DAZ aktuell

Pharmagroßhandlung Sanacorp: Trotz Erfolgen Befürchtungen für die Zukunft

MÜNCHEN (ri). Die Hauptversammlung der Sanacorp Pharmahandel AG hat am 30. Juni 2003 der von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagenen Dividendenausschüttung für die Stammaktien von 0,84 Euro je Aktie und für die Vorzugsaktien von 0,89 Euro je Aktie zugestimmt. Damit beläuft sich die Dividende an die Anteilseigner auf insgesamt 6 857 380 Euro. Von dieser Summe werden 2,5 Millionen Euro Gewinnrücklagen gebildet. Der Vorstandsvorsitzende Manfred Renner sah in politischer Hinsicht schwere Zeiten auf das Unternehmen zukommen.

Renner sprach von einem "zufrieden stellenden Ergebnis", wies aber im Zusammenhang mit dem Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG) gleichzeitig darauf hin, dass "wir Ihnen dieses Ergebnis in dieser Höhe wohl so bald nicht mehr präsentieren können".

Im Geschäftsjahr 2002 war die Sanacorp mit einer Umsatzsteigerung von 4,3 Prozent mit dem Markt gewachsen, der insgesamt eine Umsatzsteigerung von 4,7 Prozent verbuchte. Renner warf der Politik vor, mit dem BSSichG einseitig die Ausgabenseite "mit einem Übermaß an Belastungen für die Apotheken" drosseln zu wollen. Die richtige Maßnahme wäre aber eine Stärkung der Einnahmenseite gewesen.

Der Vorstandsvorsitzende sah es als "offensichtlich" an, dass die derzeit amtierende Regierung es sich zum Ziel gesetzt habe, "den Apotheker als Freiberufler abzuschaffen". Man wolle ihn in große Organisationseinheiten führen, um ihn dann "zentralisiert kontrollieren und lenken zu können."

Renner äußerte sich auch zum Versandhandel und sagte, dass der Vertriebsweg des Versandhandels wirtschaftlich weniger interessant wäre, wenn man dem vom pharmazeutischen Großhandel eingebrachten Vorschlag folgen und die Margen für hochpreisige Arzneimittel kappen würde. Letztlich sei jedoch der Versandhandel lediglich der "Hebel zur Systemveränderung".

Von tiefergreifender Bedeutung seien zwei andere Elemente des Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetzes (GMG), nämlich die Aufhebung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) und des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Sofern die AMPreisV für die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel aufgehoben wird, sieht der Sanacorp-Chef folgende Entwicklung kommen: "Nach den Mechanismen unseres marktwirtschaftlichen Systems führt dies sehr schnell zu Gruppenwettbewerb, der von Systemköpfen, z. B. Großhändlern betrieben wird; die Apothekenketten wären damit realisiert."

Sollte die Regierung das Mehrbesitzverbot aufheben und gleichzeitig das Fremdbesitzverbot belassen, so sei dies verfassungsrechtlich angreifbar. Renner empfahl aus diesem Grund allen Marktbeteiligten, sich gleich auf den vollständigen Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes einzustellen.

Milliardenschwere Sparvorschläge eingereicht

Der Vorstandsvorsitzende sprach sich auch für eine Veränderung der AMPreisV aus und wies darauf hin, dass man entsprechende Vorschläge bei den zuständigen Ministerien eingereicht habe. Renner: "Der Vorschlag des Großhandels beinhaltet eine sofortige jährliche Einsparung in Höhe von über 500 Millionen Euro." Zusätzlich könnten durch Änderungen im hochpreisigen Segment in den kommenden Jahren noch Einsparungen in Milliardenhöhe erzielt werden.

Grundsätzlich sollte jedoch der Einheitspreis für Arzneimittel – nicht zuletzt, um der Entwicklung von Ketten keinen Vorschub zu leisten – beibehalten werden. Die Patienten sollten unabhängig vom Wohnort, unabhängig von ihrer eigenen Mobilität und unabhängig von einer endlosen Preisrecherche ihre Medikamente erwerben können.

Im Zusammenhang mit dem Fremd- und Mehrbesitzverbot bzw. der AMPreisV veranschaulichte Renner anhand von drei Modellen die möglichen politischen Szenarien:

Fall 1: Einheitspreis und Fremd- und Mehrbesitz werden aufgehoben. Die Folge: Es bilden sich Ketten von Konzernapotheken. Fall 2: Lediglich der Einheitspreis wird aufgehoben. Die Folge: Kettenbildung in Form von Franchisesystemen. Fall 3: Der Einheitspreis bleibt, das Fremd- und Mehrbesitzverbot fällt. Die Folge: Konzernapotheken wie in Fall 1, aber "wahrscheinlich ohne verstärkte Außenwirkung, weil der Preiswettbewerb fehlt", vermutete Renner für den letzten Fall.

