Apothekertag

Trotz Krise gedämpfter Optimismus

Der Festsaal des alten Kurhauses in der Salz- und Kurstadt Bad Reichenhall war bei der Eröffnungsveranstaltung des Bayerischen Apothekertages am 24. und 25. Mai 2003 bis auf den letzten Platz besetzt Ų ein Indiz dafür, dass die Apothekerschaft des Freistaates sich der kritischen politischen Lage ganz offensichtlich bewusst ist. Wer die Bayern kennt, weiß, dass sie gerade im Angesicht eines drohenden Systemwechsels ihre kämpferischen Stärken sehr wohl einzusetzen wissen. Dabei waren es nicht nur die glänzend formulierten Reden von Johannes M. Metzger, dem Präsidenten der Bayerischen Landesapothekerkammer, und von Gerhard Reichert, dem ersten Vorsitzenden des Bayerischen Apothekerverbandes e.V., die eine kämpferische Stimmung verbreiteten, sondern auch die überzeugenden Reden der geladenen Gäste: Insbesondere die Ansprache von Christa Stewens, Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, sowie das Grußwort ihres CSU-Kollegen MdB Wolfgang Zöller, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit im Bundestag, sorgten trotz der unerfreulichen politischen Vorzeichen für eine gewisse Portion Optimismus, der im Übrigen die ganze sehr gelungene Veranstaltung prägte.

Nachdem Johannes M. Metzger die Anwesenden und auch die zahlreich erschienenen prominenten Gäste begrüßt hatte und noch bevor die erste politische Gastrede gehalten wurde, erbot der Oberbürgermeister der Stadt Reichenhall, Wolfgang Heitmeier den Apothekern seinen Gruß.

Obwohl er überwiegend "neutral" die Situation seines Ortes schilderte, enthielt auch seine Rede einen kleinen ironischen Schwenk in Richtung Berlin. So meinte er im Hinblick auf die rückläufigen Besucherzahlen der Touristen, dass auch die Kurstadt Reichenhall die als "erfolgreich" propagierten Auswirkungen der diversen Gesundheitsreformen zu spüren bekommen habe.

Unvergleichliche Leistung durch Präsenzapotheken

Monika Koch, die Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbandes, berichtete von den erfolgreichen Hilfsmaßnahmen, mit denen dank der bundesweit 1,9 Millionen überwiesenen Spenden die von der Hochwasserkatastrophe am 11. August 2002 betroffenen Apotheker unterstützt werden konnten.

Gleichzeitig hob sie die enorme Leistungsbereitschaft der Apothekerschaft hervor, die dafür gesorgt hatte, dass trotz der verschärften Umstände, die die Flutkatastrophe ausgelöst hatte, "kein Patient aus Mangel an Medikamenten zu Schaden gekommen ist!" Energisch fügte die Apothekerin unter Applaus hinzu: "Die Politiker sollten anhand dieses Beispiels bedenken, was die Präsenzapotheken auch in Zeiten der Not zu leisten imstande sind!"

Wichtig war Koch auch der Hinweis darauf, dass die Spenden nicht gießkannenartig auf die Betroffenen niedergegangen seien und niemand "überspendet" worden sei, dass vielmehr jeder einzelne Fall exakt geprüft worden war. Das galt auch für den Betrag von 100 000 Euro, der für Behindertenheime, Jugendclubs und Kindergärten gespendet wurde. Die Sächsin bedankte sich für die entsprechende Unterstützung beim bayerischen Hilfswerk. Für die Bundespolitik wünschte sie sich Lernbereitschaft, auch und gerade was die Bedeutung der Präsenzapotheke anbelangt.

Ideologie-Verdacht

MdB Wolfgang Zöller stellte sich gleich zu Beginn seiner Rede die rhetorische Frage, welche logischen Gründe es denn eigentlich gebe, ein System abschaffen zu wollen, das bewiesenermaßen eine sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln garantieren könne. Der CSU-Politiker schlussfolgerte:

"Es gibt keine logischen Gründe. Also bleiben nur noch ideologische Gründe. Rot-Grün will keine Freiberufler, übrigens auch keine Fachärzte!" Die qualitativ beste Versorgung werde aber durch Freiberufler gewährleistet und nicht durch eine Staats- und Listenmedizin.

Regierung argumentiert widersinnig

Im Übrigen seien die Begründungen, die von der Regierung für einen Systemwechsel angeführt werden, in sich unlogisch und widersinnig. So habe gerade das Ministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung noch vor vier Monaten beim Beispiel Kaliumiodid argumentiert, dass dieses Arzneimittel auf keinen Fall in die Hände von Unbefugten, insbesondere von Kindern geraten dürfe.

Da auf dem Wege des Versandhandels jedoch nicht garantiert sei, dass der Verbraucher umfassend informiert werde, und eben das Kaliumiodid auf diesem Wege auch an Unbefugte geraten könne, sei der Versandhandel beim Beispiel Kaliumiodid nicht möglich. "Und vier Wochen später plädiert dasselbe Ministerium für den Versandhandel – da hat man doch den Eindruck, dass die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut!"

