Berichte

Pharmazeutische Technologie: Verkapselte Systeme

Am 27. und 28. März 2003 fand im Heinrich-Fabri-Institut der Universität Tübingen in Blaubeuren eine Weiterbildungsveranstaltung über "verkapselte Systeme" statt. Die Veranstaltung, an der nicht nur in der regulären Weiterbildung befindliche Pharmazeuten, sondern auch Interessierte aus den Bereichen Industrie und Hochschule teilnahmen, sollte einen Überblick über das Gesamtgebiet der Kapseln einschließlich Mikro- und Nanokapseln geben.

Grundstoff Gelatine

Grundstoff für die Verkapselung ist nach wie vor Gelatine. Dr. Wilfried Babel, DGF Stoess AG, Eberbach, gab in seinem Referat einen Einblick in den neuesten Stand der Gelatineforschung. Noch immer wird Gelatine in den führenden Arzneibüchern USP 26, Pharmacopoea Europaea 4.5 und JP XIII unterschiedlich definiert. Auch die pharmazeutische Charakterisierung durch die Arzneibücher ist durchaus verschieden.

Technologisch interessant sind die Phasenübergänge eines Gelatine/Wasser-Systems und die daraus abgeleiteten Gebrauchs- und Verarbeitungseigenschaften. Dabei kommt vor allem der Rheologie eine zentrale Bedeutung zu.

Weltweit wird in Westeuropa am meisten Gelatine verbraucht, gefolgt von den USA und Kanada, Asien und Südamerika. Die Hauptanwendungen der Gelatine sind im Bereich der Nahrungsmittel (65%), pharmazeutischen Anwendungen (24%) und Photogelatine (11%) angesiedelt. Weitere industrielle Anwendungen sollten dabei nicht vergessen werden: Wer weiß schon, dass nahezu jede Folie, die in einem Tintenstrahldrucker bedruckt wird, an ihrer Oberfläche eine 10 µm dicke Schicht von Gelatine trägt.

Weichgelatinekapseln

Mit Weichgelatinekapseln in Theorie und Praxis befasste sich Dr. Gerhard Fischer, RP Scherer GmbH, Eberbach. Neben ihrer Herstellung thematisierte er vor allem ihre Galenik und hier insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Kapselinhalt und der Kapselhülle. Bei wassermischbaren Systemen können Migrationsvorgänge zwischen Inhalt und Hülle zu erheblichen Verschiebungen des Wassergehaltes, des Weichmachergehaltes und auch der Wirkstoffe führen.

Weichgelatinekapseln stellen eine Sonderform der festen Arzneiformen dar. Sie kommen vor allem bei Substanzen zur Anwendung, die

  • eine schlechte Bioverfügbarkeit aufweisen,
  • als flüssige Stoffe in festen peroralen Darreichungsformen angewendet werden sollen oder
  • problematisch sind wie Zytostatika, oxidationsempfindliche Stoffe, Stoffe mit niedrigem Schmelzpunkt oder extrem niedriger Dosierung.

Am Beispiel einiger Fertigarzneimittel wurden die unterschiedlichen Aspekte der Weichgelatinekapseln vorgestellt.

Entwicklung von Hartgelatine-Steckkapseln

Eine ganz andere Perspektive eröffnete Dr. Sven Stegemann mit seinem Experten System zur Entwicklung von Hartgelatine-Steckkapseln, das von der Firma Capsugel in Kooperation mit der University of London entwickelt wurde.

Das System benötigt Grunddaten zum Wirkstoff, zu dessen Eigenschaften und zur Dosierung. Es kann dann anhand dieser Vorgaben dem Galeniker eine Kapselformulierung vorschlagen. Dabei durchläuft das System einen Lernprozess, sodass aus den eingegebenen Werten für den Wirkstoff die optimale Formulierung ermittelt wird.

Das System ist so ausgelegt, dass Routineentwicklungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% bewältigt werden können. Damit wird der Fachmann nicht überflüssig, sondern er bedient sich des Systems als Hilfsmittel, um auch in schwierigen Fällen die richtige Entscheidung über eine Formulierung treffen zu können.

Kolloidale Trägersysteme

Prof. Dr. Karsten Mäder, Institut für Pharmazeutische Technologie der Universität Halle-Wittenberg, behandelte in seinem Vortrag die Verkapselung in kolloidalen Lipiddispersionen. Der Untertitel seines Vortrags "Hoffnung und Realität" deutete bereits an, dass es sich hierbei um ein entwicklungsfähiges, aber noch lange nicht durchforschtes Gebiet handelt.

Kolloidale Trägersysteme können auf der Basis von Lipiden, Polymeren oder auch unter Einsatz kolloidaler Arzneistoffpartikel hergestellt werden. Nachdem die Solid Lipid Nanoparticles (SLN) in den letzten Jahren großes Interesse hervorgerufen haben, konnte der Vortragende zeigen, dass auch diese Entwicklungen mit gewissen Nachteilen behaftet sind. So gibt es in den SLN nicht nur die erwünschten Partikel, sondern es kommen daneben unterkühlte Schmelzen, Mizellen, Liposomen und kristalline Nanopartikel vor.

Den SLN stellte der Autor die Entwicklung von "Nanostructured lipid carriers" (NLC) gegenüber. Diese werden aus speziellen Mischungen von festen und flüssigen Lipiden hergestellt und weisen eine vollständig amorphe Struktur auf. Es handelt sich um Ölkompartimente im Nanometerbereich, die in eine feste Matrix eingebettet sind.

Aufgrund dieser Eigenschaften sind im Vergleich zu SLN höhere Wirkstoffbeladungen möglich. Die in der flüssigen Phase eingeschlossenen Wirkstoffe sitzen als feinste Öltröpfchen auf plättchenförmigen, erstarrten Lipiden. Aus den eigenen Untersuchungen stellte der Autor interessante Ergebnisse zur Elektronenspinresonanz(ESR)-Charakterisierung vor.

Kapselfüllmaschinen

Dr. Karlheinz Seyfang, Klocke Pharma, Appenweier, ging in seinem Vortrag der Frage nach, welche Rezeptur mit welcher Kapselfüllmaschine zu verarbeiten sei. Die Maschinen arbeiten unterschiedlich: Neben dem Dosierscheibenverfahren gibt es das Röhrchendosierverfahren, sowohl in getakteter als auch kontinuierlicher Form. Neuere Entwicklungen, die unter Einsatz von Vakuum arbeiten, ergeben eine gleichmäßigere Füllung und ermöglichen die Dosierung kleinster Mengen. Solche Techniken sind zum Beispiel bei der Abfüllung von Insulin zur Inhalation notwendig.

Schließlich gab der Referent Empfehlungen gegeben, wie durch die Auswahl einer geeigneten Maschine Probleme bei der Formulierung von Kapselinhalten minimiert werden können.

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