DAZ wissenswert

Enziangewächse: Kreuz-Enzian und Blauer Tarant

Der in der DAZ Nr. 29 publizierte Bericht "Botanische Exkursion in die Geesower Hügel" zeigte neben einem Foto von Anthemis arvensis eine Abbildung von Gentiana cruciata (Kreuz-Enzian), die versehentlich als "Blauer Tarant (Swertia perennis)" bezeichnet wurde. Dieses auf einer fehlerhaften Erklärung des Exkursionsleiters beruhende Versehen soll zum Anlass genommen werden, die zwei seltenen und in Norddeutschland nur an wenigen Standorten anzutreffenden Arten kurz vorzustellen.

Die Familie Gentianaceae umfasst weltweit ca. 900 Arten, die etwa 80 Gattungen zugeordnet werden. Zum überwiegenden Teil handelt es sich um ein- bis mehrjährige Kräuter. Typische morphologische Familienmerkmale sind

  • die meist gegenständigen Blätter, die teilweise durch eine verdickte Leiste verbunden sind,
  • die radiärsymmetrischen Blüten mit verwachsenen Kronblättern und einem oberständigen Fruchtknoten sowie
  • die trockenen Kapselfrüchte.

Aus chemischer Sicht ist das Vorkommen von Iridoiden charakteristisch, von denen viele einen bitteren Geschmack aufweisen, sodass einige Arten als Lieferanten von Bitterstoffdrogen Verwendung finden.

Enziangewächse Deutschlands

In Deutschland sind Enziangewächse mit insgesamt acht Gattungen vertreten. Ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt eindeutig in den Gebirgen, wo die allgegenwärtigen Arten der Gattung Gentiana (Enzian) für den Mitteleuropäer den Inbegriff der Alpenpflanze darstellen.

Abseits der Berge weit verbreitet ist lediglich die Gattung Centaurium (Tausendgüldenkraut), die mit Centaurium erythraea Rafn. (Echtes Tausendgüldenkraut) an trockenen Standorten, mit C. pulchellum (Sw.) Druce (Ästiges T.) an etwas feuchteren und mit C. littorale (Turn.) Gilm. (Strand-T.) an meist salzhaltigen und oft küstennahen Standorten anzutreffen ist.

Ausgesprochene Raritäten in Deutschland sind die Arten der Gattungen Blackstonia (Bitterling; u. a. der im Mittelmeergebiet häufig anzutreffende Durchwachsenblättrige B., Blackstonia perfoliata (L.) Huds.; Abb. 1), Cicendia (Zindelkraut), Lomatogonium (Saumnarbe) und Swertia (Tarant).

Blauer Tarant – kalkliebende Moorpflanze

Eine der streng unter Naturschutz stehenden Enziangewächse ist der Blaue Tarant (Swertia perennis L.; Abb. 2). Die überwiegende Zahl seiner Standorte liegt in den Alpen und im Alpenvorland. Einzelne weitere Standorte finden sich im Südschwarzwald, Bayerischen Wald und Erzgebirge.

Im nordostdeutschen Tiefland (Bundesländer Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) wurde das Vorkommen der Art von insgesamt elf Orten gemeldet. Anzutreffen sind die Pflanzen auf feuchten, kalkhaltigen Böden, darunter insbesondere sickerfeuchte Flachmoore und Quellmoore oder auch Feuchtwiesen, die jedoch auch im Sommer niemals austrocknen sollten.

Die von Juni bis August/September blühende Art erreicht eine Höhe von 15 bis 50 cm. Der Stängel ist aufrecht und unverzweigt und mit gestielten, eiförmigen bis elliptischen Grundblättern und sitzenden, eiförmigen bis lanzettlichen Stängelblättern versehen.

Typisches Merkmal der Art ist die radförmig ausgebreitete Blütenkrone, deren Durchmesser 2 bis 3 cm beträgt. Die 5 Kronblätter sind nur am Grunde verwachsen, schmutzig dunkelviolett bis stahlblau gefärbt und mit länglichen, dunklen Flecken versehen. Auch der Kelch ist tief geteilt. Die Blüten sind in einer traubenähnlichen, schmalen Thyrse angeordnet, die sich am Ende des Stängels befindet.

Kreuz-Enzian – wenn überhaupt, dann in Massen

Mit nur zwei Arten in Nordostdeutschland wahrlich nicht weit verbreitet ist die Gattung Gentiana. Während für den kalkarme, wechselfeuchte Moorwiesen bevorzugenden Lungen-Enzian (Gentiana pneumonanthe L.) nahezu im gesamten Gebiet eine Reihe von Standorten beschrieben sind, handelt es sich bei Gentiana cruciata L. (Abb. 3) um eine ausgesprochene Rarität, die fast nur im Nordosten Brandenburgs anzutreffen ist.

Hier findet er sich auf kalkhaltigen Halbtrockenrasen, in Kiefern-Trockenwäldern und an deren Säumen, wie sie sich im Naturschutzgebiet Geesower Hügel und in den Grundmoränenzügen der Umgebung gehäuft finden.

Der normalerweise im Juli und August blühende Kreuz-Enzian kann eine Höhe von etwa einem halben Meter erreichen. Typisch für die Art ist der ziemlich dicht beblätterte Stängel, dem die bei vielen Enzian-Arten vorkommende grundständige Blattrosette fehlt. Die (natürlich) gegenständigen Blätter sind 2 bis 5 cm lang, länglich-lanzettlich geformt und durch drei mehr oder weniger deutliche Adern charakterisiert.

Im unteren und mittleren Teil der Sprossachse stehen oder sitzen die Blüten einzeln, zu zweit oder zu dritt in den Achseln der Laubblätter, wogegen sie an der Stängelspitze kopfig gehäuft vorkommen. Die "typisch enzianfarbene", tiefblaue und außen etwas grünliche, ca. 2 bis 2,5 cm lange Krone ist weitröhrig-glockig und überwiegend vierzipfelig. Daneben finden sich aber immer wieder einzelne Blüten mit fünfzipfeliger Krone.

Trotz des oben erwähnten seltenen Vorkommens des Kreuz-Enzians ist der Hinweis in Bestimmungsbüchern, dass er an diesen wenigen Standorten oft in individuenreichen Beständen anzutreffen ist, zutreffend. Dies kann man in den Geesower Hügeln deutlich erfahren, wo weit über tausend Kreuz-Enziane wachsen.

Allerdings ist dies für das 3,5 Hektar große Schutzgebiet keine Besonderheit, denn zahlreich sind dort auch andere ansonsten nicht allzu häufige Arten wie Orchis tridentata Scop. (Dreizähniges Knabenkraut), Anthericum liliago L. (Ästige Graslilie), Lychnis viscaria L. (Pechnelke), Thesium linophyllon L. (Mittleres Vermeinkraut) oder Odontitis lutea (L.) Clariv. (Gelber Zahntrost).

Literatur

Aichele D, Schwegler HW: Die Blütenpflanzen Mitteleuropas, Bd. 3. Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart 2000. Jenkert D, Fukarek F, Korsch H (Hrsg.): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Ostdeutschlands. Gustav Fischer Verlag, Jena u.a. 1996 Jäger EJ, Werner K (Hrsg.): Rothmaler – Exkursionsflora von Deutschland, Bd.ū 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin 2002. Weinitschke H (Hrsg.): Handbuch der Naturschutzgebiete der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. 2. Urania-Verlag, Leipzig u.a. 1982.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.