Die Seite 3

Mit dem "Kritik-vertragen" hat die ABDA so ihre Schwierigkeiten. Nachdem ich in meinem letzten Kommentar in der AZ Nr. 36 einige kritische Fragen zur berufs- und gesundheitspolitischen Strategie unserer Berufsvertretung stellte und öffentlich die Politik, die unsere ABDA-Spitze vertritt, hinterfragte, fühlte man sich in polemischer Weise von mir angegriffen und versuchte sich an einer Rechtfertigung. Es blieb bei einem Versuch, denn außer einigen verbalen Verrenkungen und inhaltsleeren Statements wusste man in Berlin keine zündenden Fakten dagegen zu halten. Zum Beispiel: Als "verächtlich" wurde mein Begriff "Konstrukt" für den künstlichen Zusammenschluss von Kammern und Verbänden bezeichnet. Abgesehen davon, dass der Begriff Konstrukt völlig wertfrei ist, bleibt eine Konstruktion übrig, wie sie es in unserem Vereins- und Verbändewesen in dieser Form kaum noch einmal gibt, die rechtlich gesehen mit keinerlei Entscheidungsbefugnis ausgestattet ist (die Ohnmacht eines ABDA-Apothekertages und die Wirkungslosigkeit von Beschlüssen führen es jährlich vor Augen). Das Hessische Ministerium hat bereits eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Hessische Landesapothekerkammer laufen, da die Mitgliedschaft der Kammer in der ABDA rechtlich fragwürdig ist. Die Hessische Landesapothekerkammer hat darauf hin – wie bereits erwähnt – die Zahlungen an die ABDA bis auf Weiteres halbiert. Ergo: Es ist und bleibt ein Konstrukt.

Nein, mir ist auch nicht daran gelegen, wie die ABDA-Stellungnahme meint, einen sinnlosen Streit loszutreten. Wenn schon, dann soll es ein sinnvoller Streit sein, eine notwendige Anregung zum Nachdenken, wenn möglich sogar zum Umdenken. Wir mussten anhand des politischen Ergebnisses zur Gesundheitsreform alle schmerzlich erkennen, dass die ABDA-Politik gescheitert ist. Wir haben nichts von dem erreicht, was wir uns vorgenommen hatten, wir müssen mit Versandhandel, Mehrbesitz, Preisfreigabe für OTC-Arzneimittel und einem bescheidenen Honorar von 6,10 Euro plus läppischen 3% leben (bzw. sterben). Ich wiederhole mich: Sich damit zu brüsten, es hätte alles noch viel schlimmer kommen können, ist für mich keine erfolgreiche Politik. Wir werden unsere "Zersplitterung" in die Interessensgruppen bekommen, nein, wir haben sie schon – letztendlich ist dies legitim, denn jede Gruppe benötigt spezielle Informationen und verfolgt besondere Interessen, die Versender, die Heime- und Krankenhaus beliefernden Apotheken oder die, die auf einen rationellen Einkauf für das OTC-Geschäft setzen. Diese "Zersplitterung" ist nicht negativ anzusehen oder gar als Schwächung, wie uns das ABDA-Statement weis machen will. Eine tatkräftige Führung, beispielsweise in Form einer starken, vorausschauenden und agilen Bundesapothekerkammer, könnte uns auf der politischen Bühne – und ganz wichtig: in der Öffentlichkeit, beim Patienten und Verbraucher – nachhaltiger vertreten als das Auslaufmodell ABDA. Also: wann, wenn nicht jetzt ist der Zeitpunkt für eine Neustrukturierung gekommen? Wir können nur noch gewinnen.

Noch ein paar Sätze zum Vorwurf, ich hätte die geleistete ABDA-Arbeit nicht gewürdigt: der läuft ins Leere, habe ich doch gerade würdigend hervorgehoben, dass in der Tat viele ABDA-Mitarbeiter wirklich mit großem Einsatz Stellungnahmen zu den Entwürfen ausgearbeitet haben. Aber Papiere und Stellungnahmen sind das eine, Gespräche und intensive Kontakte das andere. Und da bleibe ich bei meiner Formulierung: Es gibt Passagen im Gesetzesentwurf, zu deren Entschärfung nicht die ABDA, sondern andere Insider-Kreise maßgeblich beigetragen haben. Sich auf die beiden Kronzeugen Schmidt und Schröder zu berufen, die die Hartnäckigkeit der deutschen Apothekerschaft bei ihrer Interessensvertretung öffentlich beklagten, kann auch nach hinten losgehen. Hartnäckigkeit kann manchmal auch Aversionen auslösen – vielleicht wäre eine subtile, diplomatische Vorgehensweise besser gewesen.

Dass ich mit meiner Meinung nicht falsch liege, zeigen die zahlreichen zustimmenden Anrufe, Faxe und Mails – von Apothekerinnen und Apothekern, aber auch von vielen amtierenden und ehemaligen ABDA-Funktionären. "Ich würde jede Zeile Ihres Kommentars unterschreiben", hieß es da häufig.

Wir müssen einsehen, dass diese Politik eine andere Apotheke, eine andere Apothekenlandschaft will. Es nützt nichts mehr, sich dagegen zu stemmen. Wie diese neue Landschaft in ein paar Jahren aussehen könnte, davon kann man sich ein Bild machen, wenn man in Länder mit Versandhandel und Apothekenketten schaut. Meine Reise zum FIP-Kongress nach Sydney, Australien, nutzte ich auch, um mir die Apotheken dort anzusehen. Das australische Gesundheitswesen ist von den Systemen Englands und der USA beeinflusst und enthält Elemente beider Systeme. In Australien gibt es überwiegend Einzelapotheken, aber auch die großen Ketten. Während das Erscheinungsbild der kleinen Apotheken eher danach aussieht, als müssten sie ums Überleben kämpfen (viele Apotheken sind an einem Kodak-Schild mit dem Hinweis auf Filmschnellentwicklung zu erkennen; optisch im Mittelpunkt steht ein ausuferndes Randsortiment), geben sich die großen Kettenapotheken eher gelassener, aufgeräumter, straffer geführt. Eine gute Pharmazie wird sicher in beiden Kategorien gemacht. Versandhandel spielt eine untergeordnete Rolle und kommt eher für abgelegenere Gebiete Australiens zum Einsatz (Flächenstaaten). Die Pharmaceutical Society of Australia bietet hervorragende Schulungen und Trainingsprogramme an, kümmert sich um Fort- und Weiterbildung. Die Pharmacy Guild of Australia, der Verband der Apothekenbesitzer, unterstützt seine Mitglieder vorrangig in allen wirtschaftlichen Fragen.

Unsere ABDA, in Sydney vertreten durch den Präsidenten Friese, durch das Brüsseler Büro mit Frau Hof und den DAV-Vorsitzenden Keller, unterstützt durch Herrn Morck (PZ), Herrn Ulrich (Werbe- und Vertriebsgesellschaft) und Frau Petersen-Lehmann (Neue Apotheken Illustrierte) konnte sich ein Bild davon machen, wie die Apothekenlandschaft mit Mehrbesitz und Versandhandel aussehen wird. Und sich davon überzeugen, dass es in anderen Ländern auch ohne eine ABDA-ähnliche Organisation geht. Zeit zum Nachdenken darüber gibt es reichlich auf dem langen Rückflug.

Peter Ditzel

Anregung zum Nachdenken – nicht erwünscht?

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