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Technologie: Moderne Pulverinhalate

Im Pharmazeutischen Kolloquium der Universität Düsseldorf am 5. Dezember 2002 hielt Dr. Hartwig Steckel, Pharmazeutisches Institut der Universität Kiel, einen Vortrag über "Schwierigkeiten bei der Herstellung von Pulverinhalaten".

In den letzten 15 Jahren hat die Entwicklung auf dem Gebiet der Pulverinhalate großen Auftrieb erfahren. Das liegt zum einen daran, dass sie eine Alternative zu Dosieraerosolen sind, bei denen die Umstellung von FCKW-haltigen auf FCKW-freie Produkte große Schwierigkeiten bereit und deren Applikation problematisch ist (Koordinationsprobleme).

Zum anderen bieten sie die Möglichkeit zur Applikation von systemisch wirksamen Arzneistoffen, insbesondere von Peptiden und Proteinen. Das am weitesten fortgeschrittene derartige Projekt ist Exubera, ein insulinhaltiges Pulverinhalat der Firma Inhale, das sich in den Vereinigten Staaten kurz vor der Zulassung befindet.

Anforderungen an Pulverinhalate sind

  • eine hohe Dosiergenauigkeit bei in der Regel niedriger Wirkstoffmenge (5 – 1000 µg/Dosis) sowie
  • eine hohe Feinpartikelfraktion (aerodynamischer Durchmesser < 5 µm) im Aerosol. Sie wird in vitro mit der Impaktionsmethode bestimmt, die einen guten Vergleich von Formulierungen untereinander sowie eine vage Vorhersage für die Deposition in vivo erlaubt.

Geeignete Pulverformulierungen

Bei der Applikation sorgt der Inhalator durch seinen charakteristischen Aufbau und die Luftführung für eine effektive Deagglomerierung des Pulvers im Inhalationsstrom. Voraussetzung dafür ist eine geeignete Pulverformulierung. Es gibt zwei Möglichkeiten, die schlechten Fließeigenschaften der mikronisierten Wirkstoffpartikel zu umgehen:

  • Die eine Technologie nutzt die kohäsiven Eigenschaften von frisch mikronisierten Stoffen und bildet aus ihnen durch eine kontrollierte Spheronisation Agglomerate gezielter Größe, die ein besseres Fließ- und Dosierverhalten zeigen. Bei der Inhalation zerfallen die Agglomerate wieder in Primärpartikel und können so in die Lunge gelangen (z. B. Turbohaler® und Twisthaler®).
  • Die andere Technologie verbessert das Fließ- und Dosierverhalten des mikronisierten Stoffes durch Mischung mit einem Trägerstoff (meist Lactose-Monohydrat, auch Mannitol, Glucose oder Trehalose), der eine deutlich größere mittlere Partikelgröße und in der Regel eine enge Verteilung mit einem D50%-Wert von 60 bis 180 µm besitzt (interaktive Pulvermischung). Bei der Inhalation lösen sich die Wirkstoffpartikel von dem Trägerstoff und gelangen in die Lunge, während der Trägerstoff im Mund-Rachen-Raum verbleibt (z. B. Diskhaler®, Diskus®, Aerolizer®).

Der letztere Formulierungsansatz wird von den meisten Herstellern aufgrund des einfacheren Herstellungsprozesses bevorzugt.

Jedoch hat sich gezeigt, dass viele Formulierungsvariablen die Effektivität der Feinpartikelfraktion beeinflussen. Da ist zunächst einmal der Trägerstoff selbst zu nennen: Untersuchungen haben gezeigt, dass dessen Qualität (Hersteller, gemahlene Ware, gesiebte Ware usw.) das Adhäsionsverhalten des mikronisierten Wirkstoffes an die Trägerstoffoberfläche beeinflusst. Durch Kristallfehlstellen, Bruchkanten und Verunreinigungen gibt es auf Kristallen Flächen mit einer so hohen Oberflächenenergie, dass der daran gebundene Wirkstoff während der Inhalation nicht vollständig abgelöst werden kann und die Feinpartikelfraktion im Inhalat entsprechend abnimmt.

Belegt man diese "aktiven" Stellen mit etwas feingemahlener Lactose, Mg-Stearat oder einem vergleichbaren Additiv, so wird der Wirkstoff an die weniger aktiven Stellen der Trägerstoffoberfläche gebunden, von denen er während der Inhalation entsprechend leichter abgelöst werden kann. Den gleichen Effekt kann man auch mit einer höheren Wirkstoffkonzentration erzielen, indem die überschüssigen Wirkstoffpartikel an die aktiven Stellen binden, während genügend Wirkstoffmenge vom Trägerstoff gelöst wird.

Außer dem Trägerstoff können auch scheinbar so triviale Dinge wie der ausgewählte Mischer, die Mischzeit und die Luftfeuchtigkeit vor und während der Herstellung die Effektivität des Pulverinhalates beeinträchtigen. Insbesondere bei zu hoher Luftfeuchtigkeit während der Herstellung und Lagerung erhöhen die Kapillarkräfte die Wirkstoff-Trägerstoff-Bindungen.

Particle Design

Ein ganz neues Feld in der Entwicklung von Pulverinhalaten stellt das Particle Design dar. Hier wird versucht, Wirkstoffe gezielt in der gewünschten Partikelgröße, -form und -dichte zu kristallisieren, um die negativen Eigenschaften von gemahlenen Pulvern wie z. B. amorphe Oberflächen, Lagerinstabilität, elektrostatische Aufladung und schlechte Fließeigenschaften zu umgehen. Es gibt zwei Technologien:

  • Der in einem organischen Lösemittel gelöste Wirkstoff wird in überkritisches CO2 gesprüht und kristallisiert, während das Lösemittel sich mit dem CO2 mischt. Durch den Entzug des Lösemittels ist ein weiteres Wachstum der kleinen Kristalle nicht möglich (Feinpartikelfraktionen z. T. > 60%).
  • Bei der In-situ-Mikronisation wird der Wirkstoff in einem herkömmlichen Solvent-Change-Prozess kristallisiert, aber das weitere Wachstum der Kristalle durch die Belegung mit einem hydrophilen Polymer verhindert (Feinpartikelfraktionen von bis zu 85%).

Die nach diesen beiden Verfahren hergestellten Partikel zeichnen sich durch geringe Autoadhäsion und Adhäsion und gute bis exzellente Fließeigenschaften aus.

Es hat also in den vergangenen Jahren viele Weiterentwicklungen und Optimierungen der Pulverinhalate gegeben.

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