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Marketing für frei-kalkulierbare Produkte

Nach welchen Maßstäben wählen Kunden eine Apotheke aus? Welche Bedeutung haben Sonderangebote dabei? Bringen Preisaktionen zusätzliche Kunden und Erträge? Ų Seit der GKV-Markt nur noch magere Spannen bietet, richtet sich das Interesse verstärkt auf einstige Randbereiche, wie die nicht-preisgebundenen apothekenüblichen Waren. Hier gelten die Regeln des freien Marktes. Doch welche Marketingstrategie bietet die besten Chancen? Ideen und Meinungen hierzu gibt es reichlich, aber nur wenige harte Daten. Eine Ausnahme bildet eine Studie des weltweit tätigen Marktforschungsunternehmens A. C. Nielsen, die wir hier erstmals präsentieren und bezüglich ihrer Konsequenzen analysieren. Die Ergebnisse sind teilweise verblüffend. Offenbar beeinflussen Sonderangebote und deren offensive Darstellung in Handzetteln die Apothekenwahl der Kunden weniger stark als deren Befürworter häufig behaupten.

Untersuchungen zum Apothekenmarketing haben sich in der Vergangenheit eher mit der Gesamttätigkeit der Apotheke oder mit dem Hauptumsatzträger, den Arzneimitteln, beschäftigt. Der nicht-preisgebundene Bereich wurde dagegen vernachlässigt. Zum Marketing dieser Produkte liegen Arbeiten aus anderen Vertriebskanälen vor. Doch blieb offen, inwieweit diese auf Apotheken übertragbar sind. Diese Lücke sollte mit der vorliegenden Studie geschlossen werden, die nur auf Befragungen von Apothekenkunden beruht.

Im Auftrag der Firma GABA wurden 727 Besucher von zwölf Apotheken im November 2001 persönlich anhand strukturierter Fragebögen von A. C. Nielsen interviewt. Die beteiligten Apotheken befinden sich in stark frequentierten Einkaufsstraßen oder Centerlagen in verschiedenen Teilen Deutschlands und hatten zuvor Handzettelaktionen durchgeführt.

Vom Rand- zum Kerninteresse

Wie sehr das so genannte Randsortiment zumindest in diesen Apotheken schon an Bedeutung gewonnen hat, zeigen die Antworten auf die Frage nach dem Grund des Apothekenbesuchs. 45% der Kunden wollten ein Rezept einlösen, 34% brauchten Arzneimittel in der Selbstmedikation. Immerhin 5% der Befragten gaben an, die Apotheke aufgesucht zu haben, um dort Kosmetik- oder Pflegeprodukte zu kaufen. Diese Produkte sind demnach mehr als nur ein zusätzliches Geschäft im Anschluss an eine Arzneimittelabgabe.

Ausschlaggebend für die Apothekenwahl: Freundlichkeit, Bequemlichkeit ...

Zentrale Bedeutung für das gesamte Apothekenmarketing hat die Frage, warum sich die Kunden gerade für diese Apotheke entschieden haben. Im Durchschnitt aller Befragten belegen die Antworten "lag am Weg" (46%), "gehe immer hier hin" (35%) und der Hinweis auf das freundliche Personal (35%) in dieser Reihenfolge die ersten drei Plätze. Bei den über 50-Jährigen gilt für diese drei wichtigsten Gründe allerdings die umgekehrte Reihenfolge. Für diese Altersgruppe hat die Freundlichkeit mit 48% die größte Bedeutung. In allen Altersgruppen sind im Vergleich dazu attraktive Angebote in einem Handzettel relativ uninteressant. Nur für 6% der Befragten war dies ein der Grund für die Wahl der Apotheke (Abb. 1).

... und Beratung

Außerdem wurde gefragt, welche Eigenschaften einer Apotheke den Kunden besonders wichtig sind. Hier steht die Freundlichkeit des Personals an erster Stelle, gefolgt von Beratungskompetenz und Verfügbarkeit der Arzneimittel. Demnach wissen die meisten Apothekenkunden die Beratungsleistungen der Apothekerschaft zu schätzen. Dies ist ein klares Signal an Apotheken, diese Stärken bei jeder Gelegenheit zu betonen. Sie sollten ihr Marketing daher gezielt auf diese Kriterien ausrichten, die bei den Kunden die größte Wertschätzung genießen.

