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Zur Erinnerung: 200. Geburtstag von Ignaz Paul Keller

Zwischen Ulm und Donauwörth liegt am nördlichen Rand des Donaurieds die bayerische Kreisstadt Dillingen. Seit 1611 gab es hier eine Apotheke ("Obere Apotheke"). Die zweite Apotheke ("Untere Apotheke") eröffnete 1829 Ignaz Paul Keller. Zwei Jahrzehnte stand er seiner Apotheke vor. Anlässlich seines 200. Geburtstages soll daran erinnert werden, dass er auch ein Pionier der Fotografie war.

Ignaz Paul Keller wurde am 24. August 1803 in Haid (Böhmen, heute: Bor) als Sohn des österreichischen Militärunterarztes Johann Nepumuk Alois Keller (1774 – 1850) und der Tochter eines Wundarztes aus Dillingen geboren. Nach längerem Aufenthalt in der Fremde kehrte die Familie nach Dillingen zurück, wo der Vater von 1818 bis 1845 am Dillinger Gymnasium als Lehrer tätig war.

Nach der Schulzeit erlernte I. P. Keller den Apothekerberuf; etwa fünf Jahre betrug seine Lehr- und Gehilfenzeit in bayerischen Apotheken. 1825 legte er in München sein Apothekerexamen ab, und 1828 beantragte er bei der Regierung des Oberdonaukreises die Verleihung einer Konzession zur Errichtung einer Apotheke in Dillingen.

Am 1. Oktober 1829 eröffnete er seine Apotheke, der er auf behördlichen Wunsch ein chemisches Laboratorium anschloss. Zehn Tage vorher heiratete Keller die Gerichtsarzttochter Adelheid Bauberger (1800 – 1838); in zweiter Ehe war er mit seiner Schwägerin Theresia Candida Bauberger (1810 – 1883) verheiratet.

Forschung im Apothekenlabor

Keller führte in seinem Apothekenlaboratorium zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen durch; darüber berichtete er seit 1831 in Buchners "Repertorium für die Pharmacie" und im "Jahrbuch für die practische Pharmacie" (Salzige Verbindungen des Salicins, 1831; Neuer Inhaltsstoff der Eschenrinde, 1833; Quassiaextrakt, 1835; Eisenhaltige Quelle in Dillingen, 1836; Bieruntersuchungen, 1845; natürliche und künstliche Mergel und deren Anwendung in der Landwirtschaft, 1848, u. a.).

Neben seiner beruflichen Tätigkeit in der Apotheke übernahm er nach der Gründung der Landwirtschafts- und Gewerbeschule in Dillingen (1833) bis 1836 ehrenamtlich einen Lehrauftrag für Naturgeschichte und unterrichtete vorübergehend auch "Encyclopädie der Gewerbe" und Landwirtschaft.

Außer diversen Publikationen in Fachzeitungen schrieb Keller zwei dünne Bücher für eine "Handbibliothek für angehende Chemiker und Pharmazeuten, Schüler an technischen Anstalten und Dilettanten sowohl zum Lehrvortrag als zum Selbstunterricht", Kempten 1838. Band I behandelte die Stöchiometrie, Band II war eine kurze Anleitung zur chemischen Analyse. 1847 erschien in Nördlingen seine "Forst- und Ackerbau-Chemie", mit der er die Theorien Justus von Liebigs über die natürlichen und künstlichen Dünger und die Erfahrungen der Landwirte zusammenfasste.

Entdeckung der Fotografie

Wie kam nun der wissenschaftlich interessierte Apotheker Keller zu seiner Beschäftigung mit der Fotografie? Der Ausgangspunkt dieser Erfindung war die Camera obscura, die bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Malern und Naturwissenschaftlern als Zeichenkammer für naturgetreue Zeichnungen benutzt wurde.

1826 gelang es dem französischen Lithographen J. N. Niepce (1765 – 1833) nach zehnjährigem Experimentieren, mit einer solchen "Kamera" aufgenommenen Gegenstände auf lichtempfindlichen Bitumenschichten festzuhalten (Niepçotypie).

Nach seinem Tod arbeitete sein Sohn auf diesem Gebiet mit dem französischen Maler L. J. M. Daguerre (1789 – 1851) zusammen, der das Verfahren weiterentwickelte: Als lichtempfindliches Material verwendete er mit Silber beschichtete, polierte Kupferplatten, die er bei Dunkelheit mit Iod bedampft hatte, sodass sie mit einer dünnen Schicht Silberiodid (AgI) bedeckt waren.

Während der Belichtung in der Kamera zerfällt die lichtempfindliche Silberiodidschicht in verschieden starkem Ausmaß dort, wo Licht auftrifft. Nach der Belichtung entwickelte Daguerre die Platten in einer Dunkelkammer mit Quecksilberdampf, der sich mit dem elementaren Silber (nicht mit dem Silberiodid) zu einem weißlich-matten Amalgam verbindet, und entfernte anschließend mit einer starken Kochsalzlösung das unbelichtete Silberiodid.