Vor diesem Hintergrund empfahl der Vorstandsvorsitzende, "durch eine engere Zusammenarbeit in allen wirtschaftlich relevanten Bereichen die Nachteile eines Einzelkämpfers auszugleichen. (...) Frei bleibt, wer sich stärker bindet." Obwohl man eine Systemänderung abweisen möchte, müsse man sich jedoch gleichzeitig darauf vorbereiten, schon kurzfristig vor "maßgeblich geänderten Rahmenbedingungen zu stehen".

Zum Stand der ANZAG-Übernahme

Der Sanacorp-Vorstandsvorsitzende ging im weiteren Verlauf seiner Rede auf die Übernahme von weiteren 25 Prozent zu den schon bestehenden 25 Prozent Anteilen bei der Anzag ein. Zur Ausübung dieser Option hatte die Sanacorp beim Bundeskartellamt einen Antrag zur Übernahme dieser weiteren Anteile gestellt.

Das Bundeskartellamt lehnte diesen Antrag ab, da man durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung in einzelnen Regionen erreichen würde. Dagegen erhob die Sanacorp Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Am 23. Dezember 2002 hob das OLG die Unterlassungsverfügung des Bundeskartellamtes auf. Innerhalb der vierwöchigen Widerspruchsfrist hat das Kartellamt dann am 31. Januar 2003 Rechtsbeschwerde gegen das OLG-Urteil eingelegt. Die Frist für die Beschwerdebegründung lief nun zum 16. Juni 2003 aus.

Derzeit wird bei Sanacorp die entsprechende Erwiderung erarbeitet. Die endgültige Entscheidung wird dann vor dem Bundesgerichtshof zu fällen sein. Dieser Rechtsweg hat erfahrungsgemäß eine Verfahrensdauer von 12 bis 18 Monaten. Renner verwies darauf, dass man derzeit Möglichkeiten prüfe, "wie dieses Verfahren eventuell abgekürzt werden könnte".

Auch die Möglichkeit, mit einem französischen Partner die Mehrheit der Anzag gemeinsam zu übernehmen, werde vom Kartellamt abgelehnt. Die Möglichkeit, per Gerichtsbeschluss die sofortige Vollziehbarkeit des OLG-Urteils zu erreichen, sei derzeit zur Prüfung bei den Sanacorp-Anwälten.

Zu diesem Thema meldete sich im Anschluss an die Rede des Vorstandvorsitzenden der Sanacorp der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Anzag (1990–1996) und jetzige Unternehmensberater Peter J. Haac. Er sagte, dass er im Auftrag einer Investorengruppe, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genannt werden wolle, noch in dieser Woche der Sanacorp ein schriftliches Angebot unterbreiten werde, die bereits bestehenden Anzag-Beteiligungen an diese von ihm vertretene Investorengruppe zu verkaufen.

Der Unternehmensberater erinnerte daran, dass die Beteiligung der Sanacorp an der Anzag ursprünglich rein ordnungspolitische Gründe hatte, die sich aus dem Umstand ergaben, dass die Merkle-Gruppe durch den Zusammenkauf der Pharmagroßhandlungen Schulze, Hageda und Stumpf einen Konzentrationsprozess auslöste, dessen Krönung die Einverleibung der Anzag in diese Gruppe sein sollte.

Heute bestehe diese Gefahr der Konzentration nicht mehr, es sei denn, so Haac, "die Sanacorp setzt sich mit ihrem Vorhaben durch und fusioniert." Der Unternehmensberater wies darauf hin, dass die Apotheker die Kooperation der beiden Großhändler nicht begrüßen würden, da somit der Wettbewerb minimiert werde.

Außerdem sei eine Übernahme der Anzag durch die Sanacorp nicht finanzierbar. Haac rechnete vor: "Für die Ausübung der Option von 25 Prozent Anzag-Aktien sind ca. 75 Millionen Euro notwendig, und für das dann zwingend erfolgende Übernahmeangebot auf 100 Prozent sind weitere 150 Millionen Euro erforderlich. Das ist angesichts der schon heute überstrapazierten Verschuldungskapazität bei der Sanacorp ein hoffnungsloses Unterfangen."

Im Hinblick auf das Kaufangebot durch die von ihm vertretene Investorengruppe machte der ehemalige Anzag-Vorstandsvorsitzende den Aktionären Hoffnung auf eine Sonderausschüttung: "Wir reden über eine signifikante Größe! Der Wert der Beteiligung entspricht dem 10,5-fachen der für 2002 vorgeschlagenen Dividende, dem 4,3-fachen des Ergebnisses pro Aktie nach IAS, und 63 Prozent, also mehr als die Hälfte, des Sanacorp Aktienwertes vom 25. Juni 2002." Das Verkaufsangebot wurde von Renner zurückgewiesen.

Kritik wurde auch von einem Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre laut. Er forderte, die Vorzugsaktie abzuschaffen und aus den Vorzugsaktionären Stammaktionäre mit dem üblichen Stimmrecht zu machen.

Bei der Hauptversammlung wurden sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat entlastet. Des Weiteren genehmigte die Hauptversammlung zahlreiche Satzungsänderungen, die aufgrund des Transparenz- und Publizitätsgesetzes und des Deutschen Corporate Governance Kodex notwendig geworden waren.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.