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Das Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz – nicht nur vom Namen her, sondern auch inhaltlich ein monströses Machwerk – dürfte, wenn man den Arbeitsentwurf des Ministeriums zu Grunde legt, vermutlich auf wackeligen Füßen stehen.

Juristen haben die geplanten Änderungen für den Apothekenbereich vor dem Hintergrund heutiger Gesetze geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass viele Paragraphen so nicht haltbar sein dürften, allen voran die Einführung des Mehrbesitzes bei Apotheken, wie unser Leitartikel zeigt, der sich intensiv mit dieser Thematik auseinandersetzt.

Bis heute konnte noch kein Politiker erklären, warum die geplante Apothekenkette ausgerechnet aus maximal fünf Apotheken bestehen soll und nicht aus sechs, sieben oder acht oder unbegrenzt vielen Apotheken. Allein der klare Menschenverstand sagt einem, dass dieser Passus nicht haltbar wäre – ganz abgesehen von seiner Intention, den Filialbetrieb von Apotheken in Deutschland zuzulassen.

Welchen Vorteil soll es für den Patienten, für die Arzneimittelversorgung haben, dass ein Apotheker mehrere Apotheken besitzen darf? Ich kann hinter dieser Regelung nur die Absicht erkennen, dass diese Regierung die Tendenz hin zu Großapotheken fördern will, Großapotheken, die bei immer niedrigeren Margen allein aufgrund ihrer Größe überleben können. Wobei Großapotheke eben nicht bedeutet, dass sie auch in der pharmazeutischen Leistung "groß" ist, allenfalls in ihrer ökonomischen Struktur, wobei das deutlich in Richtung Kommerzialisierung weist.

Zusammen mit dem Versandhandel für Arzneimittel, der mit dem GMG in Deutschland zugelassen werden soll, und den Sonderkonditionen beim Arzneimittelpreis, den Apotheken mit Krankenkassen aushandeln sollen für Arzneimittel, die per Versand den Patienten erreichen, und den Einzelverträgen, die Apotheken mit Kassen schließen sollen z. B. für Patienten in besonderen Therapieformen, zwingt das GMG unsere Arzneiversorgung auf eine merkantile Schiene.

Eine Apotheke muss versuchen, das Maximum aus dem System herauszuholen, um überleben zu können, z. B. durch den Ausbau des Randsortiments – wir werden in Deutschland in Kürze amerikanische Verhältnisse haben.

Bezeichnend auch, dass die Staatssekretärin Caspers-Merk auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum in Berlin es peinlichst vermied, den Mehrbesitz als Regierungsvorhaben anzukündigen. Sie sprach zwar vom Versandhandel für Apotheken (ohne auf die Einzelverträge zwischen Krankenkassen und Apotheken, die möglich sein sollen, hinzuweisen), aber nicht vom Mehrbesitz. Zum einen scheute sie sich wohl vor Unmutsäußerungen der Apothekerinnen und Apotheker, zum andern hat auch sie keine stichhaltige Begründung parat, warum es denn gerade fünf Apotheken sein sollen.

Möglicherweise könnte der Passus zum Mehrbesitz als Verhandlungsmasse im Gesetz stehen: falls die Opposition dem GMG ihre Zustimmung im Bundesrat verweigert, könnte das Vorhaben, den Mehrbesitz von Apotheken zuzulassen, geopfert werden, wenn denn damit der Versandhandel die Länderkammer passieren kann.

Lesen Sie in dem Beitrag "Das Ende der Präsenzapotheke" auch die juristischen Anmerkungen zum Versandhandel, zur Arzneimittelpreisverordnung und weiteren geplanten Maßnahmen. Wenn die Gerichte diesen Ansichten folgen würden, gäbe es eine konkrete Chance, dass das GMG so nicht kommen kann.

Wenig Hoffnung habe ich in diesem Zusammenhang, dass die Vorschläge der ABDA zur Gesundheitsreform gehört werden. Zwar sprach Caspers-Merk auf dem Wirtschaftsforum von "Dialogbereitschaft" – in meinen Ohren klang dies allerdings nicht nach einer ernst gemeinten Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den Apothekervorschlägen, sondern eher als Höflichkeitsfloskel.

Mit einem Home-Service-Konzept, das zweifellos und objektiv mehr Patientennähe und Arzneimittelsicherheit bietet, oder mit einem Zwei-Komponenten-Modell der Arzneimittelpreisverordnung scheint die Regierung sich nicht wirklich beschäftigen zu wollen.

Wir können unsere Konzepte samt und sonders einpacken. Allenfalls das Hausapotheken-Modell könnte Akzeptanz finden, wobei die Kassen hier wohl auch am liebsten auf Einzelverträge mit den Apotheken schielen, um so günstigere Konditionen bei Arzneimitteln zu erzielen.

Weitere Sparvariante der Regierung: Pharmafirmen dürfen bekanntlich Krankenkassen einen Extrarabatt auf die Arzneimittelpreise einräumen, wenn ein ausgehandelter Mindestumsatz mit diesen Präparaten überschritten wird. Die Kassen wirken im Gegenzug dafür auf Ärzte ein, diese Präparate zu verordnen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung dürfte nun eine Aufstellung der extra rabattierten Arzneimittel an die Ärzte verschicken und auf die Verordnung dieser Präparate hinwirken. Als "Belohnung" sollen die Ärzte, die ihre Verordnung auf diese Präparate umstellen, finanzielle Vorteile erhalten. Nicht auszudenken, was dann passiert. Und das nennt dann unsere Regierung "mehr Wettbewerb".

Merken Sie auch, dass wir in eine Systemveränderung abdriften?

Peter Ditzel

GMG – rechtlich angreifbar

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