Die Daguerreotypie ist ein seitenverkehrtes Unikat, da von der belichteten Platte keine Abzüge gemacht werden, sondern diese selbst das Bild ist. Man muss sie so betrachten, dass die Silberschicht sich in einer dunklen Fläche spiegelt – andernfalls erscheinen die unbelichteten Stellen hell wie auf einem Negativ.

Eine Erfindung wie das Ei des Kolumbus

Am 7. Januar 1839 wurde von dem Physiker D. J. F. Arago in der französischen Akademie der Wissenschaft die Erfindung von Daguerre bekannt gegeben, allerdings ohne Angaben zu technischen Details und zu den verwendeten chemischen Substanzen. Bereits am 16. Januar 1839 berichtete die "Augsburger Allgemeine Zeitung" unter der Überschrift "Daguerres Fixation in der Camera obscura" über diese Erfindung.

Darauf schrieb Keller am 22. Januar 1839 einen Leserbrief, den er mit "Anonymus K" unterzeichnete, zu diesem Thema, der am 27. Januar 1839 in der "Augsburger Allgemeinen Zeitung" und am 1. Februar 1839 im "Allgemeinen Anzeiger der Nationalzeitung der Deutschen" gedruckt wurde.

Darin heißt es: "Während ich den Vortrag des Hrn. Arago über diesen Gegenstand las, ging es mir wie den Neidern des Columbus, als er das Ei feststellte; ich dachte: o, diese Entdeckung hättest du längst auch machen können, wenn – du nur daran gedacht hättest. –

Ich ging sogleich nach Hause, pfuschte mir, so gut es gehen wollte, aus einer kleinen Linse eine Camera obscura zusammen, präparirte statt einer Metallplatte ein Stückchen Postpapier, und in einer Viertelstunde war das Fenster meines Zimmers sammt seiner Aussicht auf das Haus gegenüber wie die schönste zarteste Tuschzeichnung auf das Papier fixirt.

Seitdem wurde das Experiment zweimal und zwar unter den ungünstigsten Verhältnissen, bei dem jetzt stets getrübten Himmel, dennoch mit entsprechendem Erfolge wiederholt, so daß ich gewiß bin, die Kunst des Herrn Daguerre nun ebenfalls zu besitzen. – Mir liegt nun nur daran, daß sobald als möglich bekannt werde, daß man in Deutschland bereits hinter das Geheimniß gekommen sey.

Ueber der Ehre meines Vaterlandes verzichte ich gern auf die Eitelkeit, daß mein Name genannt werde. Die Nennung des Körpers, mit welchem der Grund vorbereitet werden muß, bitte ich fürs erste mir zu lassen, damit der gute Daguerre nicht durch mich um die Früchte seiner Mühe und Auslagen gebracht werde."

Leider existieren heute keine von Kellers Aufnahmen mehr. Auch ist nicht bekannt, ob er sich weiterhin mit der Praxis und der Theorie der Fotografie beschäftigt hat. Jedenfalls war er derjenige, der auf Anhieb das chemische Grundprinzip, welches von Daguerre geheimgehalten wurde, gelöst hatte.

Keller, den seine Kollegen wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen schätzten, wählte man zum Vorsteher des Apothekergremiums des Regierungsbezirks Schwaben und Neuburg. Er war korrespondierendes Mitglied der Pharmazeutischen Gesellschaft der Pfalz und beteiligte sich kurz vor seinem Tod an der Gründung des Süddeutschen Apothekervereins.

Auch im kommunalen Bereich hat er sich eingesetzt: Er war von 1839 bis 1845 Bürgermeister von Dillingen und Oberleutnant der städtischen Bürgerwehr.

Am 14. Januar 1849 verstarb Ignaz Paul Keller an einer Gehirnhautentzündung. Als vermutlich erster Anwender der Daguerreotypie in Deutschland hat er seinen Platz in der Geschichte der Fotografie.

Literatur

Poggendorff I, Sp. 1839. Augsburger Allgemeine Zeitung vom 16. und 27. Januar 1839. Armin Wankmüller: Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Apotheker I. P. Keller. In: Veröff. Int. Ges. Gesch. Pharm. N. F. Bd. 40, Stuttgart 1973, S. 177 – 181. Deutsche Apotheker-Biographie, Bd. 1, Stuttgart 1975, S. 315 (A. Wankmüller). Hans Böhm: Der Dillinger Apotheker Ignaz Paul Keller. In: Jahrb. Hist. Ver. Dillingen 81 (1978), S. 410 – 421. Heinz Gebhardt: Königlich bayerische Photographie 1838 – 1918. München 1978, S. 51f.

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