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Kopfpauschale oder Einheitsversicherung – haben wir eine Wahl? (Kommentar)

Was hat uns die Rürup-Kommission als Erkenntnis für die langfristige Umgestaltung des Gesundheitswesens gebracht? – Gar nichts! Innerhalb der Kommission verlaufen die Fronten ebenso wie in der Gesamtgesellschaft. Die Auffassungen der Professoren Rürup und Lauterbach stehen einander unversöhnlich gegenüber: Versicherungspflicht und Kopfpauschale gegen Pflichtversicherung für das ganze Volk.

Die Kommission hat sich mit der diplomatisch geschickten Antwort herausgeredet, zwischen diesen beiden Wegen liege eine Werteentscheidung, die nur das Parlament treffen könne. Ist das wirklich so? – Ja und nein! Ja, denn es geht tatsächlich um gesellschaftliche Grundwerte: Liberalität oder Staatsdirigismus? So viel Staat wie nötig oder so viel Staat wie möglich? Nein, denn die Auswahl ist nach ökonomischen Maßstäben – und um die sollte es in einer mit Ökonomen besetzten Kommission ja ursprünglich gehen – durchaus klar zu treffen.

Die Kopfpauschale beseitigt die Kopplung der Beiträge von den Arbeitseinkommen, die Fehlanreize im Arbeitsmarkt entfallen. Der soziale Ausgleich ist aus Steuermitteln zu leisten. Dann werden alle nach ihrer Leistungsfähigkeit beteiligt, auch die Körperschaften und die Privatversicherten. Die Umlage unterliegt der Etatverantwortung des Bundestages und wird nicht in der Krankenversicherung versteckt. Die Vertragsfreiheit der Selbstständigen bleibt erhalten. Daher wundert es mich nicht, dass der Ökonom Rürup für die wirtschaftliche Freiheit optiert, während sein Kontrahent Lauterbach, der von Haus aus Mediziner und damit in einem streng regulierten Institutionensystem geprägt worden ist, die Gegenposition bezieht.

Diese Gegenposition halte ich aber für reine Ideologie. Eine Pflichtversicherung für das ganze Volk hieße, den Fehler der bisherigen Finanzierung in Abhängigkeit von den Arbeitseinkommen nicht zu beheben, sondern noch zu vergrößern und das marode Prinzip auf andere Wirtschaftsbereiche zu übertragen. Nachdem der Arbeitsmarkt kaputtreguliert wurde, würden dann auch noch der Immobilien- und der Kapitalmarkt folgen, wenn Miet- und Zinseinnahmen einbezogen würden.

Es bleibt zu fragen, ob eine Pflichtversicherung für alle nicht sogar verfassungswidrig wäre. Denn Eingriffe des Staates sind nur dann zulässig, wenn das Ziel nicht auch mit weniger rigiden Maßnahmen zu erreichen ist. Doch genau diese Alternative bietet sich ja in Form der Kopfpauschale, wie die Kommission erklärt hat. Damit sollte die Entscheidung aus juristischer Sicht klar sein. Einen Spielraum für die Politik kann ich bei der Grundsatzfrage nicht erkennen, nur bei den Details! Eine Kopfpauschale müsste nicht einmal das Ende der solidarischen Finanzierung sein, denn auch die Arbeitgeber könnten einen Teil der Pauschale übernehmen. Die Fehlanreize für die Beschäftigung entstehen ja nicht durch den finanziellen Beitrag der Arbeitgeber an sich, sondern durch die unsägliche prozentuale Kopplung.

Doch so sinnvoll die Kopfpauschale sein mag, sogar die Vertreter der Opposition wollten sie auf dem weißen Sofa bei der jüngsten Interpharm nur langfristig als Zukunftsmodell anstreben. Daher habe ich leider wenig Hoffnung, dass die derzeitige Regierung den Mut für diesen längst überfälligen Schritt aufbringt. Bei der umgekehrten Entscheidung dürfte allerdings das Bundesverfassungsgericht ein Wörtchen mitzureden haben!

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