Analytik

M. KeusgenBiosensoren in der Pharmazie – Funkt

Biosensoren wurden in den vergangenen Jahren für vielfältige analytische Aufgaben entwickelt. Dabei stehen Anwendungen aus dem klinisch-medizinischen Bereich, der Fermentationskontrolle, der Qualitätskontrolle von Lebensmitteln und der Umweltanalytik im Vordergrund. Jedoch sind die Einsatzmöglichkeiten von biosensorischen Techniken weitaus vielfältiger: Mit Biosensoren lassen sich einerseits sehr spezifisch Strukturelemente erkennen, die für potenzielle Arzneistoffe charakteristisch sind, andererseits können Assays realisiert werden, mit denen sich gezielt Arzneistoffwirkungen erfassen lassen. Gegenüber klassischen Ansätzen zum Arzneistoff-Screening zeichnet sich der typische Biosensor durch seine Wiederverwertbarkeit aus.

Moderne Methoden zur Wirkstoffsuche sind zumeist High-Throughput-Systeme (HTS), die von Mikrotiterplatten-Assays abgeleitet wurden. Dabei werden pro Tag viele Tausende Substanzen getestet, die entweder synthetisiert wurden (z. B. durch "Kombinatorische Chemie") oder aus natürlichen Quellen stammen. Bei den natürlichen Quellen sind insbesondere extreme Habitate wie die Tropischen Regenwälder, Korallenriffe und extrem heiße oder salzhaltige Lebensräume von großem Interesse. Typischerweise werden dort Mikroorganismen, Pflanzen und tierische Organismen für die Wirkstoffsuche gesammelt, extrahiert und die einzelnen Fraktionen auf ihre Wirkung getestet. Diese Vorgehensweise ist jedoch sehr aufwändig. Hier wäre es wünschenswert, wenn ein erstes Screening schon am Fundort der Probe vorgenommen werden könnte.

Was sind Biosensoren?

Dieses kann mit modernen Biosensoren realisiert werden. Ein Biosensor besteht aus einem biologischen Erkennungselement und einem physikalischen Sensor ("Transducer", Abb. 1). Dabei kann die biologische Komponente aus einem Enzym, einem Antikörper, DNA, Rezeptoren, aber auch aus ganzen Zellen bestehen. Kommt es nun zu einer Interaktion des zu testenden Stoffes mit der biologischen Komponente, so entsteht zunächst ein biologisch-chemisches Signal, welches durch den Transducer in ein elektrisches oder optisches Signal umgewandelt wird. Hierzu können Elektroden, Halbleiterbausteine, Fieberoptiken und andere optische Messeinrichtungen verwendet werden. Ein Biosensor ist definitionsgemäß wiederverwendbar und kann so für viele Analysen hintereinander eingesetzt werden.

Es hat in den vergangenen 15 Jahren nicht an Versuchen gefehlt, die ursprünglich für die klinische Analytik, für die Umweltanalytik und für die Qualitätskontrolle entwickelten Biosensoren auch für pharmazeutische Anwendungen nutzbar zu machen [1 – 6]. Insbesondere hat der Durchbruch von Mikrotechniken in vielen Bereichen wichtige Impulse für die Biosensorik und Wirkstoffsuche gesetzt. Deutlich zeigt sich dieses an Chip-Technologien, die eigentlich miniaturisierte Mikrotiterplatten-Applikationen oder Blotting-Assays darstellen, jedoch keine Biosensoren im engeren Sinne sind (zumeist keine Wiederverwendbarkeit!). An der Entwicklung von chipbasierten, "echten" Biosensoren wird derzeit gearbeitet.

Biosensoren werden nach Art ihres Transducers in die beiden großen Gruppen der elektrochemischen und der optischen Biosensoren eingeteilt. Durch die zunehmende Verschmelzung und Miniaturisierung verschiedenster Techniken kann diese strikte Einteilung für viele Sensoren aber nur noch schwerlich vorgenommen werden. Dieses betrifft insbesondere Applikationen im pharmazeutischen Sektor, die häufig sehr komplex sind und lebende Zellen oder Gewebsteile beinhalten.

