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Gesundheitsreform: Diskussion über Versandhandel mit Arzneimitteln

Der von Prof. Dr. Christian König, Direktor des Zentrums für Europäische Integrationsforschung an der Universität Bonn, geleitete Studienkreis "Regulierung Europäischer Gesundheitsmärkte" lud am 22. Juli zu einem fairen Streitgespräch unter dem Titel: "Ist DocMorris wirklich ein Visionär des europäischen Arzneimittel-Binnenmarktes oder nur ein Trittbrettfahrer divergierender mitgliedstaatlicher Regulierungen?" Auf dem Podium diskutierten neben Professor König Dr. Gabriele Bojunga, Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, Ralf Däinghaus, Vorstandsvorsitzender der niederländischen Internet-Apotheke 0800DocMorris, Professor Theo Dingermann, Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, Karl Rudolf Mattenklotz, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, sowie Dr. Gert Schorn, Ministerialrat im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit.

Aufgrund der Aktualität der Eckpunkte zur Gesundheitsreform, auf die sich die Parteien am Vortag geeinigt hatten, war die kontroverse Diskussion weniger eine juristische als eine aktuelle und drehte sich hauptsächlich um zwei Fragen:

  • Wie kann im Zuge der Einführung des Versandhandels die Arzneimittelsicherheit gewährleistet werden?
  • Und wie sehen die fairen Wettbewerbsbedingungen aus, die es den deutschen Apothekern ermöglichen, in Konkurrenz mit ausländischen Versandapotheken zu bestehen?

Was sind faire Wettbewerbsbedingungen?

Eine Flut von Fragen und Befürchtungen zur konkreten Ausgestaltung eines Versandhandels, bei dem Arzneimittelsicherheit und faire Wettbewerbsbedingungen gewahrt bleiben, wurden an die Adresse von Gert Schorn als Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums gerichtet.

Wenn der deutsche Arzneimittelmarkt für Importe aus dem europäischen Wirtschaftsraum geöffnet werde, stellte Frau Dr. Bojunga in ihrem Statement fest, gelte diese Regelung nicht nur für DocMorris. Sie befürchtet, dass das besonders in südeuropäischen Ländern bestehende Überwachungsdefizit hinsichtlich Zulassung, Verschreibungspflicht und Fälschungen zu einem "Einfallstor für Arzneimittelrisiken in bisher nicht gekannter Größenordnung" wird.

Sie warnt davor, in Deutschland die Grenzen für den Versandhandel mit Arzneimitteln zu öffnen, bevor nicht die Sicherheitslage in allen EU-Mitgliedstaaten einen gleich hohen Standard aufweist. Außerdem sei es schwierig, Qualitäts- und Sicherheitsstandards außerhalb der Landesgrenzen zu überprüfen.

Arzneimittel als besondere Ware

Professor Dingermann betonte ebenfalls, dass das Arzneimittel aus pharmazeutisch-wissenschaftlicher Sicht nicht als einfache "Ware", die dem europäischen Grundsatz der Warenfreiheit unterliegt, gesehen werden könne, sondern als besondere Ware, die hohe Aufmerksamkeit fordere und ein entsprechendes Gift- und Gewöhnungspotenzial berge. Zudem würden Arzneimittel beim Vertrieb über das Internet wesentlich hemmungsloser konsumiert werden, lautet seine Prognose.

Im Gegenzug legte Ralf Däinghaus die Sicherheitsstandards seiner Internetapotheke dar, u. a. hinsichtlich der Arzneimittelfälschungen auf dem Markt. Er möchte sich dem Wettbewerb stellen und begrüßt die Initiative der Politik, die Grundlagen der Liberalisierung des Arzneimittelvertriebs zu schaffen. Er mache nichts anderes, als in den Niederlanden die Liberalisierung eines Systems zu nutzen, das in Deutschland nicht möglich ist.

