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Europäischer Gerichtshof: Gesetzliche Kassen müssen auch für Arztbesuch im EU

LUXEMBURG (ks). Wer in Deutschland gesetzlich krankenversichert ist, kann sich auch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) sowie Island, Liechtenstein und Norwegen einer ärztlichen Behandlung unterziehen. Die Kosten hierfür übernimmt die Krankenkasse Ų auch wenn zuvor keine Genehmigung eingeholt wurde. Anders sieht es bei Krankenhausbehandlungen aus. Hier steht die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Kassen nach wie vor unter einem Genehmigungsvorbehalt. Dies entschied vergangene Woche der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Bisher konnten sich gesetzlich Krankenversicherte nur mit vorheriger Zustimmung ihrer Krankenkasse zur Behandlung ins EWR-Ausland (15 EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen) begeben. Nach der Grundsatzentscheidung des EuGH können Versicherte Leistungen außerhalb des Krankenhauses nunmehr direkt im EWR-Ausland in Anspruch nehmen.

Holländisches Versicherungsrecht auf dem Prüfstand

Dem EuGH lagen zwei niederländische Fälle zur Vorabentscheidung vor. Ganz ähnlich wie in Deutschland existiert in Holland ein Sachleistungssystem, nach dem die Versicherten keinen Anspruch auf die Erstattung der für die medizinische Versorgung angefallenen Kosten, sondern auf die Versorgung selbst haben. Die Regelungen beruhen auf einem System vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Erbringern von Gesundheitsdienstleistungen.

In einem Fall hatte sich eine Niederländerin bei einem Urlaub in Deutschland einer Zahnarztbehandlung unterzogen (Einsetzen von sechs Kronen und einer festsitzenden Prothese). Die hierbei angefallenen Kosten stellte sie ihrer Krankenkasse anschließend in Rechnung.

Im zweiten Fall begehrte eine holländische Versicherte die Kostenerstattung für eine in Belgien durchgeführte Arthroskopie und eine Ulnarsektion. Die Behandlung wurde teilweise stationär, teilweise ambulant ausgeführt und konnte schneller vorgenommen werden als in den Niederlanden. In beiden Fällen verweigerte die Krankenkasse eine Kostenerstattung.

Dienstleistungsfreiheit verletzt

Weitgehend zu Unrecht, entschieden die Luxemburger Richter (Urteil des EuGH vom 13. Mai 2003, Az.: C-385/99). Dabei differenzierten sie jedoch nach Krankenhaus- und ambulanter Versorgung. Damit im Inland gewährleistet ist, dass stets ausreichend Klinikbetten zur Verfügung stehen und die Kosten beherrscht werden können, sei ein Genehmigungsvorbehalt bei stationären Therapien gerechtfertigt.

Allerdings dürfe die Genehmigung nur versagt werden, wenn der Patient die gleiche Behandlung rechtzeitig in einer vertraglich gebundenen Einrichtung erhalten könne. Dabei müssten die Behörden neben dem Gesundheitszustand des Patienten auch dessen Vorgeschichte berücksichtigen.

Im Falle der ambulanten Behandlung stehe jedoch der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Versicherter bei einer Versorgung, die in einem anderem Mitgliedstaat durch einen vertraglich nicht gebundenen Leistungserbringer erfolge, eine vorherige Genehmigung einholen müsse, so die Europarichter.

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Aufhebung des Erfordernisses der vorherigen Genehmigung viele Patienten veranlassen würde, sich künftig zur Behandlung ins Ausland zu begeben. Dagegen sprächen schon Sprachbarrieren, die räumliche Entfernung und die Kosten eines Auslandsaufenthalts.

Urteil auf Deutschland übertragbar

Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen nehmen das Urteil für sich an. Sie weisen jedoch darauf hin, dass die im Ausland in Anspruch genommene Leistung auch im Inland zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehören müsse. Anderenfalls sei eine Erstattung nicht möglich.

Damit keine gravierenden finanziellen Auswirkungen des Urteils auf die GKV in Deutschland entstehe, müsse allerdings verhindert werden, dass Leistungen doppelt – einmal im Inland und zum zweiten über Erstattungen der ausländischen Leistungen – bezahlt werden. Die im Ausland erbrachten Leistungen müssten auf jeden Fall auf die nationalen Budgets angerechnet werden. Hierzu sei eine gesetzliche Regelung erforderlich.

Der Sprecher des AOK-Bundesverbandes, Udo Barske sagte nach der Urteilverkündung: "Die Rechtslage ist jetzt klar". Er riet jedoch, dass sich Versicherte, die im Ausland in Vorleistung treten, zunächst bei ihrer Krankenkasse erkundigen sollten, in welcher Höhe Kosten erstattet werden.

Türöffner für den Arzneimittelversandhandel?

Marion Caspers-Merk (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, sieht das Urteil auch für die noch ausstehende Entscheidung des EuGH zum Arzneimittelversandhandel als wegweisend an. "Damit ist der Zug abgefahren", sagte sie am 15. Mai auf dem Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands in Berlin. Der Versandhandel sei nicht mehr aufzuhalten.

Wer in Deutschland gesetzlich krankenversichert ist, kann sich auch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) sowie Island, Liechtenstein und Norwegen einer ärztlichen Behandlung unterziehen. Die Kosten hierfür übernimmt die Krankenkasse – auch wenn zuvor keine Genehmigung eingeholt wurde. Anders sieht es bei Krankenhausbehandlungen aus. Hier steht die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Kassen nach wie vor unter einem Genehmigungsvorbehalt. Dies entschied vergangene Woche der Europäische Gerichtshof (EuGH).

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