Elektrochemische Sensoren

Die elektrochemischen Sensoren lassen sich in amperometrische, potentiometrische und konduktometrische Biosensoren einteilen. Bei einem amperometrischen Sensor ist typischerweise ein Enzym auf einer Elektrodenoberfläche immobilisiert (Abb. 2b). Zur Enzym-Immobilisierung wurden in den vergangenen Jahren vielfältige Techniken entwickelt, die eine Fixierung dieser Proteine auf unterschiedlichen Substraten erlauben [7 – 10]. Kommt es nun zu einer enzymatischen Umsetzung eines passenden Analyten (z. B. Zucker oder Phenole) an der Elektrodenoberfläche, so führt diese Reaktion zu einem veränderten Strom zwischen den beiden Elektroden.

Derartige Sensoren wurden bereits für die Erfassung von Flavonoiden, Polyphenolen oder allgemein antioxidativ wirksamen Substanzen entwickelt [11 – 13]. Flavonoide und Polyphenole spielen eine wichtige Rolle in der Prävention unterschiedlicher Erkrankungen. So scheinen sie als Radikalfänger und Antioxidanzien in der Vorbeugung von Tumorerkrankungen von besonderer Bedeutung zu sein. Als Enzyme für derartige Biosensoren können Tyrosinasen und Polyphenol-Oxidasen eingesetzt werden.

Im Gegensatz zu den amperometrischen Sensoren lassen sich mit potentiometrischen Biosensoren pH-aktive Enzymprodukte erfassen (Abb. 2a). Als Sensorelement wird in diesem Falle eine pH-Elektrode eingesetzt. Derartige Applikationen haben in jüngster Zeit durch Halbleiter-Technologien eine starke Miniaturisierung erfahren. So konnten pH-sensitive Halbleiterbausteine wie Ionenselektive Feldeffekttransistoren (ISFET) oder Elektrolyt/Isolator/Halbleiter(EIS)-Bauelemente erfolgreich mit Enzymen kombiniert werden. Dadurch wird es möglich, viele Biosensoren miteinander zu einem Sensor-Array zu kombinieren und dadurch eine entsprechende Anzahl von Parametern parallel abzufragen. Gegenüber den amperometrischen Sensoren haben die potentiometrischen Biosensoren den großen Vorteil, dass es zu keiner chemischen Umsetzung von Probenbestandteilen an der Elektrode kommt. Es werden in der Regel Enzyme verwendet, die das Substrat zu pH-aktiven Produkten hydrolysieren.

Auf dieser Grundlage konnten unterschiedliche Penicillin-Biosensoren entwickelt werden [14 – 16], die derzeit eine Nachweisempfindlichkeit von etwa 0,1 mM Penicillin haben. Sie wurden ursprünglich für die Fermentationskontrolle entwickelt, können aber auch zum Screening auf penicillinproduzierende Pilze verwendet werden. Der Sensor basiert auf immobilisierter Penicillinase und hat eine Lebensdauer von über 250 Tagen.

Mit einem weiteren potentiometrischen Biosensor lassen sich Cysteinsulfoxide nachweisen [7, 17 – 20]. Cysteinsulfoxide sind die wertbestimmenden Inhaltsstoffe von Lauchgewächsen wie Knoblauch und Küchenzwiebel. Den enzymatischen Abbauprodukten dieser Verbindungen werden eine gefäßprotektive und kanzeroprotektive Wirkung zugesprochen. Neben den oben genannten Lauchgewächsen gibt es aber noch ca. 800 Allium-Arten, über deren Inhaltsstoffe wenig bekannt ist [21] und die künftig mit dem Sensor gescreent werden sollen.

