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AOK meldet für 2003 weiter steigende Arzneimittelumsätze

BERLIN/BONN (ks). Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steigen einer Analyse des wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO) zufolge weiterhin ungebremst: Im ersten Quartal 2003 habe sich der Arzneimittel-Umsatz der Kassen um 10,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erhöht. Dabei berücksichtigt die AOK allerdings nur die Bruttoausgaben Ų Rabatte bleiben außen vor. Für Dr. Rolf Hoberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, sind diese Zahlen dennoch ein Zeichen für die dringende Notwendigkeit von Strukturreformen. Diese sollen vor allem bei Apothekern und Pharma-Industrie ansetzen. Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) spricht hingegen von einer "billigen Zahlentrickserei der AOK".

Nur mit einer Strukturreform, die alle Marktbeteiligten einbezieht, sei eine Dämpfung der Ausgabendynamik im Arzneimittelmarkt auf Dauer zu erreichen, erklärte Hoberg bei der Vorstellung der Zahlen am 4. Juli in Bonn: "Die Erhöhung der Patienten-Zuzahlungen allein kann den GKV-Brandherd Arzneimittelausgaben nicht löschen".

Der AOK-Vorstands-Vize verwies auf Analysen des WidO, wonach die Bruttoausgaben für Medikamente zulasten der GKV von Januar bis März 2003 um 565 Mio. Euro bzw. 10,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen seien. Bei ungebremster Entwicklung sei für das Gesamtjahr 2003 mit einer Zunahme der Bruttoausgaben von 2,3 Mrd. Euro zu rechnen. Ursache für die "Kostenexplosion" sei die Aufhebung des Arzneimittelbudgets 2001.

Hoberg prognostiziert weiter: Wachsen die Ausgaben 2003 wie erwartet, bedeute dies gegenüber 2000 ein Plus von knapp 30 Prozent (rund 5,7 Mrd. Euro). Das Beitragssatzsicherungsgesetz habe die Ausgabenexplosion im Arzneimittelbereich nur temporär und partiell dämpfen können. Auch die Profiteure der Umsatzsteigerungen stehen für die AOK fest: "Am massiven Umsatzzuwachs seit Budgetaufhebung haben Pharmaindustrie, Großhandel und Apotheken gleichermaßen partizipiert. Das belegen die Unternehmensbilanzen dieser Marktakteure eindrucksvoll", so Hoberg.

Referenzpreise für patentgeschützte Arzneimittel

Das WIdo erklärt die steigenden Ausgaben vor allem mit der hohen Strukturkomponente: So sei der Durchschnittspreis einer Packung von 25,80 Euro im Jahre 2000 auf 30,01 Euro im ersten Quartal 2003 angestiegen (plus 16,3 Prozent).

Viele der neuen Arzneimittel seien jedoch reine Nachahmerwirkstoffe ohne therapeutischen Mehrnutzen, die hochpreisig vermarktet würden. Mittlerweile, so Hoberg, werde mehr als jeder fünfte Euro für diese oft unnötig teuren Präparate ausgegeben. Der AOK-Bundesverband fordert deshalb, auch für noch patentgeschützte Präparate wieder Referenzpreise einzuführen, wie es sie bis 1995 bereits gab.

Pro Versand- und Kettenapotheken

Daneben gelte es aber auch, die Handelsstufen an einer wirtschaftlicheren Ausgestaltung der Arzneimittelversorgung zu beteiligen. So müsse durch Zulassung von Apothekenketten und Versandhandel mehr Wettbewerb implementiert werden. Die im internationalen Vergleich sehr hohe deutsche Handelsspanne würde dadurch sinken, so Hoberg.

Zudem müsse die Apothekenvergütung selbst reformiert werden: Apotheker sollten zukünftig aufwandsgerecht honoriert werden. Die automatische prozentuale Koppelung der Apotheken- und Großhandelseinkommen an die Preispolitik und die Marketingerfolge der Hersteller sei ein Anachronismus, der sich schädlich auf die Finanzierbarkeit und die Strukturprobleme im deutschen Gesundheitssystem auswirke.

Mit dem Übergang zu einer Fixgebühr pro Packung könnten Fehlanreize zur Abgabe teurer Arzneimittel eliminiert werden. Der AOK zufolge könnten Apotheker unter den gegenwärtigen Bedingungen kostenneutral davon kommen, wenn eine Fixgebühr von knapp fünf Euro eingeführt würde.

BPI: AOK will nur von anderen Problemen ablenken

Der BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp erklärte, die Behauptung des AOK-Bundesverbands, die Arzneimittelkosten seien im ersten Quartal 2003 um 10,5 Prozent gestiegen, entbehre jeglicher Grundlage. Er verwies auf das Bundesgesundheitsministerium, das am 3. Juni gemeldet hatte, die Zuwachsrate im ersten Quartal dieses Jahres liege bei 2,5 Prozent.

"Bereinigt um die Sonderzahlung einiger Arzneimittelhersteller in Höhe von 200 Mio. Euro, die die Vergleichszahl 2002 verringert, ergibt sich für Januar bis März 2003 tatsächlich sogar ein Rückgang der Arzneimittelausgaben", so Fahrenkamp – ein Umstand, den auch das Ministerium nicht übersehe.

"Offensichtlich will die AOK mit ihrem billigen Zahlentrick die unrühmliche Tradition der GKV fortführen, die Arzneimittelausgaben für die Finanzmisere der Kassen verantwortlich zu machen", erklärte der BPI-Hauptgeschäftsführer. Durch Polemik wolle die AOK nur von den tatsächlichen Problemen der GKV und den stark steigenden Verwaltungsausgaben ablenken.

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