DAZ aktuell

Wahrlich bittere Pillen (Kommentar)

Beklatschen und feiern ließen sie sich bei allen Gelegenheiten, bei denen Apotheker anwesend. Wie rettende Engel traten sie auf, die Oppositionspolitiker mit wohlklingenden Positionen in den Gesundheitsausschüssen ihrer Partei. Nur Schall und Rauch waren sie, diese wohlklingenden Worte, die sich - beifallheischend - gegen Fremd- und Mehrbesitz, gegen Versandhandel, gegen Kahlschlag in den Apotheken richteten.

Nichts, aber auch nichts davon haben die so wortgewaltig auftretenden Unions-Damen und -Herren in die jetzt vorgelegten Eckpunkte zur Gesundheitsreform einfließen lassen (dürfen?). Das Konsenspapier liegt seit Montag auf dem Tisch - und es enthält wahrhaft bittere Pillen für uns Apotheker!

Alle Hoffnungen auf Einsicht, Abmilderungen und Kompromisse sind verflogen. Der Versandhandel kommt, medizinische Versorgungszentren kommen - der Sozialismus vergangener Jahre lässt grüßen. Apotheken dürfen künftig bis zu drei "Nebenstellen" haben, was auch immer das heißen mag. Die Arzneimittelpreisverordnung wird umgekrempelt, spätere Anpassungen derselben werden bequemerweise in die Verantwortung eines anderen Ressorts verlegt, nämlich das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit.

Nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel werden nicht mehr von den Kassen erstattet, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Damit erledigt sich die Diskussion um die Positivliste (ohnehin vom Tisch) und die darin enthaltene "Schamanenmedizin" von selbst. Denn Homöopathika und viele "Phytos" haben jetzt keine Chance mehr auf Kassenerstattung. Für manchen Herstellerbetrieb sicher ein sehr herber Einbruch, der völlig andere Marketingkonzepte nach sich ziehen wird - möglicherweise zum Vorteil für die Apotheker?

Für OTC-Produkte werden die Preise frei gegeben. Eine umwälzend neue Situation für die Apotheker als Kaufleute - aber auch für die Kunden. Wie wird das funktionieren - wie wird die nötige Transparenz für den Preisvergleich geschaffen? Müssen die Apotheken demnächst - vergleichbar den Speisekarten von Gaststätten - eine Preisliste der gängigen OTCs ins Schaufenster hängen? Dürfen sie die nach Belieben ändern? (Wohlhabender Kunde = höherer Preis? Armer Schlucker oder cleverer Schnäppchenjäger = niedriger Preis?) Wenn wirklich alles so auf die Apotheken zurollt, wie es jetzt aussieht, dann steht uns allen ein gewaltiges Stück Veränderung, rigoroses Umdenken und vor allem Arbeit bevor.

Im Vorspann zu den Eckpunkten heißt es vollmundig: "Mit dieser Reform werden die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung verbessert, (...), die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen verbessert, leistungsfähige Strukturen geschaffen, (...) und Bürokratie abgebaut." Klar, Verbesserungen und Abbau von Bürokratie sind immer lobenswerte, hohe Ziele und daher nicht angreifbar. Doch nicht nur ich frage mich, was an den bisherigen Strukturen der Arzneimittelversorgung nicht leistungsfähig war.

Reinhild Berger

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