Eine weitere bedeutsame Naturstoffklasse, die allerdings weniger von therapeutischem als von toxikologischem Interesse ist, sind die cyanogenen Glykoside. Schätzungsweise 2500 Pflanzenarten weisen diese Verbindungen in nennenswerten Konzentrationen auf, von denen viele als Arznei- oder Gemüsepflanze verwendet werden (z. B. Maniok, Bohnen, bittere Mandeln) [22]. Der entsprechende Sensor basiert auf immobilisierter Cyanidase, die Blausäure in Ameisensäure und Ammoniak hydrolysiert. Es konnte hierbei eine Nachweisgrenze von 0,1 mM Cyanid bzw. cyanogenen Glykosiden erzielt werden.

Alliin-Biosensoren

Alliin ist die wertbestimmende Komponente von frischem Knoblauch (Allium sativum L.), aber auch von arzneilichen Zubereitungen, die Knoblauchpulver oder Knoblauch-Trockenextrakte enthalten. Wird der frische Knoblauch zerquetscht, so wird Alliin sehr schnell durch das Enzym Alliinase zu Allicin, Ammonium (Ammoniak) und Pyruvat abgebaut (Abb. 3, blauer Kasten). Dabei weist Allicin den charakteristischen Knoblauch-Geruch auf und ist auch für viele der pharmakologischen Wirkungen des Knoblauchs verantwortlich [21].

Die konventionelle Analytik der schwefelhaltigen Inhaltsstoffe des Knoblauchs gestaltet sich jedoch recht schwierig. Alliin ist ein Cystein-Derivat und kann ohne Vorsäulenderivatisierung mittels HPLC nur schlecht von anderen Aminosäuren abgetrennt werden. Allicin zeigt zwar gute chromatographische Eigenschaften, ist jedoch sehr instabil. Außerdem ist reines Allicin als Referenzsubstanz (fast) nicht verfügbar. Die Zersetzungsprodukte des Allicins sind wiederum teilweise gaschromatographisch zugänglich. Auch hier besteht das Problem der Referenzsubstanzen.

Aus dieser schwierigen Situation heraus erscheint die Entwicklung eines biosensorischen Detektionssystems für Alliin und gegebenenfalls weiterer Cysteinsulfoxide lohnenswert. Hierbei kann das Prinzip des Sensors direkt von der Natur abgeleitet werden: Eine pH-Elektrode braucht nur mit Alliinase kombiniert zu werden (Abb. 3). Die Auswertung erfolgt über den enzymatisch entstandenen Ammoniak, dessen Menge proportional zum Alliin-Gehalt der Probe ist.

Besonderheiten der Alliinase

In der Praxis zeigen sich jedoch vielfältige Probleme dieses Lösungsansatzes: Zunächst einmal musste eine Quelle für das Enzym Alliinase erschlossen werden, das kommerziell nicht verfügbar ist. Die Gewinnung der Alliinase gelang aus Knoblauchpulver. Allerdings musste anschließend bewiesen werden, dass dieses Enzym auch die gleichen Eigenschaften wie die Alliinase aus frischem Knoblauch aufwies. Hier ist die Substanzspezifität des Enzyms von großer Bedeutung (Selektive Umsetzung des Alliins). Glücklicherweise zeigten sich in diesem Punkt keine signifikanten Unterschiede zwischen den untersuchten Knoblauch-Alliinasen. Die verwendete Alliinase war relativ spezifisch für L-(+)-Alliin und setzt das zusätzlich im Knoblauch vorkommende Methiin nur in geringen Mengen um. Zwar verstoffwechselt sie das für die Küchenzwiebel (Allium cepa L.) typische Isoalliin mit der gleichen Umsatzrate wie Alliin, aber Isoalliin spielt im Knoblauch nur eine untergeordnete Rolle.

