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Die DocMorris-Story zeigt: die deutschen Apotheken haben es versäumt, ihre Leistungen in der Arzneimittelversorgung, ihre perfekte Distribution gekoppelt mit individueller Beratung, Arzneimittelsicherheit und Rund-um-Versorgung nachhaltig in der Bevölkerung zu kommunizieren. Und vor allem: die deutschen Apothekerinnen und Apotheker konnten die meinungsmachenden Medien nicht von ihrem Wert für unser Gesundheitswesen überzeugen.

Nur so lässt es sich erklären, dass die Leistungen der deutschen Apotheke nicht gesehen, nicht geschätzt und bis zu einem gewissen Teil als verzichtbar eingestuft werden. Denn: eine Versandapotheke, die nicht einmal in Deutschland sitzt, sondern beispielsweise in den Niederlanden, so die Überzeugung der Medien, kann die deutsche Bevölkerung auch versorgen – und das noch billiger und ohne die lästige Zuzahlung zu erheben.

Diese Ansicht haben ignorante und das System nicht durchblickende Journalisten der Bevölkerung nahe gebracht. DocMorris als Robin Hood der Patienten und Krankenkassen. Vor diesem Hintergrund muss wohl die aberwitzige Verleihung des Deutschen Gründerpreises an DocMorris im Rahmen der StartUp-Initiative erfolgt sein (wir berichteten).

Obgleich die Apotheker ihren Protest sofort formulierten und auf die skandalösen Voraussetzungen der DocMorris-Belieferungen nach Deutschland hinwiesen, zeigten sich die beteiligten StartUp-Initiative-Mitglieder wie der Stern und das ZDF uneinsichtig. Der Stern hob in seiner Ausgabe 28 hervor, dass an DocMorris nichts illegal sei, sondern nur die liberaleren gesetzlichen Regeln der EU und Hollands genutzt würden.

Auch das ZDF nimmt den Pillen-Aldi, wie der Stern den Versender bezeichnet, in einem Brief in Schutz und erklärt, es stehe zu der Auszeichnung für DocMorris. Der niederländische Arzneiversender verstoße nicht gegen deutsches Recht, führe ordentlich seine Mehrwertsteuer ab und überhaupt darf legal nach Deutschland geliefert werden. Basta, so einfach werden hier Behauptungen aufgestellt.

In dem Schreiben, das das ZDF an die Protestschreiber verschickt, findet sich dabei die delikate Stelle: "Der Versand von Medikamenten wird nur eine Ergänzung des Angebotes der Präsenzapotheker darstellen. Für die Betreuung der Patienten vor Ort wird die Apotheke weiterhin der wichtigste Ansprechpartner sein. Der Grund hierfür ist die Beratung, die nur in der Apotheke vor Ort umfassend stattfinden kann."

Daraus schließe ich: Das ZDF spricht DocMorris die Möglichkeit ab, umfassend zu beraten. Die Antwort zeigt aber auch, dass die Pläne des Gesundheitsministeriums, Versandapotheken zu privilegieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, außerhalb einer Arzneimittelpreisverordnung Verträge mit Krankenkassen abzuschließen – die eigentliche Gefahr für die Präsenzapotheke – , beim ZDF nicht bekannt sind.

Nur unser Bundespräsident Johannes Rau hat sich umgehend von der Preisverleihung distanziert, nachdem er über die Hintergründe informiert worden war, nicht zuletzt durch die zahlreichen Briefe seitens der Apotheker. Übrigens: In seiner Amtszeit war dies bisher das erste Mal, dass sich Rau von einer Schirmherrschaft zurückgezogen hat. Wie die Deutsche Presseagentur recherchierte, gab es in der Vergangenheit nicht viele solcher Vorfälle, in denen ranghohe Politiker Schirmherrschaften niederlegten, weil sie sich getäuscht fühlten bzw. getäuscht wurden.

Ein Letztes zu diesem Thema: Lesen Sie doch einmal die Lobeshymne auf den Preisträger "Visionär" auf den Internetseiten der StartUp-Initiative durch (www.startup-initiative.de) und warum man dieses visionäre Unternehmen unter dem Schwerpunktthema "Aufbrechen starrer Märkte" ausgewählt hat. Daraus geht für mich hervor, dass die Juroren die Zusammenhänge nicht verstanden haben oder sie nicht verstehen wollen.

Da ist u. a. die lobende Rede vom Wegfall der Zuzahlung (was bekanntlich in Deutschland schlichtweg verboten ist), oder von der pharmazeutischen Beratung des Patienten per Telefon, E-Mail oder Post (als ob das visionär oder innovativ wäre – deutsche Apotheken machen das schon lange) oder von "IT-gestützten Datenbanken zum Gesundheitsprofil und der Medikamentenhistorie der Kunden. "Jede Bestellung wird mit dem bisherigen Arzneimittelverbrauch des Kunden verglichen, sodass z. B. Kontraindikationen sofort erkannt werden", heißt es da weiter.

Ein Checkup der Medikamentenhistorie ist auch für deutsche "Präsenzapotheken" nichts Neues. Seit Apotheken auf freiwilliger Basis Kundenkarten ausgeben – und das war schon in der "Vor-DocMorris-Ära" – laufen solche Checks in vielen Apotheken im Hintergrund ab – ohne dass dies an die große Glocke gehängt wird.

Aber vielleicht liegt darin ein Fehler: wir haben unsere Leistungen zu bescheiden herausgestellt, zu wenig für uns getrommelt. Auch mehrere Krankenkassen stellen zur Zeit in ihren Patienteninformationsblättern oder Kundenzeitschriften die "Gratis-Arzneimittel-Checks" von DocMorris heraus und loben dies als etwas Besonderes, so z. B. auch die DocMorris-Anbeterin GEK (Gmünder Ersatzkasse).

Möglicherweise sind da auch Fehler bei der Apotheker-Öffentlichkeitsarbeit zu suchen. Man hätte gebetsmühlenartig die von Apotheken angebotenen kostenlosen Arzneimittel-Checks propagieren sollen oder die telefonische und sonstige "IT-gestützte" Beratung. Und man hätte sich eher zur Versandapotheke bekennen sollen, die allerdings nur unter den gleichen Bedingungen wie eine Präsenzapotheke arbeiten darf, ohne Privilegien. Dann hätten die deutschen Apotheken zumindest gezeigt, dass sie nicht an alten Zöpfen hängen.

Wir jedenfalls lassen nicht nach, auf die Leistungen der Apotheke hinzuweisen. Die 6. Folge unserer Serie "Arzneimittelsicherheit im Apothekenalltag" zeigt wieder, dass Distribution von Arzneimitteln mehr ist als "nur" Logistik und Schubladenziehen. Versorgen ist einfach mehr als Liefern.

Peter Ditzel

Zu wenig getrommelt

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