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Patienten-orientierte Pharmazie: Qualitätsverbesserung und Kostensenkung &ndash

BERLIN (ks). Deutschen Apothekerinnen und Apothekern wird es derzeit nicht leicht gemacht, der Zukunft freudig entgegen zu blicken: Erhöhte Rabatte zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen, freie Preisvereinbarungen, Importklausel, Versandhandel und Mehrbesitz sind nur einige Schlagworte, die dies verdeutlichen. Die Regierung rechtfertigt ihre einschneidenden Vorhaben damit, dass jeder im Gesundheitswesen seinen Beitrag leisten müsse, die finanziell angeschlagenen Krankenkassen zu entlasten. Zudem müsse ein Wettbewerb um Qualität stattfinden. Ein kleiner Zusammenschluss von Apothekern will sich nicht schrecken lassen. Nicht an, sondern mit der Apotheke sparen, lautet seine Devise.

Vor einem guten Jahr gründeten acht Apotheker den "Bundesverband zur Förderung der innovativen inhabergeführten Serviceapotheken Deutschlands", kurz: ISA-Verband. Zusammengefunden haben sich die Apotheker bei einem Workshop der Gehe Pharma Handel GmbH. Und auch jetzt noch begleitet die Fa. Gehe den Verband aktiv, etwa indem ihr Pressesprecher auch für den ISA-Verband in dieser Funktion tätig ist. Er lud am 26. Mai zu einem Presseabend des ISA-Verbands in Berlin. Thema: "Der Mehrwert des Apothekers im Gesundheitssystem der Zukunft".

Dr. Werner Gajewski, Apotheker aus Steinfurt und Sprecher des ISA-Verbands, erläuterte zunächst, wo sein Verband die Zukunftsfaktoren der Apotheken sieht: In Leistung und Qualität, Kompetenz und Service sowie Kollaboration und Vernetzung.

Die Apotheke stelle schon jetzt einen erheblichen Wert da, sie sei so etwas wie "die letzte Tankstelle vor der Autobahn", so Gajewski. Wenn es um falsche Verordnungen durch den Arzt oder Verwechslungen durch den Patienten geht, um bedenkliche Selbstmedikation oder erklärungsbedürftige Arzneiformen – Apotheker können ihr Wissen an vielen Stellen unter Beweis stellen.

"Wir wollen aktiv als Freiberufler am Gesundheitssystem teilnehmen und Lösungen anbieten", erklärte der ISA-Sprecher. Die Verbands-Mitglieder, so Gajewski, seien allesamt Praktiker, was sie möglicherweise von Standesvertretern unterscheide.

Bei der Arzneimitteltherapie kann viel falsch laufen

Dass Patienten und Krankenkassen den therapeutischen Mehrwert des Apothekers zumeist verkennen, erläuterte die Apothekerin Dr. Almut Wintersteiner. Die Pharmazeutin, die seit 1999 in den USA lebt und als Clinical Assistant Professor an der University of Florida tätig ist, zeigte anhand verschiedener Studien, dass eine Qualitätsverbesserung in der Arzneimittelversorgung viele Folgeerkrankungen und auch Todesfälle vermeiden könnte.

Das Institute of Medicine – dessen Empfehlungen in den USA gesundheitspolitische Entscheidungen maßgeblich beeinflussen – hatte bereits 1999 seinen Report "To err is human" – Irren ist menschlich – vorgelegt. Dieser befasste sich mit Umfang und Auswirkungen medizinischer Fehler, indem er zahlreiche Studien der 90er Jahre zusammenfasste.

Das Ergebnis: Arzneimitteltherapie trägt dabei einen Löwenanteil zu vermeidbaren Komplikationen bei. Wintersteiner erklärte, dass es Defizite grundsätzlich in zwei Bereichen gebe: direkte Verletzungen durch das Arzneimittel – etwa Arzneimittelintoxikation – und Verletzungen trotz Arzneimittel, wenn das Potenzial verfügbarer Arzneimittel nicht optimal genutzt worden sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Schnitt erst 17 Jahre später breit in der Praxis umgesetzt würden, so Wintersteiner.

Neben den Gefahren für die Patienten sei auch der finanzielle Aspekt nicht zu vernachlässigen: amerikanischen Schätzungen zufolge überschritten die Kosten für vermeidbare arzneimittelbezogene Probleme deutlich die Ausgaben für verordnungspflichtige Arzneimittel, so die Apothekerin.

Eine konsequente pharmazeutische Betreuung könnte helfen, Fehler in der Arzneimitteltherapie zu vermeiden. Schon heute wird sie in jeder Apotheke angeboten – die kontinuierliche Umsetzung dieser Betreuung sowie die Einbeziehung jedes Patienten stellen jedoch eine Herausforderung dar, so Wintersteiner. Zudem fehlten Messverfahren, die die pharmazeutische Betreuung fortlaufend bewerteten.

Dennoch: Die gegenwärtige Apothekenstruktur in Deutschland biete eine ausgezeichnete Grundlage, arzneimittelbezogene Probleme zu erkennen und zu beheben, meint Wintersteiner. Die finanziellen Probleme der Gesundheitsversorgung sollten daher als Chance gesehen werden, pharmazeutische Betreuung konsequent umzusetzen – und nicht bestehende Strukturen zu zerstören.

Schon jetzt kann viel getan werden

Die Hamburger Apothekerin Sabine Gnekow illustrierte, wie schon jetzt viel zu erreichen sei. Dazu sei nötig, dass das Apothekenpersonal gut geschult ist, sich Zeit für seine Kunden nehmen kann und die technische Ausrüstung stimmt.

Geeignete Indikationen für eine pharmazeutische Betreuung seien etwa Asthma, Diabetes, Kopfschmerzen/Migräne, Ernährungsprobleme, chronische Schmerzen, Multiple Sklerose oder Blutgerinnungsstörungen. Kunden, die sich in eine Kundendatei aufnehmen lassen, können vor allem profitieren. Für sie kann die gesamte Medikation gespeichert werden, Medikationsprofile erstellt werden und so die Probleme und Lösungen erfasst werden, so Gnekow.

Wichtig sei auch eine funktionierende Zusammenarbeit mit dem Arzt: Der Kontakt sollte gepflegt werden – wo es Unklarheiten gebe, solle ohne Zögern zum Telefon gegriffen werden. Vieles lasse sich dann schnell und unproblematisch lösen. Auch Gnekow ist überzeugt: mit pharmazeutischer Betreuung könnten die Krankenkassen Geld sparen. Sei es, weil Apotheker bemerken, dass Patienten von unterschiedlichen Ärzten mehr Medikamente verordnet bekommen als sie verbrauchen können, sei es weil sie für Compliance und eine erfolgreiche Therapie sorgen können.

Gnekow brachte ein weiteres anschauliches Beispiel: Eine junge Frau klagt über Kopfschmerzen. Sie ließ sich vom HNO-Arzt und vom Orthopäden untersuchen, ging zur Krankengymnastik und zur Computertomographie – alles ohne Ergebnis. Die Apothekerin kam auf die Idee, die Patientin zu fragen, ob sie die Pille nehme und das Präparat gewechselt habe. Präparatwechsel und Beginn der Kopfschmerzen ließen sich rasch auf einen Zeitpunkt bringen. Mit einer neuen Pillen-Verordnung war das Problem gelöst.

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