Für biosensorische Applikationen können nur Enzyme verwendet werden, die über eine ausreichende Stabilität verfügen. Derartige Untersuchungen wurden bisher nicht an der Alliinase durchgeführt. Es gelang, die Haltbarkeit der in reiner Form sehr instabilen Alliinase (Haltbarkeit nur wenige Tage) durch geeignete Pufferzusätze so zu erhöhen, dass sie ohne signifikante Qualitätseinbußen über ein Jahr gelagert werden kann. Ebenfalls wurde ein Verfahren zur Gefriertrocknung und Tablettierung des Enzyms entwickelt, das dessen Haltbarkeit auf mehrere Jahre erhöhte.

Ein Enzym kann jedoch nicht in der Lagerform für die Biosensorik eingesetzt werden, sondern muss vorher an einem festen Träger immobilisiert werden. Hierzu wurden unterschiedliche Verfahren für organische Polymermaterialien einschließlich Teflon® und anorganische Materialien entwickelt [7 – 10]. Für die Alliinase hat sich die kovalente Immobilisierung an quervernetzter Agarose besonders bewährt.

Nach diesen Voruntersuchungen konnte der Biosensor konstruiert werden, der schematisch in Abbildung 3 dargestellt ist. Um eine möglichst hohe Reproduzierbarkeit zu erhalten, wurde sowohl die Elektrode als auch das immobilisierte Enzym in eine extra für diesen Zweck konstruierte Durchfluss-Messapparatur integriert. So konnte, je nach Art der Probe, eine Standardabweichung von 1% bis 5% erreicht werden, was durchaus mit modernen chromatographischen Messverfahren vergleichbar ist (Tab. 1).

Da sowohl im frischen Knoblauch als auch in Knoblauchpräparationen genuines Ammonium enthalten ist, müssen für jede Probe zwei Messungen durchgeführt werden, nämlich einmal mit und einmal ohne immobilisierte Alliinase. Dieses ist allerdings kein Problem, da die Messapparatur vollautomatisch betrieben und eine Einzelmessung in bis zu 2,5 Minuten durchgeführt werden kann. Darüber hinaus enthält der Ammonium-Blindwert wertvolle Informationen über die Qualität der Ware: Wurde zum Beispiel eine Zwiebel bei der Ernte beschädigt, das Material unsachgemäß getrocknet oder gelagerte Ware feucht, so führt dieses sofort zu deutlich erhöhten Ammonium-Werten. Eine gewisse Tendenz zu höheren Werten ist schon bei dem Vergleich von frischer Ware mit prozessierter zu sehen, da hierbei ja zwangsläufig das Gewebe der Zwiebel zerstört werden muss.

Um diese biosensorische Methode beurteilen zu können, wurden die Ergebnisse mit den Werten verglichen, die mittels HPLC-Analyse erhalten wurden. Es zeigte sich, dass für alle Proben die Ergebnisse recht gut mit einander korrelierten (Quotienten aus beiden Werten nahe an 1); nur bei den Knoblauch-Chips traten etwas erhöhte Abweichungen auf, die wahrscheinlich durch ungenügende Homogenität der Ware zu erklären sind. Insgesamt erscheint diese neue Methode zur Alliin-Bestimmung sehr gut zur Beurteilung von knoblauchhaltigen Präparaten geeignet zu sein.

Screening von Allium-Arten

Wie geht es nun weiter? Weltweit gibt es etwa 800 Allium-Arten, die teilweise von der Bevölkerung in traditioneller Weise genutzt werden, über die jedoch wenig bekannt ist. Hier wäre ein umfassendes Screening, welches mit dem Alliin-Biosensor in kurzer Zeit bewältigt werden könnte, sicherlich sehr lohnend. Wünschenswert wäre auch ein stark miniaturisierter Sensor, mit dem neben dem Alliin-Gehalt auch andere Parameter abgefragt werden könnten (pH, anorganische Ionen, weitere wichtige Inhaltsstoffe wie Zucker, Saponine und Phenole). Derartige Sensoren sind derzeit in einer Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich in der Entwicklung (Abb. 4).

