Analytik

V. Glaab, M. IhrigParacetamol 500 mg Tabletten im Ve

In Deutschland wurden im Jahr 2001 155 Millionen Packungen Analgetika verkauft. Vier Monopräparate mit dem Wirkstoff Paracetamol zählen zu den 20 meistverkauften Schmerzmitteln, ein Präparat nimmt Position 1 dieser Auflistung ein [1]. Aufgrund der Marktbedeutung des Wirkstoffs hat das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) eine vergleichende Reihenuntersuchung zur pharmazeutischen Qualität von Fertigarzneimitteln durchgeführt, die Paracetamol enthalten.* Da Paracetamol eine gut lösliche und gut permeable Substanz ist, lässt die pharmazeutische Qualität der Präparate Rückschlüsse auf ihre klinische Wirksamkeit zu.

In die Studie wurden alle 24 Monopräparate (Tabletten) mit einer Einzeldosis von 500 mg einbezogen, die zum Prüfdatum im Handel zur Verfügung standen. Es wurden die pharmazeutischen Qualitätsmerkmale Identität, Gehalt und Freisetzung geprüft.

Im Rahmen des biopharmazeutischen Klassifizierungssystems (BCS) ist der Wirkstoff Paracetamol in die Klasse I, Substanzen mit guter Löslichkeit und guter Permeabilität, einzuordnen [8, 9]; die Absorption (Bioverfügbarkeit) entsprechender Stoffe ist im wesentlichen von der Geschwindigkeit der Magenentleerung abhängig.

Die Einstufung in Klasse I ist eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz des BCS-Konzepts als Surrogat des klinischen Nachweises der Bioäquivalenz eines Präparates unter regulatorischen Aspekten. Das BCS-Konzept wird in der Literatur ausführlich dargestellt [10 – 21].

Pharmakologie

Bei Paracetamol handelt es sich um ein Anilinderivat, welches bereits 1878 synthetisiert wurde. Die pharmakologische Bedeutung liegt in der analgetischen und antipyretischen Wirkung der Substanz. Nach oraler Gabe erfolgt eine rasche Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt; die Bioverfügbarkeit liegt bei über 90%. Die maximale Konzentration im Blut wird nach 30 bis 60 Minuten erreicht. Die Metabolisierung erfolgt in der Leber. Es entstehen Konjugate mit Glucuronsäure (55%), Schwefelsäure (30%) und Glutathion (5%). 10% der Substanz werden nicht metabolisiert und unverändert renal ausgeschieden [22].

Neuere Untersuchungen zeigen, dass Paracetamol auch Einfluss auf die Synthese von Prostaglandinen hat. Von den drei Prostaglandin-Synthasen COX-1, COX-2 und COX-3 wird in erster Linie COX-3 durch Paracetamol inhibiert [23 – 24].

In hohen Dosen (10 – 15 g) bzw. bei unzureichender Metabolisierungsaktivität der Leber kann es zu einer Glutathiondepletion kommen und in ihrer Folge zu einer Anreicherung des aktiven Metaboliten N-Acetyl-imidochinon, der mit zellulären Proteinen reagiert und lebensgefährliche Leber- und Tubulusnekrosen verursachen kann [25].

Material und Methoden

Alle in die Untersuchung einbezogenen Fertigarzneimittel (Tab. 1) wurden über den pharmazeutischen Fachhandel bezogen. Die Untersuchungen erfolgten nach einer in Anlehnung an die Monographie zu Paracetamol Tabletten im US-amerikanischen Arzneibuch (USP) erstellten ZL-Prüfanweisung.

Zusammensetzung Arzneistoff Paracetamol Synonym: – Parazetamol, ÖAB – 4'-Hydroxyacetanilid, IUPAC – Acetaminophen, USP – 4'-Hydroxyacetanilide, WHO Strukturformel: Summenformel: C8H9NO2 Molekulargewicht: 151,16 CAS-Nr.: 103-90-2 Hilfsstoffe (Beispielhaft für Doloreduct 500 Tabletten von der Firma Azupharma) Croscarmellose Natrium Stearinsäure Cellulose Siliciumdioxid

Durchschnittlicher Arzneistoffgehalt/Identitätsbestimmung

Aus einem Mischmuster von 20 sorgfältig pulverisierten Tabletten wurde ein Aliquot, das 100 mg Paracetamol enthält, genau eingewogen und in einen 200-ml-Messkolben überführt. Anschließend wurden ca. 100 ml mobile Phase dazugegeben und die Lösung für 10 Minuten maschinell geschüttelt und folgend für 5 Minuten ins Ultraschallbad gestellt. Nach Auffüllen des Messkolbens bis zur Markierung mit mobiler Phase wurde die Stammlösung 1 : 50 verdünnt (Arbeitslösung) und filtriert, wobei die ersten 10 ml des Filtrats verworfen wurden. Das Filtrat wurde per HPLC analysiert.

