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Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin: Zweifel an der Kosten-Nutzen-Be

BERLIN (ks). Walter Köbele, Vorsitzender der Geschäftsführung der Pfizer Deutschland GmbH, betrachtet mit Argwohn die Pläne der Bundesgesundheitsministerin, eine Kosten-Nutzen-Bewertung für patentgeschützte Arzneimittel einzuführen. Daran ändert auch die mittlerweile erfolgte Entschärfung des Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetzes (GMG) nichts. Vorgesehen ist nunmehr, dass das für die Bewertung zuständige Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin staatsfern arbeitet und über die neuen Präparate erst nach Markteinführung befindet. Köbele sieht die individuelle Therapie dennoch gefährdet und meint, dass der Nutzen eines Arzneimittels von Größen abhängig ist, die einer allgemeinen und zentralen Bewertung nicht zugänglich sind.

Umfangreiche Reformen im Gesundheitswesen sind dem deutschen Pfizer-Chef zufolge unausweichlich. Die Kostendämpfungspolitik der vergangenen Jahre habe kaum einen Einfluss auf das Milliarden-Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung gehabt, erklärte er am 15. Mai bei einem Pressegespräch in Berlin.

Wirkung habe diese Politik hingegen bei der Versorgungsqualität gezeigt – Stichwort Zwei-Klassen-Medizin: So erhielten z. B. über 40 Prozent der privat versicherten Alzheimer-Patienten die Arzneimitteltherapie der ersten Wahl – Kassenpatienten komme diese nur in 23 Prozent der Fälle zugute, erklärte Köbele.

Wie lässt sich der Nutzen messen?

Nun will Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ein Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin etablieren. Dieses soll die Effizienz und Qualität der medizinischen Versorgung für die Zukunft sicherstellen. Dazu gehört auch die Bewertung patentgeschützter Arzneimittel hinsichtlich ihres Kosten-Nutzen-Verhältnisses.

Doch der Nutzen einer Therapie für den einzelnen Patienten werde wesentlich durch nicht bewertbare Größen wie der Linderung von Beschwerden, dem Abbau von Ängsten oder einer besseren Teilnahme am beruflichen und sozialen Leben mitbestimmt, wendet Köbele ein. Ein Zentrum für Qualitätssicherung könne diesen Aspekten kaum Rechnung tragen.

Eine zentralisierte Kosten-Nutzen-Bewertung vernachlässige zwangsläufig die individuellen Besonderheiten des Patienten. Auch komme eine sektorübergreifende Betrachtung zu kurz, kritisiert Köbele. So könne etwa bei der Behandlung von Alzheimerpatienten mit innovativen Arzneimitteln bei der späteren Pflege gespart werden - doch diese Rechnung werde in der Regel nicht angestellt.

Wissenschaftliche Erkenntnisse währen nicht ewig

Köbele betonte zudem, dass die Vergangenheit immer wieder gezeigt habe, dass einmal vorgenommene Bewertungen nicht von dauerhaftem Bestand seien. So wurde etwa 1966 eine Therapie mit Betablockern bei Herzinsuffizienz noch abgelehnt – heute sind sie bei der Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen nicht mehr wegzudenken.

Von den bei leichter bis mittelschwerer Alzheimerdemenz angewendeten Acetylcholinesterasehemmern, die seit dem Jahr 2000 nennenswert zum Einsatz kommen, hieß es in der einschlägigen Fachliteratur zunächst noch, dass man nicht viel von ihnen erwarten könne. Schon ein Jahr später meinte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, ihre Wirkung sei "gut belegt". 2003 ist diese Meinung gefestigt.

Derartiger Erkenntniswandel bei der Beurteilung von Medikamenten ist nicht ungewöhnlich – doch mit Blick auf die angedachte Kosten-Nutzen-Bewertung stimmt er Köbele skeptisch. Unklar ist, wie häufig das Zentrum seine einmal vorgenommenen Beurteilungen überprüft.

Die Entscheidung, welche Therapie im Einzelfall notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist, kann allein der Experte, der behandelnde Arzt, unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Patienten treffen, so Köbele. Hierfür müsse er die Möglichkeit haben, aus unterschiedlichen Therapieoptionen auszuwählen. Und genau dies werde durch die geplante Kosten-Nutzen-Bewertung erschwert.

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