Es gelang bereits, den oben beschriebenen Alliin-Sensor zu miniaturisieren, auf einen Halbleiter-Chip zu transferieren und mit diesem dann erfolgreich Alliin-Messungen durchzuführen. Der Halbleiter-Chip wurde mit Techniken hergestellt, die zur Herstellung von Computerbausteinen angewandt werden und eine Miniaturisierung bis in den µm-Bereich erlauben. Mit solchen Chips können theoretisch mehrere tausend Parameter gleichzeitig erfasst werden. Mittelfristig dürfte ein Chip mit 10 bis 50 unterschiedlichen Sensorfeldern realisierbar sein.

Optische Sensoren

Der klassische optische Biosensor besteht aus einer Glasfaser, an deren Ende ein Enzym oder ein Antikörper immobilisiert wurde. Ein derartiges optisches Detektionsprinzip beruht immer auf einer farblichen Markierung der Reaktion (z. B. Fluoreszenzmarkierung), die in das Gesamtsystem integriert werden muss. Grundsätzlich können aber alle Antikörper, die gegen potenzielle Arzneistoffe gerichtet sind, mit diesem optischen Messverfahren kombiniert werden.

Ohne Markierung kommt die Oberflächenplasmonresonanz (surface plasmon resonance, SPR, Abb. 5) aus. Auf einem Glasprisma befindet sich eine dünne Metallschicht (z. B. Gold), auf der ein Interaktionspartner, zum Beispiel ein Rezeptor, immobilisiert ist. Wenn polarisiertes, monochromatisches Licht von unten gegen die Metallschicht gestrahlt wird, kommt es einerseits zur Totalreflexion, andererseits kann das Licht mit den freien Elektronen der Metallschicht interagieren und ein so genanntes Elektronenplasmon ausbilden; dann tritt im reflektierten Licht eine Energielücke auf, die einen ganz bestimmten Winkel Q aufweist. Die Resonanz und damit der Winkel Q, der mit einem Dioden-Array-Detektor (DAD) erfasst wird, ist direkt proportional zum Beladungsgrad der Goldoberfläche. Binden Liganden an die Rezeptoren in der Metallschicht, so erhöht sich der Beladungsgrad bzw. die Schichtdicke der Moleküle an der Oberfläche, und der Winkel Q ändert sich.

Ein alternatives Verfahren ist die reflectometric interference spectroscopy (RIfS). Ähnlich wie bei der SPR wird Licht mit unterschiedlichen Wellenlängen auf einen Glasträger eingestrahlt, und das reflektierte Licht auf sein Interferenzmuster hin analysiert. In diesem Falle ist das Glas jedoch nicht mit einer Metallschicht bedeckt, sondern die Rezeptoren befinden sich direkt auf der Glasoberfläche. Auch hier ändern Rezeptorbindungen den Beladungsgrad und proportional dazu das Detektorsignal.

Mit beiden Systemen konnten bereits einige Biosensoren zum Screening auf potenzielle Wirkstoffe etabliert werden. Weit fortgeschritten ist ein System zum Nachweis auf Östrogene [23]. Hierbei wird DNA an der Sensoroberfläche immobilisiert, die ein Bindungsmotiv für einen Östrogenrezeptor enthält. Kommt es zu einer Interaktion des Östrogenrezeptors mit einem Liganden, so kann der Rezeptor-Ligand-Komplex an die immobilisierte DNA binden.

Mit immobilisierter DNA kann auch nach Substanzen gesucht werden, die sich in bestimmte DNA-Abschnitte einlagern und eine zytostatische Aktivität haben [24]. Zur Findung neuer Thrombin-Inhibitoren, die als Wirkstoffe zur Unterdrückung der Blutgerinnung von Interesse sind, wurde entweder das Thrombin auf der Sensoroberfläche immobilisiert, oder es wurde mit Hilfe eines Modell-Liganden ein kompetitiver Assay aufgebaut [25, 26].

