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GKV-Finanzierung: Gutachten: Bei Kopfpauschalen überwiegen die Nachteile

BERLIN (ks). Im Rahmen der jetzt diskutierten Gesundheitsreform bleibt die Frage nach der langfristigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) außen vor. Dies wird erst der nächste Schritt zur Sanierung des Gesundheitssystems sein. Im Wesentlichen stehen sich zwei Modelle gegenüber: Die Bürgerversicherung für alle und ein einkommensunabhängiges Kopfpauschalensystem.

Zwei im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erstellte Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass die Einführung von Kopfpauschalen keine Vorteile bringen wird. Sie seien nicht geeignet, die Arbeitskosten zu senken, würden vor allem niedrige Einkommen belasten und für den Staat Subventionen von rund 29 Mrd. Euro bedeuten, so die Gutachter.

Die beiden Gutachten wurden am 14. Juli in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. Prof. Dr. Jürgen Wasem vom Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen vergleicht in seiner Studie bereits vorhandene Konzepte zum Kopfpauschalensystem und nimmt die Argumente der Befürworter unter die Lupe.

Seine Ergebnisse: Da der bisherige Arbeitgeberbeitrag in Lohn umgewandelt werden soll, werden Kopfpauschalen die Lohnnebenkosten nicht in nennenswerter Weise senken und den Arbeitsmarkt daher kaum beleben. Auch seien Kopfprämien keine Voraussetzung für mehr Wettbewerb im System. Dieser lasse sich auch durch ein flexibleres Vertragsrecht einführen, so Wasem.

Zwar räumt der Gutachter ein, dass mit dem Kopfpauschalenmodell die Integration von Zu- und Abwahlleistungen erleichtert würde – doch dies sei ohnehin "ein Irrweg in der GKV", so Wasem. Weitere Probleme brächten die Frage der Altersrückstellungen mit sich, sowie der Umstand, dass der Finanzminister jedes Jahr Gelder für die Subventionierung des Systems in seinem Haushalt stellen müsste. Schon jetzt zeige sich bei der Rente, dass letzteres Jahr für Jahr zu Diskussionen über die verfügbaren Gelder führen werde.

Das zweite Gutachten, erstellt von einem Team um Prof. Dr. Anita Pfaff vom Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES) in Nürnberg, befasst sich mit den finanziellen Auswirkungen von Kopfpauschalen auf die öffentlichen Haushalte. Pfaff zufolge führt die Umstellung zu einer "massiven Umverteilung von oben nach unten".

Bei einheitlichen Pauschalen für Erwachsene von 201 Euro pro Monat würden Alleinstehende, Alleinerziehende und einzelne erwerbstätige Ehepartner ab einem monatlichen Bruttolohn von 1500 Euro geringere Beiträge zahlen als bisher. Doppelverdienende Eheleute würden erst bei einem Einkommen ab 3000 Euro entlastet.

Pfaffs Fazit: "Kopfpauschalen passen weder zu einer Politik, die versucht die Lohnnebenkosten zu senken, noch zu einer Politik, die soziale Gerechtigkeit verfolgt". Auch die Staatskasse würde mit einem solchen Modell erheblich geschröpft: Bei Kopfpauschalen mit beitragsfreier Mitversicherung Minderjähriger würden für die bisherigen GKV-Versicherten rund 29 Mrd. Euro benötigt, so Pfaff.

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