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Nepper, Schlepper, Bauernfänger – sie wittern neue Chancen. Ihr Ziel derzeit ist außergewöhnlich: Apothekerinnen und Apotheker. Geschäftemacher, die sich für besonders clever halten, legen Leimruten aus. Sie versuchen die allenthalben unter den Pharmazeuten spürbare Verunsicherung auszunutzen – eine Verunsicherung, die nur zu verständlich ist: Versandhandel, Mehrbesitz, Preisfreigabe im OTC-Sektor, Öffnung der Krankenhausapotheken für die ambulante Versorgung – alles kommt.

Allerdings kommt manches wohl nicht ganz so, wie es sich Rotgrün ursprünglich ausgedacht hatte. Ein intensiverer Blick in den nach den Konsensverhandlungen fertig gestellten Arbeitsentwurf (und seine Begründung!) lässt dies erkennen. Dies als Erfolg der Apothekerseite verkaufen zu wollen, ist freilich abenteuerlich.

Aber immerhin: So manche Blütenträume von vermeintlich wohlmeinenden Geschäftemachern, die im Versand oder in Apothekenketten oder im Eindringen der Krankenhausapotheken in die ambulante Versorgung ein nicht nur virtuelles, sondern sehr reales Geschäft witterten, werden sich wohl doch schwerer realisieren lassen, als einerseits erhofft und andererseits befürchtet.

Den Apothekern ist deshalb anzuraten, jetzt nicht in Panik vorschnelle Bindungen einzugehen. Der suggerierte Zeitdruck existiert nicht. Manche Angebote sind zudem reichlich skurril. Auch seiner Kollegen darf man sich nicht immer sicher sein.

Was zum Beispiel ist davon zu halten, wenn die Sanicare-Apotheke Bad Laer, die immer schon ein großes Rad dreht und von dem (so hört man) SPD-Mitglied Mönter gemanaged wird, per FAZ-Anzeige andere Apotheken als Kooperationspartner für den Arzneimittelversand sucht? Verträge mit Lieferanten und Krankenkassen seien "verhandelt". Die Kooperationspartner sollen "in Form eines Art Franchisesystems" vor Ort die kompetente pharmazeutische Beratung sicherstellen und sich ansonsten des Logistikzentrums und Belieferungs-Know-hows von Sanicare bedienen. Wie selbstlos!?

So einfach wird das alles wohl nicht. Versandapotheken können, jedenfalls im Inland, nur auf Basis einer ordentlichen Betriebserlaubnis für eine öffentliche Apotheke betrieben werden. Gleiches gilt für die limitierte Zahl von Filialapotheken. Stille Gesellschaften bleiben verboten.

Die "Eingrenzung auf maximal vier Apotheken und zusätzlich einen Kreis oder angrenzenden Kreis" sei "notwendig" (so heißt es in der Begründung), um dem Betreiber der Apotheken (der Apotheker sein muss und eine seiner Apotheke selbst führen muss) "eine effektive Kontrolle der Filialapotheken zu ermöglichen. Damit solle "auch weiterhin die persönliche Verantwortung des Apothekers für seine Apotheken gestützt und die Beeinflussung durch Dritte verhindert werden".

Der Apotheker als Betreiber mehrerer Apotheken bzw. einer Versandapotheke bleibt selbst, auch finanziell, voll im Risiko. Vorsicht: Filialapotheken rechnen sich i.d.R. erst ab einem deutlich überdurchschnittlichen Umsatz und v. a. Rohertrag.

Durch die Ausgestaltung der Mehrbesitzerlaubnis solle "im Hinblick auf den Verbraucherschutz, die Arzneimittelsicherheit und die Versorgungssicherheit" der Fremdbesitz von öffentlichen Apotheken weiter verhindert werden. Hinter die These, dass dem Mehrbesitz zwingend der Fremdbesitz folge, gehören nach solchen Formulierungen zumindest einige dicke Fragezeichen – welch ein Ärgernis für Großhandlungen und andere, die gern auch in Deutschland mit Apothekenketten zusätzliche Geschäfte machen würden.

Nachdenklich stimmt freilich noch immer, dass Krankenkassen sich für die Beteiligung an den sogenannten besonderen Versorgungsformen einzelne Apotheken herauspicken und diese durch Einzelverträge privilegieren können. Das ist – trotz formeller Ausschreibung – eine korruptionsfördernde Wettbewerbsbeschränkung; die freie Apothekenwahl der Patienten wird unnötig einschränkt.

Hier bleibt zu fordern, dass über Verträge mit den Apothekerverbänden alle Apotheken bei besonderen Versorgungsformen mitwirken können, sofern sie die geforderte qualitätsgesicherte Beratung der Versicherten leisten können.

Eigentlich skandalös ist, dass – um den Arzneiversand durchsetzen zu können – sogar eine generelle Verschlechterung der Versorgung der Patienten in Kauf genommen wird. Die bisherige Verpflichtung der Apotheken, Verschreibungen "unverzüglich" (also ohne vermeidbares Zögern) zu bedienen, entfällt. Es reiche, wenn die Verordnung "in einer der Verschreibung angemessenen Zeit" ausgeführt werde.

Damit werde auch einer Ungleichbehandlung mit den Regelungen zum Versandhandel vorgebeugt. Das stimmt nicht ganz. Denn der Arzneiversender darf sich nach Eingang einer Bestellung weiterhin (man höre und staune!) zwei Tage Zeit lassen, bevor er sie auf den Weg bringt – und auch das muss er nur, "soweit er das Arzneimittel in dieser Zeit zur Verfügung hat".

Die Frist von zwei Tagen reiche, "weil der Besteller bei dem derartigen Arzneimittelhandel von einer längeren Frist bis zum Erhalt der Bestellung aufgrund der damit verbundenen Abwicklungen rechnen" müsse. Letzteres stimmt. Es bleibt zu hoffen, das die Patienten solche Verschlechterungen als unangemessen und unnötig ansehen. Wo bleibt eigentlich der Protest der Verbraucherverbände?

Klaus G. Brauer

Falsche Propheten

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