Apothekertag

Aufbruch zu neuen Ufern

Weit in den Westen des Landes, in das emsländische Papenburg, hatten die Apothekerkammer und der Apothekerverband Niedersachsen am 10. und 11. Mai 2003 zum zweiten Niedersächsischen Apothekertag geladen. Nach der ersten Veranstaltung dieser Art vor knapp zwei Jahren in Goslar ging es nun in das entgegengesetzte Ende des Landes. Die Randlage des weltweit bekannten Werftstandortes wurde aber nicht zum Problem. Mit über 750 Anmeldungen für etwa 570 Teilnehmer und fast 200 Begleitpersonen übertraf der Apothekertag die Erwartungen der Organisatoren. Den Teilnehmern wurde eine umfangreiche Mischung aus Politik und Fortbildung und ein interessantes Rahmenprogramm geboten. Dazu gehörten auch ein eigenes Fortbildungsprogramm für PTAs und eine pharmazeutische Ausstellung mit fast 40 Messeständen.

Als die Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, Magdalene Linz, am Morgen des 11. Mai das politische Hauptprogramm eröffnete, hatte schon ein ganzer Veranstaltungstag stattgefunden. Die hohen Teilnehmerzahlen und die gute Stimmung des Apothekertages waren schon zu erkennen.

Linz konnte daher feststellen, dass das Motto des Apothekertages offenbar die Empfindungen der Teilnehmer getroffen hatte. Der "Aufbruch zu neuen Ufern durch Qualität und pharmazeutische Kompetenz" umfasste gleichermaßen die neuen vertraglichen Konzeptionen durch das Hausapothekenmodell und die interessanten Fortbildungsvorträge.

Offensiv in die Zukunft

Linz bekräftigte, die Apotheker würden mit Qualität und Kompetenz ihre Existenz sichern und dabei in die Zukunft gerichtet handeln. Die Bevölkerung stehe hinter den Apotheken, und dies sollte auch den Parlamentariern nicht verborgen bleiben.

Auch Ulrich Nehe, der Bürgermeister der Stadt Papenburg, griff das Motto des Apothekertages auf. Er meinte, die Apotheker sollten bei der Suche nach neuen Ufern in Papenburg zum Erfolg kommen. Denn dies ist die längste Fehnstadt Deutschlands, sie verfügt über ein 42 km langes Kanalnetz.

PhD Dr. Reinhard Diedrich, niedersächsisches Sozial- und Gesundheitsministerium, sieht die Qualitätsoffensive und die Fortbildungsangebote der Apothekerkammer als Voraussetzungen für den Wandlungsprozess der Apotheken zu pharmazeutischen Dienstleistern. Er lobte das Hausapothekenmodell, das alle Vorteile des Internetbezuges ohne die Probleme des grenzüberschreitenden Versandes biete.

Dr. Folkert Hinrichs, Vorstandsmitglied der Ärztekammer Niedersachsen, machte deutlich, dass Ärzte und Apotheker in der Vergangenheit immer ein Stück gemeinsam gehen konnten. Dies wolle die Politik nun offenbar ändern. Die Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Ersatz der Fachärzte durch poliklinische Strukturen werde auch die Apotheken treffen.

ABDA-Präsident Hans-Günter Friese beklagte in seinem Grußwort, die Gesundheitspolitik werde immer mehr von Ökonomen gestaltet. Doch seien die diversen neuen Berufe des Gesundmanagements letztlich "Mitesser am Gesundheitssystem", die in den USA bereits 20% der Einnahmen verschlingen.

Heimversorgung zu Lasten der Apotheken

Aktuell ging Friese auf die Entwicklungen zur Heimversorgung ein. Die neuen Regelungen zur Heimversorgung würden von vielen Heimträgern missbraucht, um die Kosten der Heime zu Lasten der Apotheken zu senken. Auch die Referenten der Gesundheitsministerien der Länder hätten sich in der vorangegangenen Woche gegen das "Stellen" der Arzneimittel in Apotheken geäußert. Gleichzeitig habe die Bundesapothekerkammer eine Leitlinie für die Heimversorgung verabschiedet, in der das "Stellen" ausdrücklich als Inhalt des Berufsbildes der Pflegekräfte im Heim definiert wird.