In ganz ähnlicher Weise wurde ein Biosensor zum Nachweis von HIV-Protease-Inhibitoren, die als Medikamente gegen AIDS eingesetzt werden können, entwickelt [27], der ebenfalls alternativ als direkter oder als kompetitiver Bindungsassay ausgelegt werden kann. Dabei liegen die Sensitivitäten je nach Format im nanomolaren Bereich. Weitere Assays, z. B. zum Nachweis von Lectinen, sind derzeit in der Entwicklung [28, 29].

Ganzzell-Biosensoren

Mit den oben beschriebenen Sensoren lassen sich zumeist strukturelle Informationen gewinnen, weniger jedoch funktionelle Informationen. Letzteres ist aber für ein Pharma-Screening von großer Bedeutung, da Arzneimittelwirkungen häufig sehr komplex sind und sich nur in wenigen Fällen auf einfache Rezeptor-Ligand-Interaktionen reduzieren lassen. Aus diesem Grund ist es häufig erforderlich, ganze Zellen oder sogar Gewebeteile mit in den Assay einzubeziehen.

Unterschiedliche Biosensoren basieren auf ganzen lebenden Zellen, die auf einen Träger fixiert sind (Abb. 6a – c). Damit die Zellen auf dem Träger aufwachsen können, muss dessen Adhäsion erhöht werden, zum Beispiel durch eine Beschichtung mit Poly-L-Lysin. Als Träger wird im Idealfall ein Halbleiter verwendet, in den sich relativ leicht Mikroelektroden oder komplette Halbleiterschaltkreise integrieren lassen, die eine Stimulation der Zellen sowie ein Ableiten der Potenziale ermöglichen. Zu diesem Thema wurden bereits umfangreiche Untersuchungen in der Gruppe von Fromherz durchgeführt [30 – 33].

Sollen Zellen für das Pharma-Screening verwendet werden, müssen sie Rezeptoren sowie Ionenkanäle enthalten. Kommt es zu einer Interaktion eines Rezeptors mit einem passenden Analyten (Liganden), so wird über eine komplexe Signalkaskade, die häufig über cAMP läuft, ein Ionenkanal geöffnet (Abb. 6a). Durch den Ioneneinstrom ändert sich das elektrische Potenzial der Zelle, was durch einen Feldeffekt-Transistor (FET) erfasst werden kann, der in dem Silikonträger integriert ist. Da viele Nervenzellen zudem noch einen elektrischen Reiz für das Schalten eines Ionenkanals benötigen, kann die Zelle zusätzlich durch eine feine Elektrode kontaktiert werden.

Alternativ kann die Stimulation durch Mikroelektroden erfolgen, die sich auf dem Siliciumsubstrat befinden (Abb. 6b). Dabei beträgt der Spalt zwischen dem Siliciumsubstrat, das durch eine dünne Schicht aus Siliciumdioxid nach außen hin isoliert ist, und der Zellmembran 20 nm. Diese Messanordnung, die auch als "Neuron-Transistor" bezeichnet (Verwendung von Neuronen als Zell-Elemente) wird, ist insbesondere unter Verwendung von gentechnologisch veränderten Zellen mit integrierten rekombinanten Rezeptoren für ein Screening auf neue Wirkstoffe von großem Interesse.

Ein völlig anderer Weg wird bei der Messanordnung beschritten, die in Abb. 6c dargestellt ist. Hier befindet sich unter der immobilisierten Zelle eine Öffnung, durch die Laserlicht eingestrahlt wird. Dadurch können in der Zelle Moleküle zur Fluoreszenz angeregt werden, die innerhalb der Signalkaskade zwischen Rezeptor und Ionenkanal aktiviert werden. Ein solcher Ansatz wurde bereits für einen Biosensor zum Nachweis von T-Lymphozyten-Aktivatoren sowie Wirkstoffen, die mit G-Protein-gekoppelten Rezeptoren interagieren, realisiert [34, 35].

