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Die Zahlen des Apotheken-Wirtschaftsberichts für 2002, die die ABDA in dieser Woche auf dem Wirtschaftsforum in Berlin präsentierte, stammen aus einer Zeit, als die Arzneimittelversorgung noch "in Ordnung" war, als es noch flächendeckend Apotheken und keine Arbeitslosigkeit beim Apothekenpersonal gab und der Patient sein Arzneimittel sofort oder innerhalb weniger Stunden in Händen hielt.

Ich weiß, es mutet seltsam an, wenn man das Wirtschaftsjahr 2002 für Apotheken so positiv beschreibt, denn es gab – weiß Gott – genug Auflagen, finanzielle Abgabenlasten und Einschränkungen für den Apothekenmarkt, die auf Umsatz und Rendite des Arzneimittelgeschäfts massiv drückten. Doch das, was diese Bundesregierung mit dem Inkrafttreten des Beitragssatzsicherungsgesetzes in Gang gesetzt hat und mit dem Wortungetüm des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes fortsetzen will, wird uns noch mit Wehmut an 2002 und an all die Jahre zuvor zurückdenken lassen. Die Zahlen, die in Berlin vom ersten Quartal 2003 vorgestellt wurden, zeigen – erst recht, wenn man sie auf das Gesamtjahr hochrechnet –, dass alle Prognosen zu den Auswirkungen des BSSichG auf Apotheken eingetroffen sind und zum Teil übererfüllt wurden.

Nachdem die deutschen Apotheken in den letzten Jahren fast 18000 Arbeitsplätze neu geschaffen haben, wurden quasi über Nacht tausende von Stellen in Apotheken zerstört. Ein Umfrageergebnis zeigt, dass in den befragten 6000 Apotheken allein im ersten Quartal fast 6% der Beschäftigten entlassen wurden, bei fast 9% die Arbeitszeit reduziert wurde und viele Stellen nicht wieder besetzt wurden. Viele Personalmaßnahmen werden sich aufgrund gesetzlicher Kündigungsfristen erst im Lauf des Jahres auswirken.

Außerdem: der Großhandelsabschlag wurde zu rund 80% auf die Apotheken weitergewälzt – auch wenn das Gesundheitsministerium dies trotz der Bestätigung der Großhändler und der Angaben der Apotheken bestreitet. Einschließlich des erhöhten Apothekenabschlags werden die Apotheken damit fast drei Mal so hoch belastet wie vom Gesetz vorgesehen oder in Zahlen: die Belastung für die Apotheke beträgt im Durchschnitt über 40000 Euro! Und die Umsatzrendite ist bereits 2002 im Vergleich zum Vorjahr von 1,4 auf 0,5% gesunken.

Der jetzt vorliegende Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems mit seinen zahlreichen Änderungsvorschlägen für die Arzneimittelversorgung – euphemistisch als Verbesserung und Liberalisierung der Arzneimittelversorgung bezeichnet –, wird die Apothekenlandschaft, die Rendite einer Apotheke, die Mitarbeiter- und Personalsituation, die Arzneiversorgung und das Arzneimittelwesen ganz allgemein gewaltig verändern, sollte dies tatsächlich Gesetz werden.

Hier nur stichpunktartig die wichtigsten diskutierten Maßnahmen:

  • die Erhöhung der Arzneimittelzuzahlung auf vier, sechs und acht Euro,
  • Ausschluss rezeptfreier Arzneimittel aus der GKV-Versorgung,
  • Festbeträge für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen,
  • Kosten-Nutzen-Bewertung von verordnungsfähigen Arzneimitteln,
  • Preisabstandsklausel für Importarzneimittel (Importabgabe nur, wenn der Apothekenabgabepreis mindestens 10% und gleichzeitig mindestens 2 Euro niedriger ist),
  • verschiedene Packungsgrößen innerhalb einer Zuzahlungsstufe sollen aut-idem-fähig sein,
  • Novellierung der Arzneimittelpreisverordnung mit neuen prozentualen Höchstzuschlägen und freie Vereinbarung von Preisen für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel, gleichzeitig Aufhebung des mit dem BSSichG eingeführten dreiprozentigen Großhandelsabschlags und Wiedereinführung des Apothekenabschlags von fünf Prozent,
  • Zulassung des Versandhandels mit bestimmten Auflagen, gleichzeitig aber mögliche freie Preisvereinbarung zwischen Kassen und Versandapotheken für versendete Arzneimittel,
  • Lockerung des Mehrbesitzverbotes (bis zu fünf Apotheken).

Viele dieser Maßnahmen werden die Apotheken direkt oder indirekt belasten und zu niedrigeren Renditen führen. Insbesondere die Novellierung der Arzneimittelpreisverordnung, die Möglichkeit zur Vereinbarung von freien Arzneimittelpreisen bei versendeten Arzneimitteln und der Apothekenmehrbesitz dürften die Apothekenlandschaft enorm verändern.

Was dieses Gesetzesvorhaben und seine Inhalte toppt, ist die Geschwindigkeit, mit der dieses Verfahren durchgezogen werden soll. In Kürze dürfte nach Insidermeinung ein weitgehend identischer Referentenentwurf vorliegen, der Fraktionsentwurf von SPD und Grünen soll bereits am 3. Juni in den Bundestag eingebracht werden, die erste Lesung am 5. Juni stattfinden. Für Anfang Juli ist die 2. und 3. Lesung geplant.

Am 1. Januar 2004 soll das Gesetz dann in Kraft treten, wobei allerdings feststeht, dass der Bundesrat zustimmen muss – ein kleiner Lichtblick für mögliche Korrekturen. Werden wir Apotheker da überhaupt eine Chance haben, gehört zu werden? Werden unsere Vorschläge, z. B. den einer Änderung der Preisverordnung in Richtung Kombimodell mit Festzuschlägen, oder unsere Befürchtungen in Richtung Mehrbesitz und Versandhandel gehört? Ich habe da meine Zweifel.

Peter Ditzel

Wie zerstört man eine gute Arzneimittelversorgung?

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