Von der Hausapotheke zum DMP

Bereits am Vortag hatten Dr. Martin Schulz, Berlin, und Heinz-Günter Wolf, ABDA-Vizepräsident und Vorsitzender des Apothekerverbandes Niedersachsen, über das Hausapothekenmodell und die Perspektiven zur Weiterentwicklung dieses Konzeptes in Disease-Management-Programmen (DMPs) informiert.

Schulz erinnerte zunächst an die Definitionen des Disease Managements und an die rechtlichen Grundlagen der Programme, die in Deutschland mit dem Risikostrukturausgleich (RSA) der Krankenkassen verknüpft sind. Derzeit seien bereits Zehntausende Patienten in DMPs eingeschrieben, insbesondere in AOK-Programme. Die DMPs könnten ein Volumen von insgesamt etwa 20 Mrd. Ä einnehmen, weil langfristig alle großen Volkskrankheiten einbezogen würden.

Die Aufgabe der Apotheker in solchen Programmen könnte insbesondere in Case-Management-Funktionen bestehen, die letztlich der pharmazeutischen Betreuung entsprechen. Damit biete sich die Chance, die lange geplanten Angebote der Apothekerschaft endlich umzusetzen.

Einige der Funktionen, die Apotheker in DMPs erfüllen könnten, entsprechen den Aufgaben, die in den Hausapothekenverträgen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein vereinbart wurden, beispielsweise die Medikationsdaten erstmalig aufzunehmen, Arzneimitteldossiers zu führen und die Arzneimittelbestände des Patienten zu überprüfen. Weitere wichtige Aufgaben in DMPs können die Prüfung auf Interaktionen und die Erstellung von Medikationsberichten für Ärzte sein.

Mit den Medikationsprofilen soll auch sichergestellt werden, dass Dauertherapien konsequent stattfinden. Dies kann Entgleisungen und Komplikationen und damit teure Krankenhauseinweisungen verhindern. So wird die Therapiequalität verbessert und gleichzeitig Geld gespart. Mit unterschiedlichen Krankenkassen werden voraussichtlich unterschiedliche Module vereinbart. Einheitliche Verträge mit Dachverbänden der Krankenkassen seien in Zukunft nicht mehr zu erwarten. Um das System in der Praxis handhaben zu können, sollten die Module der einzelnen Kassen aber nicht widersprüchlich zueinander formuliert werden, sondern aufeinander aufbauen.

Derzeit würden die Krankenkassen die Vorschläge der Apothekerverbände über geeignete Maßnahmen für die Qualifizierung der Apotheken akzeptieren, doch werde dies möglicherweise nicht immer so bleiben, d. h. die Kassen könnten eigene Konzepte entwickeln. Die Apothekerverbände sollten stets anstreben, dass alle Apotheken die vorgesehenen Qualitätsanforderungen erfüllen können. Als besonders wirksames Qualifizierungsinstrument empfahl Schulz die Mitarbeit in Qualitätszirkeln.

Ein großes Problem sieht Schulz im Marketing für die Leistungen der Apotheker, denn virtuelle Produkte seien schwer zu vermitteln. Die Nachfrage für die pharmazeutische Betreuung müsse leider erst induziert werden. Wenn die Leistung erst einmal erlebt wird, würde auch weitere Nachfrage folgen. Hierzu könnte das Hausapothekenmodell einen großen Beitrag leisten. Gefragt sei der Einstieg in kleinen Schritten.

Inzwischen werde auch mit der IKK und der Barmer Ersatzkasse auf Bundesebene in diesem Sinne verhandelt. Mit der Barmer werde es voraussichtlich bald ein Projekt zum Arzneimittelkonto mit 41 Apotheken im nördlichen Emsland geben. Auch private Krankenversicherungen kämen inzwischen auf die Apotheker zu.

Über die Hausapotheken könnten die Apotheken Zugang zu DMPs erhalten und bei der Weiterentwicklung der Programme berücksichtigt werden. So weit sei es aber bisher noch nicht. Der entscheidende Vorteil, den Apotheken gegenüber anderen Dienstleistern im Gesundheitswesen bieten, ist die Nähe zum Patienten. Außerdem verfügen nur die Apotheken über die Daten zur Selbstmedikation der Patienten, die für viele Fragestellungen große Bedeutung haben können.

