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Waldbrände: Zwischen Feuerökologie und Katastrophenschutz

Die Wälder in Europas Süden brennen an immer mehr Stellen. In Deutschland werden wöchentlich neue Hitzerekorde gemeldet. Das Hoch Michaela sorgt für Rekordtemperaturen und soll durch ein neues Hoch abgelöst werden. Die Waldbrandgefahr in Deutschland wächst deshalb täglich. Der Schutz der Wälder ist eine gewaltige Aufgabe, die nur systematisch gelöst werden kann.

Australiens Waldbrände sind "normal"

Seitdem es Menschen gibt, nutzen sie das Feuer. Die ältesten bekannten Brandpraktiken, die schon für die Zeit vor 60 000 Jahren nachgewiesen sind, sind die der Ureinwohner Australiens. Deshalb sind die dortigen Waldgesellschaften, Savannen und Buschländer gut an das Feuer angepasst. Die über 500 Eukalyptusarten sind außerordentlich feuertolerant. Andererseits brennen ihre Blätter durch den hohen Gehalt an ätherischen Ölen besonders gut. In den Jahren 1998 bis 2000 wurden in Australien 345 000 Feuer auf einer jährlichen Brandfläche von mehr als einer halben Million Quadratkilometern registriert. Feuer ist dort also ein normaler Bestandteil der Ökologie.

Dass in den letzten Jahren die Großstädte an der Westküste Australiens zunehmend von Feuer bedroht worden sind – die Weihnachtsfeuer 2001 hatten eine Front von 1300 km Länge –, hat damit nichts zu tun. Denn die Holzhäuser passen nicht in die Buschlandlandschaft.

Katastrophale Waldbrände weltweit

Der Wald ist das Symbol einer erhaltens- und schützenswerten Natur. Die großflächige Zerstörung der Urwälder durch Brandrodung und systematisches Abholzen ist seit langem ein ökologisches Thema ersten Ranges. Umso trauriger stimmen die aktuellen Berichte über die brennenden Wälder im Süden Europas, in Nordamerika und in Sibirien. Allein in Portugal wird der derzeitige Schaden bereits auf über eine Milliarde Euro geschätzt. Die ökologischen Schäden sind ohnehin nicht zu beziffern (Tab. 1).

Die großen Brände in Südamerika, in Süd- und Südostasien der Jahre 1997 und 1998 haben darüber hinaus gezeigt, dass ihre Emissionen – Aerosole, Aschen und Rauch mit Schwefel- und weiteren Verbindungen – die Gesundheit der betroffenen Menschen erheblich belasten. Allein in Indonesien sind damals 9 Mio. ha Wald verbrannt. Zumindest das regionale Klima kann beispielsweise durch die starke Aerosolbildung jahrelang beeinträchtigt werden.

Waldbrand ist nicht gleich Waldbrand

Brennt der Wald, können Blitzschlag oder Selbstentzündung die Ursache sein. In anderen Ländern kommen vulkanische Aktivitäten hinzu. Der Mensch sorgt durch vorsätzliche Brandstiftung oder achtlos weggeworfene Zigarettenstummel, durch Grillfeuer oder die Hitze eines Katalysators, der das trockene Gras unter dem Auto in Brand setzt, für weitere Entzündungsherde. In so extrem trockenen und heißen Sommern wie diesem kann ein solches Feuer zur Katastrophe eines großen Waldbrandes führen.

Doch ein kleiner Brand im Wald muss nicht in jedem Falle sofort gelöscht werden. Denn es hat sich gezeigt, dass regelmäßige kleine Feuer den Wald daran hindern, immer mehr Totholz aufzutürmen. Je mehr abgestorbene Äste, Büsche und Bäume im Wald liegen, umso größer ist die Gefahr, dass der ganze Wald bei einem Feuer zerstört wird. Und Feuer ist nicht gleich Feuer.

Schwelbrände im Boden, so genannte Erdfeuer, entstehen unter einer organischen Deckschicht wie zum Beispiel Torf. Sie wirken auf einen Wald verheerend, denn sie zerstören die Wurzeln der Bäume, Sträucher und Gräser. Die Regeneration des Waldes dauert entsprechend lange. Dichtes Unterholz und trockene Streu sind der Stoff für die Boden- oder Lauffeuer. Das Feuer mineralisiert die organische Auflage sehr schnell. Dadurch werden zwar nachfolgend mehr Nährstoffe ausgewaschen als üblich, da die Wurzeln und die Ton-Humus-Komplexe teilweise zerstört werden. Andererseits wird der Boden gedüngt und das Keimen der Samen gefördert. Mehr Licht dringt bis auf den Boden vor. Auf diese Weise sorgt ein Bodenfeuer für neues Leben, das sich auf den freigeräumten Flächen entfalten kann. Die Schädigung der Bäume durch Lauffeuer hängt ab von der Baumart (u. a. Dicke der Rinde) und vor allem von der Menge brennbaren Unterholzes.

Gibt es zu viel brennbares Unterholz, schlägt der Brand in den Kronenbereich und pflanzt sich rasend schnell fort. Dieses Kronenfeuer kann gemeinsam mit dem Bodenfeuer als Vollfeuer einen Bestand vollständig zerstören, da nun auch Blätter, Nadeln und Knospen verbrennen. Bei einem Vollfeuer nützen ein paar Wasserspritzen nichts mehr. Spezialisten müssen anrücken, um mit Raupen und Sprengmitteln Schneisen in die Wälder zu schlagen und die weitere Ausbreitung des Brandes zu verhindern. Steht der Wind günstig, werden Gegenfeuer gelegt, um der rasenden Glut die Nahrung zu nehmen.

