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Seit letzter Woche gibt es einen Entwurf des Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetzes (GMG), der allerdings bis zum Redaktionsschluss dieser DAZ-Ausgabe noch nicht erschienen oder zugänglich war. Lediglich eine Pressemeldung des Bundesgesundheitsministeriums deutete in groben Zügen an, wo es künftig in unserem Gesundheitswesen – nach dem Willen dieser Regierung – lang gehen soll. Eine Veröffentlichung des Entwurfs soll angeblich noch wegen technischer Probleme auf sich warten lassen. Manche munkeln auch, dass noch an Entschärfungen gefeilt werde.

Das wäre nicht von Nachteil. Denn so, wie der Entwurf angedacht ist, hätte er das Zeug, unser Gesundheitswesen gewaltig zu verändern, in vielen Punkten ins Negative. Um die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren oder zu dämpfen, ist dieser Regierung fast jedes Mittel recht. Unter dem Vorzeichen von mehr Wettbewerb sollen Krankenkassen mit Leistungserbringern Verträge abschließen und Preisvereinbarungen treffen. Der direkte Zugang zum niedergelassenen Facharzt soll durch Praxisgebühren für Patienten unattraktiver werden. Überhaupt: Fachärzte sollen künftig keine generelle Kassenzulassung mehr erhalten, sondern in Richtung Einzelverträge mit Kassen gelenkt werden.

Wohin das Gesundheitswesen mit dem GMG steuert, wird besonders deutlich an den Vorhaben zum Bereich der Arzneimittelversorgung. Arzneimittelversandhandel und Apothekenketten sollen zugelassen werden, ohne wenn und aber. Der Versandhandel soll sogar im Gegensatz zur Präsenzapotheke begünstigt werden, indem er abweichend von einer Arzneimittelpreisverordnung günstigere Preise mit den Kassen aushandeln kann und schlechter lieferfähig sein darf. Das findet diese Regierung "modern" und sie tut so, als könne man damit die Arzneimittelversorgung verbessern. Genauso wie mit der Zulassung von Apothekenketten, wobei einem Apotheker nun eine unbeschränkte Anzahl von Apothekenfilialen erlaubt werden sollen und nicht nur fünf, wie im Arbeitsentwurf angedacht war.

Bis jetzt steht die Möglichkeit des Fremdbesitzes von Apotheken noch nicht im Entwurf – doch wer weiß, vielleicht findet sich diese Spielart im überarbeiteten Referentenentwurf. Konsequent und folgerichtig wäre es für diese Regierung, die in Richtung Abschaffung des freien Berufe und des Mittelstands tendiert, hin zu einem Staat, in dem Gewerkschaften schon fast eine eigene Partei geworden sind. Ist diese Regierung erst dann zufrieden, wenn Apotheken endlich in die Hände von großen Dromarkt-, Massmarkt- oder Großhandlungen übergegangen sind?

Wie gering die Leistung der Apotheke, des Apothekers eingeschätzt wird, zeigt das Vorhaben des GMG-Entwurfs, die Arzneimittelpreisverordnung auf einen preisunabhängigen Festzuschlag von 7,30 Euro je Packung in Verbindung mit einem preisbezogenen Zuschlag von 3% umzustellen. Im Vorschlag der ABDA standen 8,50 Euro – wie leicht an dieser Schraube zur Ertragsbegrenzung von Apotheken gedreht werden kann, zeigt bereits der starke Unterschied zwischen ABDA-Vorschlag und Entwurf. Wer weiß, vielleicht steht dann im endgültigen Gesetz 6,90 oder 6,10 Euro und wir wären froh, wenn wir die Entwurfsbedingungen hätten.

Zu Strukturveränderungen werden außerdem die beabsichtigten Einzelverträge führen, z. B. für besondere Versorgungsformen oder zwischen Krankenkassen und Arzneimittelhersteller, die dann noch stärker als bisher schon erlaubt Rabatte auf Listenpreise von Arzneimitteln geben dürfen. Nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel sollen aus der Erstattungspflicht der Kassen genommen werden. Patentgeschützte Arzneimittel sollen in die Festbetragsregelung mit einbezogen werden und eine "vierte Hürde" bei der Zulassung soll neue Arzneimittel auf ihre ökonomischen Vorteile hin überprüfen.

Wie stur sich die Regierung gibt, zeigen Einblicke in die Anhörung, bei der mein Kollege Klaus Brauer als Sachverständiger geladen war. Lesen Sie den Bericht auf Seite 50 dazu. Man kann sicher darüber streiten, ob ein paar alte Zöpfe im Apothekenwesen abgeschnitten werden müssen, ob vielleicht andere und neue Vertriebsformen sinnvoller sind, ob eine andere Honorarstruktur für Apotheker besser ist. Aber es wäre schön, wenn diese Regierung ehrlich damit umgeht und sagt, was sie will. Vielleicht ließen sich bessere Formen finden als Versandhandel oder Kettenapotheken, Formen, die nachweislich keine Verbilligung oder Verbesserung der Arzneimittelversorgung bringen. Wenn man in Zukunft aber eher die merkantil ausgerichtete Apotheke will – bitte, wir stellen uns darauf ein. Dann sollte man der Bevölkerung sagen, dass Arzneimittelsicherheit nicht die oberste Priorität hat, sondern nur eine Arzneimittelversorgung zu den billigsten Konditionen.

Wenig Hoffnung allerdings habe ich, dass diese Regierung ehrlich mit ihren Bürgern umgeht. Eine Regierung, die sogar ihre eigenen Abgeordneten wider besseren Wissens im Unklaren über Gesetzesauswirkungen lässt (hier: überproportionale Belastung der Apotheken durch den abgewälzten Großhandelsrabatt), eine Regierung, die so heuchlerisch mit einer Erhöhung der Tabaksteuer umgeht und lieber mehr Lungenkrebskranke in Kauf nimmt, um mehr Steuereinnahmen zu haben, die sagt ihren Bürgern auch nicht, wenn sie den Mittelstand abschaffen will oder eine staatlich reglementierte Medizin anstrebt mit Kettenapotheken, großen Polikliniken und medizinischen Zentren mit individuellen Verträgen zwischen Kassen und Leistungserbringern.

Einer solchen Regierung fehlt die Einsicht zu sehen, dass sie am Ende ist. Die Arbeitslosigkeit wächst, die Schulden steigen und Deutschland schlittert in eine Deflation – dass ein solcher Zustand mindestens genauso fatal ist wie eine Inflation – unser Beitrag auf Seite 47 erläutert es.

Peter Ditzel

Warum sagt sie nicht, was sie wirklich will?

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