Die Apotheken in der Arzneimittelversorgung der Zukunft

Heinz-Günter Wolf machte deutlich, dass die pharmazeutische Betreuung im Unterschied zu Arzneimitteln nicht apothekenpflichtig ist. Die Apotheken stünden im Wettbewerb zu diversen Unternehmen, die diese pharmazeutische Kernleistung anbieten. Doch sei die Qualität der Arzneitherapie davon abhängig, Lieferung und Beratung aus einer Hand zu bieten.

Für die künftige Arzneimittelversorgung gebe es viele Szenarien. Diskutiert werden die integrierte Versorgung aus Krankenhausapotheken oder die Vergabe des Sicherstellungsauftrages an Gesundheitszentren. Dabei sei zu fragen, ob die Arzneimittel im Rahmen dieser neuen Versorgungsformen oder unabhängig davon nach dem bisherigen Verfahren honoriert würden. Möglicherweise würden die Apotheken künftig nicht mehr von den Krankenkassen, sondern von den Betreibern der Gesundheitszentren bezahlt.

Um die Stellung der Apotheken zu sichern, setzt Wolf auf flexible Verträge mit den Krankenkassen, die nicht mehr nur die Lieferung der Arzneimittel aus kaufmännischer Sicht regeln, sondern die eine umfassende pharmazeutische Versorgung beschreiben. Dies sollte mit dem Einstieg in die honorierte Wirtschaftlichkeit verbunden werden, zu der auch eine novellierte Arzneimittelpreisverordnung gehöre. Insgesamt sei dies eine strategische Gegenposition zum Versandhandel.

Den Hausapothekenvertrag zwischen dem BKK-Landesverband Niedersachsen/Bremen und dem LAV Niedersachsen bezeichnete Wolf als klassischen Ergänzungsvertrag mit freiwilligem Beitritt. Nach diesem Prinzip würden die Kollektivverträge der Zukunft Qualitätshürden für die Anbieter definieren. Der Vertrag dient der pharmazeutischen Vollversorgung und zielt insbesondere auf die geplante Versorgung der chronisch Kranken.

Die Leistungen der Apotheken sind die Belieferung im Bedarfsfall bis an das Krankenbett, außer im Notdienst, das Führen des Arzneimitteldossiers, die Verpflichtung zur zertifizierten Fortbildung, die Information der Versicherten und die Geräteeinweisung gegen Honorar. Das Konzept ziele außerdem auf eine Dauerversorgung mit Hilfsmitteln. Dafür habe der Verband Teststreifenpreise ohne Verdienstspanne akzeptiert. Außerdem erhalten die eingeschriebenen Patienten einen 5%igen Treuebonus auf frei kalkulierbare Artikel.

Wolf forderte die Apotheken auf, sich technisch für das Hausapothekenmodell auszurüsten. Etwa 60% der Apotheken haben bereits die Software für die Verwaltung von Kundenkarten, aber sie werde nicht immer genutzt. Die Software zur pharmazeutischen Betreuung sei auf das Hausapothekenmodell zugeschnitten. Außerdem sollte bei der Beratung chronisch Kranker in Apotheken verstärkt auf Selbsthilfegruppen hingewiesen werden. Eine Liste der Gruppen sei beim LAV Niedersachsen erhältlich.

Wolf bekräftigte die Bedeutung des Hausapothekenvertrages als Einstieg der Apotheker in DMPs, doch seien bisher für Niedersachsen noch keine DMPs vom Bundesversicherungsamt zugelassen. Das erste Programm befinde sich derzeit in der Zulassung. Auch bei dem Programm BKK-MED-PLUS werde es eine Zusammenarbeit mit den Apotheken geben, doch sollte zunächst die Genehmigung abgewartet werden.

Der nächste Niedersächsische Apothekertag soll voraussichtlich in zwei Jahren in Lüneburg stattfinden. Den vollständigen Bericht vom 2. Niedersächsischen Apothekertag finden Sie in unserem Kongressbereich eingestellt.

Der zweite Niedersächsische Apothekertag, der am 10. und 11. Mai im emsländischen Papenburg stattfand, war ein voller Erfolg. Den etwa 750 Teilnehmern wurde eine ausgewogene Mischung aus Berufspolitik und Fortbildung geboten. Das niedersächsische Hausapothekenmodell wurde allseits als zukunftsweisende Initiative der Apotheker gewertet. Im Mittelpunkt der Fortbildung standen Diagnostik und Therapie von Stoffwechselstörungen. 

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