Rechtsprechung aktuell

Pflicht zur Dienstbereitschaft: Keine Privilegierung von Zweigapotheken

Auch Zweigapotheken unterliegen der Pflicht zur ständigen Dienstbereitschaft und können daher in einen normalen Notdienstturnus eingegliedert werden. Bei der Befreiung von der Dienstbereitschaft gelten für Zweigapotheken keine anderen Vorschriften als für Vollapotheken. Der Erholungsurlaub eines Apothekenverwalters außerhalb von Betriebsferien rechtfertigt deshalb eine Dienstbefreiung nach § 23 Abs. 2 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) regelmäßig nicht. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem unanfechtbaren Beschluss festgestellt. (Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 1. April 2003, Az.: 9 S 2149/02)

Ausgangspunkt der Entscheidung war der Antrag eines Apothekenleiters auf Befreiung seiner Zweigapotheke von der Pflicht zur Dienstbereitschaft für insgesamt acht im einzelnen bezeichnete Tage im Jahr 2002. An diesen Tagen wollte die Verwalterin der Zweigapotheke in Urlaub gehen. Den Antrag lehnte die zuständige Landesapothekerkammer ab – zu Recht, wie ihr nun vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim bestätigt wurde.

Erforderlich: singulärer und außergewöhnlicher Anlass

§ 23 Abs. 2 ApBetrO nennt abschließend die Gründe, die eine Befreiung von der Verpflichtung zur Dienstbereitschaft rechtfertigen (siehe Kasten). Wie das Gericht ausführt, können neben allgemeinen Betriebsferien nur solche Befreiungsgründe als "berechtigt" im Sinne der Vorschrift angesehen werden, die "einen singulären, außergewöhnlichen Anlass" haben und nach ihrem Gewicht geeignet sind, eine Befreiung auch den anderen Apotheken gegenüber zu rechtfertigen.

Die Pflicht zur ständigen Dienstbereitschaft soll nämlich die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Ein "berechtigter Grund" im Sinne von § 23 Abs. 2 ApBetrO kann deshalb von vornherein nicht aus solchen Interessen des Apothekers abgeleitet werden, die typischerweise im Widerstreit zur Verpflichtung zu ständiger Dienstbereitschaft stehen, wie etwa geringes Kundenaufkommen zu bestimmten Zeiten oder ein Bedürfnis des Apothekers nach zusätzlicher Freizeit.

Die generelle Verpflichtung zur ständigen Dienstbereitschaft soll alle Apotheken gleichermaßen treffen. Dadurch wird eine – auch verfassungsrechtlich gebotene – Lasten- und Wettbewerbsgleichheit hergestellt. Ein "berechtigter Grund" für die Freistellung muss daher auch gerade die Bevorzugung gegenüber den übrigen Apotheken rechtfertigen.

Gewöhnlicher Urlaub ist kein Befreiungsgrund

Die Gewährung von Erholungsurlaub für Apothekenmitarbeiter ist kein singuläres, außergewöhnliches Ereignis, sondern zählt zum gewöhnlichen Betriebsablauf einer Apotheke. Unter welchen Voraussetzungen dies als Grund für eine Befreiung von der Pflicht zur Dienstbereitschaft in Betracht kommt, ist in § 23 Abs. 2 ApBetrO ausdrücklich geregelt: nämlich nur für die Dauer angeordneter Betriebsferien.

Während dieser Betriebsferien soll die Apotheke allerdings nicht nur zu den umsatzschwachen Notdienstzeiten, sondern insgesamt geschlossen sein. Auch damit wird ein Lastenausgleich zwischen den Apotheken hergestellt. Außerhalb von Betriebsferien stellt die Gewährung von Erholungsurlaub an Apothekenmitarbeiter daher im allgemeinen keinen "berechtigten Grund" im Sinne von § 23 Abs. 2 ApBetrO dar.

Vielmehr muss der Inhaber der Apotheke urlaubsabwesende Mitarbeiter vertreten lassen oder selbst vertreten. Etwas anderes kann nur gelten, wenn ein Apothekenleiter der Verwalterin seiner Zweigapotheke zum Beispiel Sonderurlaub für außergewöhnliche Ereignisse (Heirat, Todesfall oder ähnliches) gewährt.

Keine Unterscheidung zwischen Voll- und Zweigapotheke

Im Übrigen stellte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung klar, dass § 23 ApBetrO unterschiedslos für alle Apotheken gilt (ebenso Cyran/Rotta, § 23 Rdnr. 20). Die Vorschrift unterscheidet nicht zwischen Vollapotheken, Zweigapotheken und Notapotheken. Eine Sonderregelung trifft lediglich § 23 Abs. 6 ApBetrO für Apotheken, die Krankenhäuser mit Arzneimitteln versorgen. Der Verordnungsgeber hat also durchaus Besonderheiten bestimmter Apotheken bedacht und zum Anlass für Sonderregelungen genommen – aber gerade nicht für Zweigapotheken.

Etwas anderes ist auch nicht aus § 4 Abs. 3 ApBetrO zu folgern. Danach muss eine Zweigapotheke (nur) aus einer Offizin, ausreichendem Lagerraum und einem Nachtdienstzimmer bestehen. Für die Betriebsräume einer Zweigapotheke bestehen damit geringere Mindestanforderungen als an Vollapotheken. Das findet seinen Grund in ihrer Anbindung an die nahe gelegene Stammapotheke.

Rückschlüsse auf eine eingeschränkte Pflicht zur Dienstbereitschaft lässt die Regelung nicht zu, zumal auch eine Zweigapotheke – jedenfalls während der allgemeinen Ladenschlusszeiten – in der Lage ist, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

§ 23 Abs. 2 ApBetrO Von der Verpflichtung zur Dienstbereitschaft kann die zuständige Behörde für die Dauer der ortsüblichen Schließzeiten, der Mittwochnachmittage, Sonnabende oder der Betriebsferien und, sofern ein berechtigter Grund vorliegt, auch außerhalb dieser Zeiten befreien, wenn die Arzneimittelversorgung in dieser Zeit durch eine andere Apotheke, die sich auch in einer anderen Gemeinde befinden kann, sichergestellt ist.

Was sind Zweigapotheken? Eine Zweigapotheke ist die von einer öffentlichen Vollapotheke betrieblich abhängige, unselbstständige und nicht voll ausgestattete öffentliche Apotheke. Sie stellt eine Ausnahme vom Mehrbesitzverbot dar und muss von einem Apotheker verwaltet werden.

Die Errichtung einer Zweigapotheke setzt einen wegen Fehlens einer öffentlichen Vollapotheke eingetretenen Notstand in der Arzneimittelversorgung und eine behördliche Erlaubnis voraus, die der Inhaber der Stammapotheke zu beantragen hat (§ 16 Apothekengesetz). Eine Zweigapotheke muss nach § 4 Abs. 3 mindestens aus einer Offizin, ausreichendem Lagerraum und einem Nachtdienstzimmer bestehen.

Findet sich trotz öffentlicher Bekanntmachung des Notstandes kein Apotheker, der einen Antrag auf Betrieb einer Apotheke oder einer Zweigapotheke stellt, so kann die zuständige Behörde einer Gemeinde die Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen (Not-)Apotheke erteilen (§ 17 ApoG).

(Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung Kommentar, § 1 Rdnr. 6)

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