Die Quantifizierung des Arzneistoffs erfolgte mittels HPLC-UV bei einer Wellenlänge von 243 nm über eine Einpunktkalibrierung. Die Identität wurde über den Vergleich der Retentionszeiten (RT Probe = RT Standard ± 5%) bestimmt. Als stationäre Phase kam eine LiChrospher RP-Select B 5 µm C-18 Säule (250 x 4 mm) zum Einsatz.

In-vitro-Freisetzung

Die In-vitro-Freisetzung wurde mit einer Blattrührerapparatur (n = 6) in Phosphatpufferlösung (pH 5,8) bei 37 °C durchgeführt. Die Agitation betrug 50 Umdrehungen pro Minute, die Probenentnahme erfolgte nach 5, 15, 30 und gegebenenfalls bei unzureichendem Zerfall nach 45 min. Die Proben für jeden Prüfzeitpunkt von 4 ml wurden filtriert und nach einer 1 : 55-fachen Verdünnung spektralphotometrisch bei einer Wellenlänge von 243 nm vermessen. Die Berechnung der freigesetzten Arzneistoffgehaltes erfolgte über eine lineare Regression und anschließenden Bezug auf die deklarierte Arzneistoffmenge:

y = m Ctx + b ↔ Ctx = y-b/m b = Steigung m = y-Achsenabschnitt Ctx = Konzentration [µg/ml] y = Absorption der Probelösung

Ergebnisse

Die Ergebnisse dieser Reihenuntersuchung wurden vor der Veröffentlichung den betreffenden Herstellern zur eventuellen Stellungnahme übersandt. Mit einer Ausnahme (s. Tab. 2) erhielten wir keine Stellungnahmen.

Durchschnittlicher Arzneistoffgehalt

Die Gehaltsbestimmung ergab für alle untersuchten Fertigarzneimittel einen Arzneistoffgehalt, der den Vorgaben der Arzneimittelprüfrichtlinien (95 bis 105% der Deklaration) entspricht. Die Messwerte liegen in einem Bereich von 97,2 bis 102,1% der Deklaration (Tab. 2; die Ergebnisse der drei Präparate mit abgelaufenen Verfalldaten wurden nicht bewertet).

In-vitro-Freisetzung

Das in der USP geforderte Ausmaß der In-vitro-Freisetzung (80% des deklarierten Wirkstoffgehaltes innerhalb von 30 min) wurde von allen Präparaten erfüllt (Tab. 2). Entsprechend den Anforderungen des biopharmazeutischen Klassifizierungssystems BCS sind schnell freisetzende Arzneiformen durch eine In-vitro-Freisetzung von mindestens 85% der Deklaration innerhalb von 30 min charakterisiert. Wird diese Arzneistoffmenge bereits innerhalb von 15 min freigesetzt, so ist kein statistischer Vergleich (z. B. mittels F2-Test) zwischen Präparaten erforderlich, da Gleichheit der In-vitro-Freisetzung angenommen wird. Unter dieser Annahme sind von den 21 Produkten 20 schnell freisetzend, und davon können wiederum 18 als gleich angesehen werden. Die Freisetzungsprofile sind in Abbildung 1 zu sehen.

Diskussion der Ergebnisse

Die Ergebnisse zur pharmazeutischen Qualität der Produkte zeigen, dass alle untersuchten Präparate in ihrem Gehalt innerhalb der geforderten Spezifikation liegen. Die Spezifikation des Freisetzungsverhaltens der Produkte (nach USP) wird ebenfalls von allen Präparaten erfüllt. Der Anforderung des BCS an schnell freisetzende Präparate (Freisetzungsrate nach 30 min ≥ 85%) wird bis auf eine Ausnahme ebenfalls von allen Präparaten entsprochen.

Inwieweit die Freisetzungsprofile der Proben gleich sind, lässt sich nicht für alle Präparate beurteilen. 18 der 21 Fertigarzneimittel verhalten sich gleichermaßen, da sie bereits nach 15 Minuten mehr als 85% ihres deklarierten Gehaltes freisetzen. Die Möglichkeit des statistischen Vergleiches zur Festlegung der Äquivalenz der übrigen drei Präparate ist aufgrund der geringen Datenmenge (n = 6) nicht gegeben.

Danksagung:

Für die sorgfältige Durchführung der experimentellen Arbeiten danken wir Frau Heike Sütterlin und Frau Ays e Aksit.