Ein mehr abstrakter Ansatz geht von der Idee aus, dass für ein Screening auf der Basis von Rezeptoren ja nicht unbedingt die ganze Zelle erforderlich ist, sondern eigentlich ein isolierter Rezeptor ausreichend sein sollte (Abb. 6d). Kommt es zu einer Interaktion des Rezeptors mit einem Liganden, so verändert sich kurzfristig die elektrische Impedanz der Membran, in die der Rezeptor eingebettet ist. Die Impedanzänderungen können durch Anlegen einer Wechselspannung erfasst werden. Nach diesem Funktionsprinzip wurde bereits ein Sensor entwickelt, mit dem sich Acetylcholinrezeptor-Liganden nachweisen lassen [36].

In ganz ähnlicher Weise lassen sich auch Gewebepräparationen nutzen (insbesondere Nervengewebe). Da hier zumeist mehrere verschiedene Zellarten vorliegen, ist die differenzierte Interpretation der Signale oftmals schwierig. Dieser Ansatz hat aber dann seine Berechtigung, wenn sich die gewünschten Zellen in vitro nicht vermehren lassen oder wenn komplexe Effekte erfasst werden sollen.

Schlussfolgerungen

In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl von Biosensoren entwickelt, die als Anregung für die Entwicklung von Systemen dienen können, die für ein Pharma-Screening geeignet sind. Jedoch gibt es trotz der enormen technologischen Fortschritte in den vergangenen Jahren nur einige wenige realisierbare Ansätze; die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Der "klassische" Biosensor auf der Grundlage von Enzymen und Antikörpern ist sehr nützlich, wenn es um das Auffinden von bestimmten Substanzen bzw. Substanzklassen geht. Jedoch ist bei der Suche nach neuen Wirkstoffen zumeist primär eine Information über die Wirkung und erst sekundär eine strukturelle Information gefragt.
  • Ein biosensorisches Screening auf eine bestimmte Wirkung, zum Beispiel über die biomolekulare Interaktionsanalyse oder Ganzzell-Systeme, verlangt komplexe Systeme, die bisher nur von Spezialisten gehandhabt werden können.
  • Die meisten Rezeptoren, über die ein biologischer Effekt vermittelt wird, sind in der Zellmembran platziert. Die Handhabung solcher membranständiger Rezeptoren ist jedoch relativ schwierig.
  • Aus den oben genannten Gründen können solche Biosensoren nur in hochgradig interdisziplinäre Arbeitsgruppen verwirklicht werden.
  • Auch bei idealen Voraussetzungen ist die Entwicklung eines robusten und praxistauglichen Biosensors zeitaufwändig und kann sich über Jahre erstrecken.

Jedoch gehen von der schnell fortschreitenden Mikro- und Nanotechnologie wichtige Impulse für die Biosensorik und ihre Anwendung im Pharma-Screening aus. Insbesondere erscheint ein paralleles Screening von vielen Effekten (und nicht von vielen Wirkstoffen!) durchaus mit Biosensoren realisierbar zu sein. Ein solches "high content screening" könnte einen Ausweg aus den sich derzeit anbahnenden Engpässen in den Entwicklungs-Pipelines vieler Pharmaunternehmen bieten.

Dr. Michael Keusgen studierte von 1984 bis 1988 Pharmazie an der Universität Bonn. 1993 wurde er mit einer Arbeit über phenolische Inhaltsstoffe in Braunalgen unter der Anleitung von Prof. Dr. K.-W. Glombitza promoviert, erhielt den "Summit Fellowship Award" des National Research Council of Canada (NRC) verliehen und ging für ein Jahr ans NRC-Institut in Halifax, Kanada. Ab 1994 Aufbau einer eigenen Arbeitsgruppe mit dem Schwerpunkt "Biosensorik", 1995 Ernennung zum Wissenschaftlichen Assistenten, 1999 Habilitation für das Fach "Pharmazeutische Biologie", 2001 Auszeichnung mit dem Egon Stahl-Preis der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (GA) und Ernennung zum Hochschuldozenten; 2003 erging ein Ruf auf eine Professur für Pharmazeutische Chemie der Universität Marburg.

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