DAZ aktuell

Die Struktur-Aufweichungsreform (Kommentar)

Nun liegt es also auf dem Tisch: Das Eckpunkte-Papier der "Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform". Im Hinblick auf die Apotheken scheint vor allen Dingen bei zwei Punkten parteiübergreifend Einigkeit unter den Politikern zu herrschen: Das Mehrbesitzverbot wird dahingehend aufgelöst, dass jeder Pharmazeut vier Apotheken besitzen darf – die vom Eigentümer geführte Apotheke ist offensichtlich nicht mehr erwünscht. Der zweite Punkt betrifft die Freigabe des Versandhandels. Für Letzteren werden vollmundig "faire Bedingungen für den Wettbewerb von Versandapotheken mit öffentlichen Apotheken" angekündigt.

Bezieht man als dritten wichtigen Punkt die Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung, bei der die Politiker auf den ersten Blick dem ABDA-Kombimodell (Abgabehonorar von 8,10 Euro gekoppelt mit dem Zuschlag von 3 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis) gefolgt sind, in die Überlegungen mit ein, so scheint das Schlimmste abgewendet zu sein: Immerhin ist das Fremdbesitzverbot nicht gefallen, und den Versendern scheint die ökonomische Basis dank der neuen Arzneimittelpreisverordnung – das Geschäft mit den rentablen hochpreisigen Medikamenten – weggebrochen zu sein.

Sind die Apotheken also noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen? Auf der Grundlage des Eckpunktepapiers kann man diese Frage nur mit einem vernuschelten "wohl kaum" beantworten, da neben dem blumigen Wortgeklingel von "mehr Transparenz" und dem "fairen Wettbewerb" keine echten Strukturreformen erkennbar sind, sondern eher Strukturaufweichungen.

So heißt es beispielsweise im Hinblick auf die Krankenhausapotheken lapidar: "Soweit Krankenhausapotheken Arzneimittel für die ambulante Versorgung abgeben dürfen, vereinbaren sie Handelszuschläge mit den Krankenkassen." Und unter dem Stichpunkt "Beteiligung von Apotheken bei besonderen Versorgungsformen" heißt es weiter: "An den vertraglich vereinbarten Versorgungsformen kann die Krankenkasse oder die Einrichtung Apotheken durch Vertrag beteiligen. Die Angebote sind auszuschreiben."

In Bezug auf die Versandapotheken wird folgendes formuliert: "Versandapotheken werden wie öffentliche Apotheken in die integrierte Versorgung mit einbezogen. Die Krankenkassen können dann im Rahmen der Ausschreibungen die Höhe der Krankenkassenrabatte abweichend von der Arzneimittelpreisverordnung vereinbaren."

Konkret bedeutet das, dass die Chancengleichheit der viel zitierten "langen Spieße" durch Sonderverträge jederzeit ausgehebelt werden kann: Krankenhausapotheken werden zur massiven Konkurrenz für öffentliche Apotheken, und der jetzt schon stärkste Marktteilnehmer wird auch die öffentlichen Ausschreibungen für sich entscheiden. Durch das Hintertürchen könnten somit wieder die Versandhandelsapotheken unter verzerrten Wettbewerbsbedingungen im Vorteil sein.

Gleichzeitig wird beispielsweise in einer Kleinstadt derjenige Apotheker zum Platzhirsch gemacht, der dort als Sieger aus einer solchen Ausschreibung hervorgeht. Und genau dieser Platzhirsch wird dann in der Lage sein, noch weitere drei "Nebenstellen" zu etablieren (sei es durch Gründung oder Kauf).

Durch diese langfristige Entwicklung hin zu weniger Apotheken-Besitzern werden systematisch auch die finanziellen Pfründe, aus denen die ABDA und die Kammern heute noch schöpfen, verringert. Und das wiederum bedeutet, dass die Politiker in Sachen Apotheken es künftig mit weitaus geschwächteren Verhandlungspartnern zu tun haben werden, als dies heute schon der Fall ist.

Wenn man dann noch unter dem Stichwort der integrierten Versorgung folgenden Satz findet: "Krankenkassen können Verträge auch mit Trägern von Gesundheitszentren und mit Trägern, die eine Versorgung durch dazu berechtigte Leistungserbringer anbieten, selbst aber nicht Versorger sind (z. B. Managementgesellschaften), abschließen", dann liegt doch der Verdacht nahe, dass vor dem Hintergrund dieser Kulisse das Fremdbesitzverbot keineswegs so fest verankert ist, wie das derzeit noch behauptet wird.

Claus Ritzi

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