Die klar führende Position dieser Kriterien zeigt, dass praktisch alle Apothekenkunden hier die wesentlichen Gründe für den Apothekenbesuch sehen. Dies gilt offensichtlich auch für Kunden, die keine apothekenpflichtigen Arzneimittel kaufen. Anderenfalls würde kein so klares Ergebnis entstehen. Wer freiverkäufliche Produkte in der Apotheke und nicht in der Drogerie oder im Supermarkt kauft, legt Wert auf Beratung und freundlichen Service (Abb. 2).

Sonderangebote interessieren weniger

Apothekenkunden sind demnach primär keine Schnäppchenjäger. Sie empfinden offenbar den Mehrwert von Beratung und Service und sind zumeist bereit, diese Leistungen zu honorieren. So rangieren Sonderangebote erst auf Platz zehn der Bewertung. Auf den letzten Plätzen unter 14 Antwortmöglichkeiten sind kleine Präsente und attraktive Angebote in Handzetteln zu finden. Damit werden solche handfesten materiellen Vorteile sogar weniger geschätzt als das nur kurzfristig erlebbare "Erscheinungsbild des Verkaufsraumes", das auf Platz acht der Bewertungsliste landet (Abb. 3). Allerdings liegen insbesondere auf den hinteren Plätzen oft nur Nuancen zwischen den verschiedenen Kriterien. Zwischen den Geschlechtern sind nur geringe Bewertungsunterschiede festzustellen. Doch legen Frauen etwas mehr Wert auf Sonderangebote als Männer.

Apotheken erfüllen höchste Erwartungen

Die Erwartungen an die Apotheken sind sehr hoch. Den wichtigsten Punkten wird auf der Bewertungsskala von eins (für "völlig unwichtig") bis zehn (für "sehr wichtig") eine Wichtigkeit von 9,0 bis 9,2 zugeschrieben. Die an der Untersuchung beteiligten Apotheken übererfüllen diese hohen Erwartungen im Durchschnitt sogar. Dies gilt insbesondere für das Erscheinungsbild der Offizin und den kostenlosen Zustelldienst. Hierfür sind demnach keine weiteren Anstrengungen bei diesen Apotheken mehr erforderlich.

Nur die Kriterien "Erreichbarkeit der Apotheke" und "unmittelbare Nähe zum Arzt" werden in den beteiligten Apotheken durchschnittlich schlechter eingeschätzt, als es den Erwartungen der Kunden entspricht. Dies liegt möglicherweise an der bevorzugten Auswahl von Apotheken in stark frequentierten Lagen, die nicht unbedingt für die Gesamtheit der Apotheken repräsentativ sind. Dementsprechend können in anderen Apotheken andere Punkte ungünstiger bewertet werden.

Was bringen Handzettel?

Sonderangebote sind offenbar kein vorrangiges Kriterium bei der Beurteilung einer Apotheke. Vielleicht sind sie aber das entscheidende Zünglein an der Waage bei der Wahl einer Apotheke, wenn Freundlichkeit und Beratungsqualität in Apotheken ohnehin vorausgesetzt werden? – Um dies zu klären, wurden die Apothekenkunden gefragt, ob sie bevorzugt Rezepte in einer Apotheke einlösen würden, die Sonderangebote macht. Darauf antworteten 76% mit nein und nur 24% mit ja.

Diejenigen Kunden, die in Kenntnis eines Handzettels in die Apotheke gekommen waren, wurden gefragt, ob die Sonderangebote auf dem Handzettel oder das Einlösen eines Rezeptes entscheidend für den Apothekenbesuch waren. Für 61% war dies das Sonderangebot, nur für 17% das Rezept. Diese Verteilung bezieht sich allerdings auf eine Basis von nur noch 66 Befragten und ist demnach nicht mehr repräsentativ.