Literatur

[1] Glaeske G: Schmerzmittelverbrauch in Deutschland – Überwiegend auf Selbstmedikation zurückzuführen. zph-info 3 (2003). [2] Potthast H, Haufe S, Glaab V: Acetylsalicylsäure-Präparate im Vergleich. Pharm. Ztg. 148 (2003) 644 – 647. [3] Möller H, Bastian B, Winter S, Potthast H: Valproat/Valproinsäure-haltige Arzneimittel im Test. Pharm. Ztg. 147 (2002) 2676 – 2684. [4] Potthast H, Winter S, Möller H: Ibuprofen-Präparate im Vergleich. Pharm. Ztg. 147 (2002) 2086 – 2090. [5] Potthast H, Cha E, Bastian B, Möller H: Omeprazol Fertigarzneimittel im Vergleich. Pharm. Ztg. 147 (2002) 20 – 24. [6] Potthast H, Mircioiu I, Bastian B, Möller H: Biopharmazeutische Charakterisierung von Diclofenac-Präparaten. Pharm. Ztg. 146 (2001) 3951 – 3954 und 4204. [7] Potthast H, Mircioiu I, Möller H: Biopharmazeutische Charakterisierung von Propranolol-Präparaten. Pharm. Ztg. 146 (2001) 574 – 578. [8] Irvine JD, Takahashi L, Lockhart K, Cheong J, Tolan JW, Selick HF, Grove JR: MDCK (Madin-Darby canine kidney) cells: A tool for membrane permeability Screening. J Pharm Sci 88 (1) (1999) 28 – 33. [9] Pelkonen O, Boobis AR, Gundert-Remy U: For Members of Working Group 1 of the Action COST B 15 and for the Invited COST B15 Experts, In Vitro Prediction of Gastrointestinal Absorption and Bioavailability, COST B 15 Meeting, Berlin, May 5 – 6, 2000. [10] Amidon GL, Lennernäs H, Shah VP, Crison JR: A Theoretical Basis for a Biopharmaceutic Drug Classification: The Correlation of In Vitro Drug Product Dissolution and In Vivo Bioavailability. Pharm Res 12 (1995) 413 – 419. [11] FDA Guidance for Industry: Waiver of In Vivo Bioequivalence Studies for Immediate Release Solid Oral Dosage Forms Containing Certain Active Moieties/Active Ingredients Based on a Biopharmaceutics Classification System. August 2000, CDER/FDA. [12] Note for Guidance on the investigation of bioavailability and bioequivalence. CPMP/EWP/QWP/1401/98. [13] Möller H, Potthast H: Biopharmazeutische Charakterisierung von Arzneistoffen und Fertigarzneimitteln. Pharm. Ztg. 144 (1999) 1640. [14] Bekanntmachung über die Zulassung nach § 21 des Arzneimittelgesetzes (Bioverfügbarkeit/Bioäquivalenz) vom 18. Dezember 2002. BAnz. vom 25. März 2003, 5296. [15] Yee S: In Vitro Permeability Across Caco-2 Cells Can Predict In Vivo (Small Intestine) Absorption in Man – Fact or Myth. Pharm Res 14 (1997) 763 – 766. [16] Pade V, Stavchansky S: Link between Drug Absorption Solubility and Permeability Measurements in Caco-2 Cells. J Pharm Sci 87 (1998) 1604 – 1607. [17] Gres M-C, Julian B, Bourrie M, Meunier V, Roques C, Berger M, Boulenc X, Berger Y, Fabre G: Correlation Between Oral Drug Absorption in Humans, and Apparent Drug Permeability in TC-7 Cells, A Human Epithelial Intestinal Cell Line: Comparison with the Parental Caco-2 Cell Line. Pharm Res 15 (1998) 726 – 733. [18] Artursson P, Karlsson J: Correlation between oral drug absorption in humans and apparent drug permeability coefficients in human intestinal epithelial (Caco-2) cells. Biochem Biophys Res Commun 175 (1991) 880 – 885. [19] Yamashita S, Furubayashi T, Kataoka M, Sakane T, Sezaki H, Tokuda H: Optimized conditions for prediction of intestinal drug permeability using Caco-2 cells. Eur J Pharm Sci 10 (2000) 195 – 204. [20] International workshop on the Biopharmaceutics Classification System: Scientific and Regulatory Aspects in Practice, 8. – 9. Oktober 2001, London, GB. [21] Workshop "Accelerating Drug Development: Biorelevant Dissolution and Impact of New BABE Guidances", 31. Januar/1. Februar 2002, Princeton, USA. [22] Jurna I: Analgetika in "Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie" (Hrsg.: W Forth, D Henschler, W Rummel, K Starke). Urban & Fischer, München 1993, 200 – 224. [23] Bazan NG, Flower RJ: Lipid Signals in Pain Control. Nature 420 (2002) 135 – 138. [24] Chandrasekharan NV, Dai H, Lamar Turepu Roos K, Evanson NK, Tomsik J, Elton TC, Simmons DL: COX-3, a cyclooxygenase-1 variant inhibited by acetaminophen and other analgesic/antipyretic drugs: Cloning, structure, and expression. Proc Natl Acad Sci 99 (2002) 13 926 – 13 931. [25] Paracetamol in "Arzneistoff-Profile". Govi Verlag Pharmazeutischer Verlag, Frankfurt am Main, 12. Erg.-Lieferung November 1997.

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