Feuerökologie

Seit etwa dreißig Jahren werden das Zusammenspiel von Natur und Feuer und die Einwirkung des Menschen auf diesen Zusammenhang systematisch untersucht. Die Arbeitsgruppe Feuerökologie von Professor Johann Georg Goldammer am Max-Planck-Institut für Chemie in Freiburg hat hier eine weltweit führende Position erreicht. Goldammer gründete das "Global Fire Monitoring Center", um mittels Wettersatelliten die Naturfeuer der Welt zu beobachten.

Unter Leitung der Vereinten Nationen soll nun eine internationale Eingreiftruppe aufgestellt werden, die aus Feuerökologen und Brandexperten für Naturfeuer bestehen wird. Denn es geht nicht nur um die Eindämmung entstehender Brände. In jedem Falle muss auch die ökologische Funktion des jeweiligen Feuers berücksichtigt werden.

Waldbrandmodelle

In Deutschland, das kein typisches Waldbrandgebiet besitzt, ist der systematische Schutz vor Waldbränden schon weit gediehen. Seit den 1970er-Jahren werden Waldbrandversuche durchgeführt, um das Geschehen besser zu verstehen und Schäden vorbeugen zu können. Kontrolliertes Brennen, neue Löschmittel und -taktiken sind ebenso getestet worden wie weltraumgestützte Brandsensoren. Es wurden verschiedene Waldbrandmodelle entwickelt, doch das Verhalten des Feuers in vielen Waldgesellschaften wird noch kaum verstanden.

So müssen die Kiefernbestände verschiedener Altersklassen differenziert erforscht werden, um geeignete waldbauliche Schutzmaßnahmen entwickeln zu können. Beängstigend ist hier die zunehmende Vergrasung des Waldbodens durch den Stickstoff- und Kalkeintrag. Gras und abgestorbenes Gras sind die Hauptträger einer Feuerfront und sorgen für eine rasend schnelle Ausbreitung und für eine größere Länge der Flammen. Auch sollten in gefährdeten Gebieten – die Wälder Brandenburgs sind hier vor allem gemeint – die Waldränder dicht bepflanzt werden, um die bodennahe Windgeschwindigkeit zu reduzieren.

Gefahrenprognosen

Für ganz Deutschland stellt der Deutsche Wetterdienst während der Waldbrandsaison von März bis Oktober (vgl. Tab. 2) täglich aktualisierte Waldbrandgefahrenprognosen bereit. Nach dem in der DDR entwickelten Modell M-68 werden diese Prognosen berechnet und auch teilweise ins Internet gestellt. Es gehen meteorologische Daten ein und die Zustände der Vegetationen, beispielsweise die phänologische Entwicklung des Waldbodenbewuchses und des Kronenraumes. Die Waldlandschaften werden dabei je nach Zündanfälligkeit in drei Klassen eingeteilt. Es bleibt zu hoffen, dass die Behörden alles richtig machen und niemand gedankenverloren einen Wald anzündet. Die Folgen könnten verheerend sein.

Brandwirtschaft

Die Brandwirtschaft zur Schaffung und Erhaltung von Weideland war zwischen Skandinavien und dem Ural bis ins 20. Jahrhundert verbreitet. Ortsnamen wie Kollmarsreute, Flammenberg oder Brandenberg im Schwarzwald künden noch heute von diesem Verfahren auch in Deutschland.

Brennstoff Unterholz

Dichtes Unterholz und viele tote Bäume befördern die Waldbrandgefahr erheblich. Die aufgeräumten Wälder Deutschlands stehen deshalb ganz gut da. In den großen urtümlichen Wäldern Sibiriens und Nordamerikas räumen kleinere Feuer das Totholz weg und schaffen so Platz für neues Leben. Je länger es diese kleinen, ökologisch sinnvollen Feuer nicht gibt, umso mehr Totholz baut sich auf und liefert den Brennstoff für die Katastrophe eines großen Waldbrandes, der nicht mehr kontrolliert werden kann.

Artenschutz durch Abflämmen

Die Winzer am Kaiserstuhl müssen die Böschungen ihrer terrassierten Weinberge ganz besonders pflegen. Die wiesenartigen Flächen sind früher durch Flämmen des verdorrten Grases in den frostigen Wintermonaten freigehalten worden. Das vor etwa 30 Jahren erlassene Flämmverbot führte zur Verbuschung vieler Flächen und entzog so vielen licht- und wärmeliebenden Pflanzenarten wie der Kaiserstuhlanemone (Anemone sylvestris) und Tierarten wie der Gottesanbeterin (Manthis religiosa) einen großen Teil des Lebensraumes. In einem Großversuch wird derzeit die Wirkung des Flämmens auf Flora und Fauna untersucht, um das Verbot aufheben zu können.

Waldbrand im Netz

  • Global Fire Monitoring Center (GFMC) – Alles zum Thema, auf englisch www.fire.uni-freiburg.de
  • Waldbrandgefahrenindex www.agrowetter.de/Agrarwetter/waldix.htm
  • Simulation des zweidimensionalen selbstorganisiert kritischen Waldbrandmodells www1.physik.tu-muenchen.de/lehrstuehle/T34/Wbm2d.html
  • Feuerökologie www.forst.uni-freiburg.de
  • Kanadisches Waldbrandaustreterspiel http://home.t-online.de/home/Schroeder_Bochert/kwa_kde.htm
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