Die Antworten lassen jedoch erkennen, dass die weitaus meisten Apothekenkunden offenbar deutlich zwischen der Apotheke als Ort der Arzneimittelversorgung und als Einkaufsmöglichkeit für Sonderangebote unterscheiden. Beide Funktionen werden meist getrennt voneinander gesehen und in Anspruch genommen. Die vielfach verbreitete und unter Apothekern immer wieder geäußerte Meinung, durch günstige Sonderangebote könnten Kunden angelockt werden, die dann auch Rezepte einlösen, trifft demnach nur auf eine Minderheit der Kunden zu.

... und andere Sonderangebote?

Diese Interpretation erklärt auch die Antworten auf die Frage, ob die Kunden extra wegen eines Produktes, das in einem Handzettel als Sonderangebot beworben wird, eine bestimmte Apotheke aufsuchen würden. 18% der Befragten würden dies sicher machen, 38% vielleicht. 27% würden eher nicht und 17% bestimmt nicht wegen eines Sonderangebotes in eine Apotheke gehen.

Dies erscheint auf den ersten Blick als Widerspruch zu dem geringeren Interesse an Sonderangeboten, das die zuvor dargestellten Antworten zeigen. Doch kann dies leicht erklärt werden, wenn Arzneimittelversorgung bzw. Rezepteinlösung einerseits und Sonderangebote im freikalkulierbaren Sortiment andererseits voneinander getrennt betrachtet werden. Etliche Kunden achten offenbar durchaus auf Sonderangebote. Viele von diesen sind auch bereit, dafür eine bestimmte Apotheke aufzusuchen. Ihre Apothekenwahl bei der Einlösung von Rezepten beeinflusst dies aber nur in geringem Maße.

Arzneimittel und Sonderangebote getrennt betrachten

Für das Marketing in Apotheken ergeben sich daraus wichtige Konsequenzen. Die einfache Rechnung, mit Sonderangeboten Kunden anzulocken, die dann auch andere ertragreichere Produkte kaufen, geht nicht pauschal auf. Es muss genau nachgerechnet werden, ob der Ertrag, der durch billige Sonderangebote vergeben wird, und die beträchtlichen Kosten für die Herstellung und Verteilung von Handzetteln durch die verkaufte Menge oder über andere Umsätze wieder hereinzuholen sind.

Außerdem ist zu fragen, ob Sonderangebote die Positionierung der Apotheke in ihrer Gesamtheit gefährden. Denn die Befragung zeigt klar, dass Beratungskompetenz und Freundlichkeit zu den wichtigsten Kriterien bei der Apothekenwahl gehören – und nicht Sonderangebote. Wenn die Sonderangebote in der Wahrnehmung einer Apotheke einen zu hohen Stellenwert einnehmen, können sie die Signale hinsichtlich Freundlichkeit und Kompetenz überdecken. In den Augen mancher Kunden könnten sich Sonderangebote und gute Beratung sogar ausschließen, weil viele Verbraucher diese Erfahrung bei Discountanbietern machen. Dann wären Sonderangebote für das Image der Apotheke schädlich.

Demnach sollten Sonderangebote nicht das Bild der Apotheke prägen und allenfalls sehr gezielt eingesetzt werden. Insbesondere sollten sie nicht als Lockmittel, sondern selbst als Ertragsbringer gesehen werden. Daher ist es wichtig, die geeigneten Produkte für Sonderangebote gezielt auszuwählen, sie angemessen zu bewerben, ihre Aktionspreise wertgerecht festzulegen und die Aktionszeiträume zu begrenzen. Das Marketing der Sonderangebote ist damit zu einer anspruchsvolleren Aufgabe geworden. Doch auch hierfür bietet die Kundenbefragung interessante Erkenntnisse, die im zweiten Teil dieses Beitrags in der nächsten Ausgabe der DAZ vorgestellt werden.

Seit der GKV-Markt nur noch magere Gewinnspannen bietet, richtet sich das Interesse der Apotheken verstärkt auf die nicht preisgebundenen apothekenüblichen Waren. Hier gelten die Regeln des freien Markts, doch welche Marketingstrategien bieten die besten Chancen? Hierzu liegt nun eine Studie vor, die auf Befragungen von Kunden in zwölf Apotheken basiert und deren Ergebnisse teilweise recht überraschend sind.

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