Vehement wies Zöller auch darauf hin, dass etliche SPD-Politiker heute registrieren müssten, dass die Zahlen, die von der ABDA im Zusammenhang mit dem "existenzbedrohenden Großhandelsrabatt" im Hinblick auf die zu erwartenden ökonomischen Belastungen, unter denen die Apotheker zu leiden hätten, genannt wurden, sich als stimmig erwiesen hätten.

Da eine nicht unerhebliche Zahl SPD-Politiker nur unter der Bedingung für das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) gestimmt hätten, dass die von der Regierung ausgewiesene Zahl von 350 Mio. Euro stimme, auf die die Apotheker verzichten müssten, sei es jetzt geboten, das BSSichG zurückzunehmen.

Der Politiker, der engagiert die Sache der Apotheker vertritt, wies auch darauf hin, dass die CDU/CSU zusammen mit der FDP in vier Wochen für eine Abstimmung in dieser Frage gesorgt habe: "Und das ist dann eine namentliche Abstimmung, bei der wir wissen werden, wer sich zu den Apotheken bekennt."

Mit Blick auf das BSSichG sprach der Politiker von einer "schleichenden Enteignung" und plädierte unter Beifall dafür, diejenigen Parlamentarier, die sich für das BSSichG aussprechen, mit einer Diätenkürzung um 35 Prozent so lange zu belegen, "bis diese Regelung wieder aufgehoben wird".

Abschließend wies der Politiker auch auf rechtliche Problemstellungen einer Systemveränderung hin und verurteilte noch einmal die ungleiche Behandlung von Versandhandelsapotheke und Präsenzapotheke. Zöller sprach sich auch gegen die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes aus.

Wohlwollen auch von Ministerin Stewens

Auch Christa Stewens, Ministerin des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, gab stellvertretend für die Position der Bayerischen Staatsregierung eindeutig zu erkennen, dass sie für die Sache der Apotheker eintritt, zumal sie persönlich "hervorragende Erfahrungen mit den Apothekern gemacht" habe. Gleich zu Beginn ihrer Rede prophezeite sie, dass eine Systemänderung selbiges "nicht kostengünstiger, sondern teurer macht."

Grundsätzlich beklagte sie die Stimmung in Deutschland, die derzeit auf dem Nullpunkt sei. So seien die Menschen aufgrund von sich widersprechenden Aussagen der regierenden Politiker verunsichert und resigniert: "Kein Mensch kennt sich mehr aus. Mit der Glaubwürdigkeit der Politiker leiden auch unser Staatswesen und die Demokratie", so Stewens.

Das Kernproblem seien die mittlerweile auf über 42 Prozent gestiegenen Sozialversicherungsbeiträge. Die negative Entwicklung werde sich nach jüngsten Prognosen bis zum Jahresende fortsetzen. So werde die Rentenversicherung von 19,5 auf 19,8 Prozent steigen und der Beitragssatz für die Krankenversicherungen auf durchschnittlich 15 Prozent. Damit drohen Gesamtsozialversicherungsbeiträge von 43 Prozent.

Als Ursache dafür gab die Ministerin die verfehlte Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der rot-grünen Bundesregierung an. Gleichzeitig bemängelte sie, dass auf allen politischen Ebenen die Agierenden in Streitereien untereinander verwickelt seien und somit der längst fällige Erneuerungsprozess blockiert werde: "Die Zeit verstreicht, und mit jedem Tag steigt das Defizit weiter an."

BSSichG ruiniert Apotheken

Wie ihr Kollege Zöller kritisierte auch Stewens das BSSichG und benannte als die Hauptbetroffenen die Apotheken, die durch dieses Gesetz doppelt, nämlich mit eigenen und mit den fast vollständig weitergereichten Rabatten der Großhändler belastet seien.

Eine Änderung des umstrittenen Gesetzes erst zum Zeitpunkt der Umsetzung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) sei zu spät: Die Konsequenzen aus dem BSSichG seien "massive Gewinneinbußen der Apotheken von rund einer Milliarde Euro. Die Apotheken werden damit einseitig für den Anstieg der Arzneimittelausgaben verantwortlich gemacht, den sie so nicht zu verantworten haben!

Die Existenz vieler Apotheken, besonders auf dem Land und in den Vorstädten, und damit die flächendeckende und wohnortnahe Arzneimittelversorgung ist damit akut gefährdet."

Als Beispiel für eine planwirtschaftlich um sich greifende Bürokratisierung unter Rot-Grün kritisierte Stewens das geplante "Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin". Insbesondere die damit einhergehende Installierung der so genannten vierten Hürde, wonach neben der Prüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit die Zulassung eines Arzneimittels von Rentabilitätsgesichtspunkten abhängig gemacht wird, wurde von der Ministerin als "ethisch nicht vertretbar" eingestuft.

