Arzneimittel und Therapie

IRIS-Studie: Imatinib bei chronisch-myeloischer Leukämie gut wirksam

Patienten mit neu diagnostizierter Philadelphia-Chromosom- (bcr-abl)-positiver chronisch-myeloischer Leukämie profitieren in jeder Hinsicht von der First-line-Therapie mit Imatinib (Glivec®). Das zeigen die jetzt veröffentlichten 18-Monats-Daten der IRIS-Studie.

Nach den Ergebnissen dieser Studie zeigen Patienten, die mit Imatinib (früher STI571) behandelt werden, ein signifikant besseres zytogenetisches Ansprechen und haben eine erheblich bessere Prognose als die zunächst mit einer konventionellen Interferon-Kombination behandelten Patienten. Gleichzeitig ist Imatinib gut verträglich. Imatinib ist ein Protein-Tyrosinkinase-Inhibitor, der die Aktivität der Tyrosinkinase Bcr-Abl auf der zellulären Ebene in vitro und in vivo sehr stark hemmt.

Imatinib im Vergleich mit Interferon

In der IRIS-Studie (Internationale Randomisierte Studie mit Interferon im Vergleich zu STI571) werden zurzeit Imatinib und eine konventionelle Interferon-Kombination direkt verglichen. In weltweit 177 Zentren nehmen 1106 erwachsene Patienten mit neu diagnostizierter Philadelphia-Chromosom-(bcr-abl)-positiver chronisch-myeloischer Leukämie (CML) entweder den spezifischen Tyrosinkinase-Inhibitor ein oder erhalten Interferon alfa in Kombination mit intermittierend gegebenem Cytarabin (IFN/AraC) in niedriger Dosierung.

Zulassung zur First-line-Therapie

Bereits in der ersten Auswertung nach 12-monatigem Follow-up war die Überlegenheit von Imatinib beim zytogenetischen und hämatologischen Ansprechen und der Prognoseverbesserung so eindeutig, dass dem neuartigen Medikament gut ein Jahr nach der Zulassung für die fortgeschrittenen CML-Phasen Anfang 2003 auch die Zulassung zur First-line-Therapie bei Erwachsenen mit neu diagnostizierter bcr-abl-positiver chronisch-myeloischer Leukämie erteilt wurde. Imatinib ist damit für alle Krankheitsstadien der chronisch-myeloischen Leukämie zugelassen.

Überlegene Wirksamkeit durch 18-Monats-Daten bestätigt

Die nun veröffentlichten 18-Monats-Daten erhärten die überlegene Wirkung des spezifischen bcr-abl-Tyrosinkinase-Inhibitors: Das vorrangige Ziel der CML-Therapie, die Beseitigung der Philadelphia-positiven Blasten, wurde unter der Therapie mit Imatinib neunmal häufiger erreicht als unter der Behandlung mit Interferon und Cytarabin: Bei 74% der mit Imatinib behandelten Patienten wurde eine vollständige zytogenetische Remission dokumentiert, dagegen erreichten unter dem konventionellen Interferon-Schema nur 8% dieses Therapieziel. Ein größeres zytogenetisches Ansprechen wurde unter Imatinib sogar in 85% der Fälle dokumentiert, in der Interferon/Cytarabin-Gruppe (IFN/AraC) aber nur bei 22%.

Die bereits nach 12 Monaten beeindruckenden Unterschiede beim progressionsfreien Überleben (97,2% [Imatinib] vs. 80,3% [IFN/AraC]) vergrößerten sich weiter: So lebten nach 18 Monaten in der Imatinib-Gruppe noch 92,3% der Patienten ohne Progress, definiert als Übergang in fortgeschrittene CML-Stadien, Tod, Verlust von größerem zytogenetischen Ansprechen oder komplettem hämatologischen Ansprechen. In der Interferon/Cytarabin-Gruppe waren dies nur noch 73,6%.

Besseres molekulares Ansprechen

Auch auf molekularer Ebene erwies sich Imatinib als eindeutig überlegen: Die Auswertung einer Subgruppe von IRIS-Patienten, bei denen mittels quantitativer PCR die bcr-abl-Tyrosinkinase-Spiegel bestimmt wurden, zeigte nach 12-monatiger Imatinib-Behandlung eine Abnahme um 3 log-Stufen, im Interferon-basierten Regime konnte die Enzymkonzentration dagegen nur um 1 log-Stufe gesenkt werden. Patienten, die aus dem Interferon-Kombinationsarm in den Imatinib-Arm wechselten, zeigten wiederum eine deutliche Abnahme der mittels PCR gemessenen Krankheitsaktivität.

Vorteile bei der Verträglichkeit und Lebensqualität

Neben der deutlich besseren Wirkung zeichnete sich das innovative Krebsmedikament zugleich durch Vorteile bei der Verträglichkeit aus: Während nach 12 Monaten unter der Interferon-basierten Therapie 39% der Patienten aufgrund von Nebenwirkungen oder fehlender Wirksamkeit zu Imatinib gewechselt hatten, betrug die Cross-over-Rate unter Imatinib weniger als 1%.

Die gute Verträglichkeit des spezifischen Signaltransduktionshemmers ging mit einer auffallenden Verbesserung der Lebensqualität einher. In der 12-Monats-Analyse bewerteten die Patienten, die von Interferon/Cytarabin auf Imatinib gewechselt hatten, ihre Lebensqualität nicht nur erheblich besser als unter dem konventionellen Therapieregime, sondern auch als die Patienten, die weiterhin Interferon/Cytarabin erhielten. Trotz des Vorteils bei der Prognose und Lebensqualität verursachte Imatinib nach einer Auswertung der 12-Monats-Daten keine höheren Gesamtkosten als das konventionelle Therapieregime.

Das Philadelphia-Chromosom

In den 60er-Jahren entdeckten zwei Forscher aus Philadelphia bei Patienten mit chronisch myeloischer Leukämie (CML) eine genetische Mutation: Ein Teil des ursprünglich auf Chromosom 9 lokalisierten abl-Protoonkogens ist dabei mit dem bcr-Gen auf Chromosom 22 verschmolzen. Diese Veränderung konnte bei 95% aller Patienten mit CML identifiziert werden und wurde bald als Philadelphia-Chromosom bekannt.

Das Philadelphia-Chromosom kodiert für ein Enzym, das eine Schlüsselrolle beim abnormen Zellwachstum und der Zellteilung spielt. Dieses Enzym (bcr-abl) ist ein Fusionsprotein, das im Gegensatz zum normalen c-abl-Protein eine stärkere Aktivität als Tyrosinkinase besitzt und dadurch die normalen genetischen Anweisungen der Zelle verändert. Bcr-Abl sendet Signale über verschiedene Wege in der Zelle, was schließlich zu einer Überproduktion von Leukozyten im Körper führt. Während ein Kubikmillimeter gesundes Blut 4000 bis 10 000 Leukozyten enthält, steigt dieser Wert bei CML-Kranken auf das 10- bis 25fache an.

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