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Die Arbeit in öffentlichen Apotheken wird durch die neuen politischen Vorgaben stärker ökonomisch geprägt werden als bisher – wie auch immer die "Eckpunkte" noch konkretisiert werden mögen. Dies ergibt sich aus den ökonomischen Anreizen, die aus den "Reform"-Maßnahmen folgen. Besonders stark dürfte der Fixaufschlag wirken, der eigentlich das Gegenteil bezwecken sollte. Dies dürfte aber bei seiner geplanten Höhe nicht gelingen. Denn ein Betrag von 6,10 Euro (nach Kassenabschlag) kann unter guten Bedingungen die wesentlichen Handlungskosten decken, zur Finanzierung innovativer heilberuflicher Angebote (Stichwort pharmazeutische Betreuung) reicht er langfristig nicht aus. Höhere Gewinne können Apotheken daher kaum durch zusätzliche Umsätze (als Ergebnis besonderer Serviceleistungen), sondern eher durch verminderte Kosten erzielen – also eher durch eingeschränkten Service.

Auch in anderer Hinsicht müssen sich Apothekerinnen und Apotheker künftig viel mehr um die ökonomischen Folgen ihres Tuns kümmern – und das auf Gebieten, die ihnen bisher weitgehend oder vollständig fremd waren. Zwei Beispiele verdeutlichen dies:

Der OTC-Markt verbleibt als einziges Segment, in dem größere Umsätze zu nachhaltig gesicherten Gewinnen führen können, sofern die Preise stimmen. Die Apotheker dürfen daher nach der Preisfreigabe der OTC-Arzneimittel nicht die Fehler wiederholen, mit denen sie vielfach das Freiwahlgeschäft ruiniert haben. Sie sollten nicht die Preise verderben. Dafür müssen sie werthaltige Markenartikel angemessen anbieten, d. h. zu genügend hohen Preisen. Für Lockangebote bieten sich nur Produkte an, bei denen schon die Hersteller für ein Billig-Image sorgen. Das schon früher fragwürdige Argument, es könnten Rezeptkunden angelockt werden, zieht künftig gar nicht mehr. Denn die Rezeptkunden decken nur noch die Kosten, versprechen aber keine Gewinne mehr.

Ein zweites Beispiel für das neue ökonomische Kalkül, das Apotheker brauchen, sind die "Nebenstellen"-Apotheken. Langfristig werden sie wahrscheinlich der Anfang vom Ende des bewährten Systems mit klarem Fremd- und Mehrbesitzverbot sein. Kurzfristig können sie aber für einzelne Apotheken durchaus Vorteile bringen. Drei Apotheken, die unter den neuen Bedingungen einzeln nicht mehr existieren können, könnten sich zu einer oHG verbinden. Gemeinsamer Einkauf, zentrale Organisation, gegenseitige Personalvertretungen und günstigere Finanzierung könnten noch ein paar Reserven mobilisieren, die ausreichen, um weiter zu bestehen. Vielleicht können drei Apotheken in einem Vorort oder einer Kleinstadt so die OTC-Preise diktieren anstatt sich einen ruinösen Preiskampf zu liefern, bei dem alle Apotheken letztlich verlieren. Im Sinne der Verbraucher wäre das nicht, aber wen interessiert das bei dieser Reform?

Es bleibt festzuhalten, dass Apothekerinnen und Apotheker in Zukunft stärker ökonomisch denken müssen. Dies haben sie sich nicht ausgesucht, sondern die Politik hat ihnen diese Rolle zugewiesen. Die Folgen sind den Politikern zuzuschreiben, nicht den Apothekern.

Th. Müller-Bohn

Ökonomisch denken

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