Druck von den Krankenkassen

Karl Rudolf Mattenklotz fürchtet sich als Apotheker nicht vor dem Versandhandel, sieht jedoch keine fairen Wettbewerbsbedingungen für deutsche Apotheken, solange sich ausländische Versandapotheken das europäische Preisgefälle von Arzneimitteln zunutze machen, welches durch unterschiedliche Herstellerabgabepreise in Europa aufrechterhalten wird. Ohne Harmonisierung auf diesem Gebiet hätten die Apotheker in Deutschland keine Chance, im Wettbewerb zu bestehen.

Außerdem befürchtet er, dass die Krankenkassen, wie das Beispiel DocMorris bereits belegt hat, auf ihre Patienten einwirken, eben diese Versandhändler beim Arzneimittelkauf zu nutzen. Die Krankenkassen werden aufgrund des Kostendrucks dazu übergehen, weitere selektive Verträge mit solchen Anbietern abzuschließen.

Ein Vertreter der Ärzteschaft äußerte die Befürchtung, dass durch den Druck der Krankenkassen gerade ökonomisch schlechter gestellte Patienten dazu bewegt würden, Versandhandelsrisiken in Kauf zu nehmen, obwohl sie eigentlich lieber bei der Apotheke vor Ort kaufen würden.

Während junge Leute in der Regel gut über Vor- und Nachteile sowie Risiken des Versandhandels informiert seien, hat er vor allem Bedenken bei der großen Gruppe der älteren Leute. Wollen diese überhaupt einen Versandhandel? Wie begegnen sie dem potenziellen Druck der Krankenkassen?

Professor König, der auch als Prozessbevollmächtigter vor dem Europäischen Gerichtshof DocMorris vertritt, fordert ebenfalls faire Wettbewerbsbedingungen für Präsenz- und Versandapotheker, möchte jedoch auf keinen Fall eine Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit in Europa.

Apotheke soll wettbewerbsfähig gemacht werden

Ministerialrat Gert Schorn versicherte, dass es im Bundesgesundheitsministerium gerade darum gehe, die deutsche Apotheke wettbewerbsfähig zu machen, da der Versandhandel bereits Fakt ist und das Internet in immer stärkerem Maße genutzt werde. Er möchte den Versandhandel allen Apothekern unter sicheren Bedingungen ermöglichen.

Bisher hätte über dem Apotheker eine "Käseglocke" gehangen, da der Vertrieb von Arzneimitteln in Deutschland seit Jahrzehnten gesetzlich reguliert und reglementiert werde und kein eigentlicher Wettbewerb stattfinde. Da der Druck in Europa immer größer werde und deutsche Apotheken den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten bisher nicht nutzen durften (Inländerdiskriminierung), möchte man das durch die Gesundheitsreform nun ändern.

In punkto Arzneimittelsicherheit möchte die Politik die Sicherheit auch in andere Staaten transformieren, so Schorn. Jede Apotheke, die dort Arzneimittel nach Deutschland versende, müsse überprüfbare Standards erfüllen. Er fordert von den Apothekern "Aktion statt Reaktion", zum Beispiel auch fehlende Standards zu benennen. Die Apothekerschaft hätte das Gespräch mit der Politik bereits viel früher suchen müssen, bemerkte Schorn.

Er erwarte konstruktive Vorschläge zur Ausgestaltung und eine objektive, sachliche Diskussion. Kein Patient dürfe von der Krankenkasse gezwungen werden, den Versandhandel zu nutzen. Auch das Preisgefälle solle durch die Gesundheitsreform im Detail so geändert werden, dass tatsächlich faire Wettbewerbsbedingungen entstehen und der Versandhandel nicht automatisch die erste Wahl werde.

Im Ergebnis der in Strecken durchaus hitzigen Diskussion bleibt festzuhalten, dass sich alle Apotheker in Zukunft veränderten Bedingungen stellen müssen, von denen man sich nur wünschen kann, dass sie bis zur Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes fair und sicher ausgestaltet werden.

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