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Die Gesetzesmaschinerie zum Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz arbeitet auf Hochtouren. Derzeit werden die Eckpunkte in Gesetzestext gegossen. Da die Eckpunkte für den Apothekenbereich noch zahlreiche schwammige Formulierungen enthalten, bleibt es spannend, was die Beamten letztendlich daraus machen. Gerade bei den für die Apotheken systemverändernden Punkten kommt es nämlich auf jedes Wort in der Gesetzesformulierung an. Ich erinnere an die weichen Formulierungen zum Versandhandel und zum Mehrbesitz – was heißt da z. B. faire Bedingungen für den Wettbewerb von Versandapotheken mit öffentlichen Apotheken, was heißt Nebenstellen beim Mehrbesitz?

Die Hoffnung, dass der Bundesrat das Gesetz stoppen wird oder Versandhandel und Mehrbesitz verhindern könnte, hat sich nach der Konsensrunde von Regierung und Opposition zerschlagen. Fakt ist, dass die Regierung den Bürgern ein neues Apothekensystem zumutet, ohne dass es die Mehrzahl der Bürger will. Nur ein Bruchteil möchte Arzneimittel per Versandhandel bestellen (wie es auch Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen) und noch weniger wollen freie Preise bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Und kein Bürger dürfte wohl davon profitieren, dass es Apotheken demnächst erlaubt ist, "Nebenstellen" zu eröffnen oder andere Apotheken als Nebenstellen zu übernehmen. Die Apothekendichte in Deutschland ist bereits hoch. Und dass Arzneimittel automatisch billiger werden, wenn sie von Miniketten-Apotheken verkauft werden, ist nicht zwangsläufig. Bis heute war keine Begründung dafür zu erfahren, wo der Vorteil von Miniketten liegen soll. Nach meiner Auffassung wollten rot-grüne "Gesundheitspolitiker" im Anflug von Aktionismus vermeintlich alte Zöpfe abschneiden, ein "modernes" Apothekenwesen (ist modern das, was z. B. die US-Bürger haben?) schaffen, ohne die Sinnhaftigkeit ihres Tuns zu hinterfragen, ohne auf Experten des Gesundheitswesens zu hören. Vermutlich müssen wir uns auf ähnlich chaotische, absurde und unlogische Regelungen einstellen wie sie sich bei der Dosenpfandregelung gezeigt haben.

Unabhängig davon, wie insuffizient das Gesetz ausfallen wird, wie absurd die angestrebten Änderungen sind und mit welcher Ignoranz ein bewährtes Apothekensystem jetzt zerschlagen wird, wir müssen uns damit auseinander setzen und nach vorne schauen. Vielleicht lässt sich dem Versandhandel doch das eine oder andere Positive abringen – natürlich abhängig von den Bedingungen, die bis jetzt noch nicht auf dem Tisch liegen. Denkbar sind viele Szenarien, z. B. mehrere Apotheker oder Einkaufsverbände betreiben gemeinsam eine Versandapotheke und teilen sich den Gewinn. Oder der genossenschaftliche Großhandel übernimmt die Logistik einer Versandapotheke, und schüttet Gewinne/Rabatte an seine Mitglieder aus – entsprechende Konstruktionen lassen sich da sicher finden.

Möglicherweise zieht ein Gesetz, das den Versandhandel zulässt, weitere Liberalisierungen nach sich. Kaum haltbar dürften dann bis heute noch gültige Bestimmungen sein, wonach Apothekentüren nicht offen stehen dürfen, z. B. bei Apotheken in Einkaufszentren oder bei Apotheken mit angeschlossenem Reformhaus u. ä. Ein alter Zopf dürfte dann auch das Verbot sein, so genannte Autoschalter zu betreiben. Erst vor kurzem bekräftigte der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg die Vorschrift, dass apothekenpflichtige Arzneimittel nur in den Betriebsräumen der Apotheke und nicht über einen Außenschalter abgegeben werden dürfen. Wenn selbst der Briefträger Arzneimittel an die Haustür bringen darf, dann muss es wohl einem Apotheker oder einer PTA erlaubt sein, einen Kunden am Autoschalter zu bedienen – und zu beraten.

Auch beim Mehrbesitz wird für den einen oder anderen ein günstiger Aspekt dabei sein – solange der ausformulierte Gesetzestext noch fehlt, kann man die Fantasie schweifen lassen, welche Möglichkeiten offen stehen. Selbst beim Kombimodell und der Preisfreigabe für OTC-Arzneimittel können sich für den einen oder anderen Chancen auftun – abhängig von seiner Umsatzstruktur (GKV/OTC) oder von seiner Lage und den verordnenden Ärzten. Manche Rechenzentren und Softwarehersteller bieten bereits die Möglichkeit, die Umsatzstruktur der Apotheke anhand der neuen Preisgestaltung durchzurechnen. Bevor wir also allzu schwarz sehen, sollten wir alle Möglichkeiten sondieren, die uns das neue Gesetz lassen wird.

Mit Freude habe ich in dieser Woche die Kritik der Bundesregierung an den Verwaltungskosten der Krankenkassen vernommen. Endlich ist dieses Thema in Regierungskreise vorgedrungen. Acht Milliarden Euro – das ist der Betrag, den die Versicherten für den Verwaltungsapparat der gesetzlichen Kassen bezahlen müssen. Bescheiden nimmt sich dagegen der Betrag aus, mit dem die Kassen die Arbeit der Apotheken honorieren, nämlich 4,10 Milliarden (2002), also knapp die Hälfte. Dafür erhalten die GKV-Versicherten eine perfekte Logistik, eine kompetente Beratung, lückenlose Arzneimittelsicherheit sowie eine pharmazeutische und soziale Betreuung. Das sollte viel stärker nach außen getragen werden.

Da das Apothekenhonorar nach den GMG-Plänen geringer ausfallen soll, wird es allerdings fraglich sein, ob noch alle Leistungen der Apotheken, die heute "kostenlos" erbracht werden, auch weiterhin den Versicherten unentgeltlich zur Verfügung stehen ...

Peter Ditzel

Gibt es noch Lichtblicke?

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