interaktionen zu wenig beachtet, so berichtet Frölich. Unterm Strich wäre jeder zweite Todesfall vermeidbar, vor allem diejenigen, die auf eine falsche Dosierung zurückzuführen sind.

Gefragt nach Abhilfe hat der Pharmakologie-Professor gleich mehrere Vorschläge, z. B. bessere Anpassung der Dosierung an den Patienten, mehr Lehrstühle für klinische Pharmakologie, um den Medizinern mehr über Arzneimittel beizubringen, und ein bundesweites Expertennetz zur Arzneimittelinformation, bei dem die Ärzte sich im Zweifelsfall informieren könnten. Damit sich die Ärzte aber keine Blöße geben müssten, wenn sie über solche Dingen nicht Bescheid wüssten (was nach Frölich "tatsächlich ein riesiges Problem" ist), ist die MHH zur Zeit dabei, für solche Fälle ein aktives Computerprogramm zu erarbeiten, das Patientendaten mit der verordneten Therapie abgleicht. "Bei Fehlern blinkt ein Warnsignal auf dem Bildschirm, so etwas wie 'Achtung Überdosis'".

Seltsam, an den Arzneimittelexperten per se, den Apotheker, scheint Frölich nicht zu denken. Denn: wäre das nicht genau eine Aufgabe, die auf den Krankenhausapotheker oder den Apotheker für klinische Pharmazie zugeschnitten ist? Sind das nicht Aufgaben, für die wir als Apotheker ausgebildet sind? Nebenwirkungen, Interaktionen, Dosierung, Berücksichtigung von pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Parametern bei der Arzneitherapie – das sollte doch unser täglich Brot sein, wenn, ja wenn die Damen und Herren Ärzte, die Damen und Herren Politiker das endlich einmal wahrnähmen oder wüssten, dass das genuine Apothekeraufgaben sind. Natürlich kann ein gutes Softwareprogramm hier wertvolle Unterstützung leisten oder diese Aufgaben vereinfachen, aber auch die Interpretation von Ergebnissen der Software-Berechnungen will verstanden sein. Was mich an solchen Äußerungen des Herrn Frölich betrübt oder zumindest nachdenklich stimmt, ist, dass er überhaupt nicht auf die Idee kommt, dass dafür Apotheker zuständig sein könnten.

Vielleicht, so muss ich selbstkritisch fragen, haben es wir Apotheker bzw. unsere Berufsvertretungen bisher nicht geschafft, das in den Köpfen von führenden Ärzten und Klinikchefs zu verankern. Irgendwie könnte da auch etwas in der Kommunikation unseres Berufsbildes nach außen und in Richtung anderer Heilberufe nicht stimmen. Ist es nicht schon immer unser Ziel, Hand in Hand mit dem Arzt sich um die Arzneimitteltherapie zu kümmern? Gerade im Krankenhaus gibt es die besten Voraussetzungen dafür. 57 000 Tote aufgrund falscher Arzneimittelanwendung sind einfach 57 000 Tote zu viel. Ich fordere: Apotheker statt Software!

Peter Ditzel

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