Sofern dieses Qualitätszentrum tatsächlich eingeführt werde, seien bald "gravierende Leistungsausgrenzungen und Wartelisten wie in Großbritannien auf der Tagesordnung".

Gewinnmaximierung im heilberuflichen Kontext fragwürdig

Die Pläne zur Einführung des Versandhandels, der Zulassung des Mehrbesitzes und die Aushöhlung des einheitlichen Apothekenabgabepreises wurden von der bayerischen Politikerin als "mittelstandsfeindlich" bewertet. Statt selbstständiger Apotheker würden unter diesen Prämissen einige wenige Großversender und anonyme Kapitalgesellschaften die Versorgung mit Arzneimitteln übernehmen.

Obwohl die CDU/CSU den Bemühungen um Gewinnmaximierungen in der Regel nicht negativ gegenüberstehe, sei im Zusammenhang mit Heilberufen eine andere Bewertung notwendig. Die Ministerin betonte noch einmal, dass von der Regierung die flächendeckende Präsenz von Apotheken für ein System geopfert werden soll, "bei dem sich erst noch herausstellen muss, ob es tatsächlich kostengünstiger ist. Der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass das mit Sicherheit nicht so ist!"

Keine Antwort von Ulla Schmidt

Nachdem die Ministerin noch einmal die bekannten Argumente, die gegen die Versandhandelsapotheke sprechen, vorgetragen hatte (Stichworte: Rosinenpickerei, Notdienst, Haftung für Arzneimittelschäden, Arzneimittelfälschungen, insbesondere vom chinesischen Markt, Patientenschutz), berichtete sie darüber, dass sie Ulla Schmidt gefragt habe, wie sie denn die Aut-idem-Regelung im Internet durchführen wolle, und von der Gesundheitsministerin daraufhin gesagt bekommen habe: "Auf diese Frage gebe ich keine Antwort!" Stewens: "Das ist natürlich auch eine Antwort!"

Als kostenadäquat im Vergleich mit dem Versandhandel beurteilte Stewens die von der Apothekerschaft vorgeschlagenen Alternativen der Zustellung von Arzneimitteln durch Boten, das Home-Service- sowie das Hausapotheken-Modell. Der Vorteil dieser Modelle liege jedoch darin begründet, dass sie "hinsichtlich der Sicherheit und der Versorgungsqualität dem Versandhandel überlegen" seien.

Für Christa Stewens passt es ins Bild, dass die Regierung unter dem Etikett der Liberalisierung auch das Fremd- und Mehrbesitzverbot kippen will, obwohl Apotheken in erster Linie "Einrichtungen der Gesundheitspflege und erst in zweiter wirtschaftliche Unternehmen" sind.

Die Ministerin warnte davor, den einheitlichen Apothekenabgabepreis für apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Arzneimittel in Frage zu stellen: "Bewahrt die Menschen davor, im Krankheitsfall nach der billigsten Einkaufsmöglichkeit suchen zu müssen, verhindert, dass Menschen in Notlagen überhöhten Preisforderungen ausgesetzt sind!"

Lob für Kammer und Verband

Respekt und Lob zollte die CSU-Politikerin dagegen den Vorschlägen von Verband und Kammer bezüglich des neuen Honorierungsmodells (Stichwort: Kombi-Modell). Stewens: "Ein solches Honorarsystem würde die Heilberufsfunktion des Apothekers stärken und die Arzneimittelkosten dämpfen." Generell sei in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ein Schub bei der Entwicklung neuer Arzneimittel zu erwarten.

In diesem Zusammenhang sei ein klares "Ja" zu Innovationen vonnöten und damit eine Absage an "die Beschränkungen, die durch eine Planwirtschaft" entstehen würden. Die Ministerin forderte die Apotheker schließlich dazu auf, im Dialog mit den Menschen zu bleiben, u. a. auch um ihnen die ständig komplexer werdenden Arzneitherapien in einer Sprache zu erläutern, die sie auch verstehen.

Die Reden beider CSU-Politiker wurden vom Publikum bei mehrfachen Unterbrechungen mit Beifall quittiert.

Den vollständigen Bericht vom Bayrischen Apothekertag finden Sie in unserem "Kongreßbereich".

Der Festsaal des alten Kurhauses in der Salz- und Kurstadt Bad Reichenhall war bei der Eröffnungsveranstaltung des bayerischen Apothekertages am 24. und 25. Mai 2003 bis auf den letzten Platz besetzt – ein Indiz dafür, dass die Apothekerschaft des Freistaates sich der kritischen politischen Lage ganz offensichtlich bewusst ist. Es waren nicht nur die Reden von Johannes M. Metzger, dem Präsidenten der Bayerischen Landesapothekerkammer, und von Gerhard Reichert, dem ersten Vorsitzenden des Bayerischen Apothekerverbandes e.V., die eine kämpferische Stimmung verbreiteten, sondern auch die überzeugenden Reden von Christa Stewens, Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, sowie das Grußwort ihres CSU-Kollegen MdB Wolfgang Zöller, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit im Bundestag. 

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